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Als sie die Totenkammer der Abtei erneut betraten, war von Bruder Bardan nichts zu sehen. Der Raum war leer. Nur der Leichnam Bruder Daigs lag, in das leinene Grabtuch gehüllt, auf dem Tisch. Auch die Leiche des Kriegers war verschwunden. Wieder draußen, stießen sie auf Schwester Scothnat, die nach den Ereignissen der vergangenen Nacht noch recht blaß und mitgenommen wirkte.
Fidelma erkundigte sich, wo sich Bruder Bardan aufhalte. Schwester Scothnat wußte es nicht, vermutete aber, er sei zum Schmied Nion gegangen. Sie fügte hinzu, Bruder Daig solle dem Brauch gemäß bei Sonnenuntergang im Bereich der Abtei beigesetzt werden, und ein Requiem, ecnairc genannt, werde an seinem Grab gesungen.
»Was nun?« fragte Eadulf, als er Fidelma erneut zum Tor der Abtei folgte.
»Wir machen uns auf die Suche nach Bruder Bar-dan.«
An einem Feuer nahe den Überresten des alten Eibenbaums ruhten sich einige der Krieger Finguines von ihren Anstrengungen aus. Fidelma und Eadulf kamen an den schwelenden Resten von Nions Schmiede vorbei und schauten sich auf der Hauptstraße um.
Es herrschte mehr Bewegung im Ort als am Morgen. Sie hörten Lärm in der Nähe und gingen um ein Gebäude herum seinem Ursprung nach. Dort sahen sie, wie einige der Leute Finguines den überlebenden Männern halfen, auf einem Feld hinter den Häusern ein großes Grab auszuheben. Das Feld war anscheinend schon früher als Begräbnisplatz genutzt worden. An seinem Rand lag eine Reihe von Leichen, in leinene Grabtücher gehüllt, und wartete auf die Beisetzung. Eine kleine Gruppe von Frauen umgab sie, stieß die üblichen Klageschreie aus und klatschte in die Hände, um so ihren Schmerz auszudrücken.
An anderen Stellen waren Männer, Frauen und Kinder damit beschäftigt, den Schutt zerstörter Gebäude zu durchwühlen. Von diesen verzweifelten Bemühungen abgesehen, hatte sich im Ort nicht viel verändert.
»Bruder Bardan kann ich nirgends entdecken«, bemerkte Eadulf.
»Hier irgendwo sollte er aber sein«, versicherte ihm Fidelma, während sie zur Ruine von Nions Schmiede zurückgingen und dann die geschwärzten Mauern von Creds Herberge betrachteten. »Wir versuchen es noch in dieser Straße, da hinten scheint sich eine Menschenmenge gesammelt zu haben.«
Sie waren noch nicht weit gegangen, als ihnen klar wurde daß die Leute einen Mann umdrängten, der gerade in das Ende der Straße eingebogen war. Die Menge schrie zornig und schimpfte. Vor Fidelmas und Eadulfs überraschten Blicken ergriffen die Vordersten den Mann und zogen ihn von dem Esel, auf dem er geritten war. Er stieß einen schrillen Schrei aus und reckte verzweifelt die Arme in die Höhe, bevor er in der Menge verschwand.
So schnell sie konnte, rannte Fidelma auf die Leute zu. In dem Augenblick kamen Finguine und zwei seiner Männer aus einem Haus an der Straße heraus. Hinter ihnen erblickte Fidelma Bruder Bardan, doch jetzt wurde ihre Aufmerksamkeit anderweitig in Anspruch genommen.
»Was ist los?« rief Finguine, als sie, gefolgt von Ea-dulf, an ihm vorbeistürmte.
»Rasch, bring deine Leute mit!« schrie sie ihm über die Schulter zu.
Sie erreichten die Menge, die den Mann in ihrer Mitte lauthals beschimpfte. Er war wieder auf die Füße gekommen, wurde aber von allen Seiten gestoßen und geschlagen. Er blutete im Gesicht.
»Hört auf! Schluß damit, sage ich!« rief Fidelma und versuchte sich einen Weg durch die Menge zu bahnen.
Nun waren auch Finguine und seine Männer heran und folgten, ohne zu fragen, ihrem Beispiel, schoben die Menschen auseinander und von ihrem Opfer fort. Die Leute erkannten den Fürsten von Cnoc Äine und seine beiden Krieger und gaben zögernd nach.
Endlich stand Fidelma vor der schmalen Gestalt des Mannes, den man umzingelt hatte.
Sein Haar wurde schon grau, seine jetzt zerrissene und blut- und schmutzverschmierte Kleidung war von guter Qualität. Sein Mantel war mit Fuchspelz besetzt. Um den Hals trug er eine goldene Amtskette. Er machte merkwürdige, ruckartige Kopfbewegungen wie ein Vogel. Sein Hals war mager, der Adamsapfel trat hervor und hüpfte vor Aufregung. Fidelma wußte nicht, ob er sie an einen Vogel oder ein Frettchen erinnerte, beiden schien er ähnlich.
Sie sah, daß er nicht schwer verletzt war, und hob die Hand, um der lärmenden Menge Ruhe zu gebieten. In den Gesichtern der Leute standen Haß und Wut, aber auch Angst.
»Was hat das zu bedeuten?« Es war schließlich Fin-guines mächtige Stimme, die das Geschrei übertönte und zum Verstummen brachte.
»Ein Ui Fidgente!« rief einer. »Seht ihn euch an! Er kommt und will sich an dem Tod und der Vernichtung weiden, die seine Leute über uns gebracht haben.«
Fidelma blickte auf den kleinen blassen Mann, in dessen blutigem Gesicht sich Furcht und Zorn spiegelten.
»Wer bist du?« fragte sie ihn. »Bist du ein Ui Fid-gente?«
Der kleine Mann richtete sich auf. Er ging ihr kaum bis zur Schulter.
»Ich bin ...«, setzte er an.
Die Leute antworteten mit einem allgemeinen Wutgeheul auf das, was sie als eine Bestätigung ansahen.
»Halt!« rief Finguine. »Laßt den Mann sprechen. Außerdem seht ihr, daß er kein Krieger ist. Letzte Nacht wurdet ihr von Kriegern überfallen, nicht von Fremden, die auf Eseln reiten. Nun sprich, Mann, und sag uns, wer du bist und was du hier tust.«
»Es stimmt, daß ich ein Ui Fidgente bin, aber ich bin kein Krieger«, antwortete der Grauhaarige schließlich. »Was sagt dieser Mann, ihr seid von Kriegern der Ui Fidgente angegriffen worden? Das kann ich nicht glauben.«
»Wie der Fürst von Cnoc Äine bereits feststellte«, erklärte ihm Fidelma ruhig, »sind wir gestern nacht überfallen worden.«
Die Antwort des Grauhaarigen ging in erneutem Rachegeschrei unter.
Der Schmied Nion hatte sich nach vorn geschoben und stützte sich schwer auf seinen Stock.
»Hört ihr? Er gibt zu, daß er ein Ui Fidgente ist. Bringen wir ihn um.«
Der kleine Mann sah beunruhigt aus und schob das Kinn vor, doch mehr aus Zorn als aus Furcht. »Was ist das für eine Gastfreundschaft, daß ihr über unschuldige Reisende herfallt? Gibt es denn keine Achtung vor dem Gesetz in diesem Ort?«
»Gesetz!« höhnte Nion. Er wies auf die schwelenden Ruinen. »Haben sich denn die Ui Fidgente, die das hier angerichtet haben, um das Gesetz geschert? Komm und zähle die Leichen auf unserem Friedhof, und dann erkläre uns, wie ihr Ui Fidgente das Gesetz hochhaltet.«
Der kleine Mann schaute verwirrt drein. »Davon weiß ich nichts. Außerdem verlange ich Beweise für eure Anschuldigungen.«
»Beweise willst du?« rief ein anderer aus der Menge, der Nion unterstützte. »Wir beweisen es dir mit einem Strick und einem Ast.«
Finguines Schwert fuhr aus der Scheide. »Niemand tastet diesen Mann an. Noch gelten Recht und Gesetz im Gebiet des Fürsten von Cnoc Äine.«
Fidelma warf ihrem Vetter einen dankbaren Blick zu.
»Geht an eure Arbeit«, befahl sie. »Dieser Mann befindet sich im Gewahrsam des Fürsten von Cnoc Äine, und wenn er in irgendeiner Weise für das verantwortlich ist, was man euch angetan hat, wird er vor Gericht gestellt.«
Zorniges Gemurmel erhob sich, doch da Finguine und seine beiden Männer mit gezogenen Schwertern dastanden, zerstreute sich die Menge widerwillig.
Der kleine Mann wischte sich das Blut vom Gesicht. Er faßte langsam wieder Mut, und sein blasses Gesicht rötete sich vor Zorn.
»Bestien! So bin ich noch nirgends empfangen worden. Dafür steht mir eine Entschädigung zu, Fürst von Cnoc Äine.«
Der letzte Satz war an Finguine gerichtet, der sein Schwert eingesteckt und sich ihm zugewandt hatte.
»Ich bin Finguine«, bestätigte er knapp. »Wer bist du?«
»Ich bin Solam von den Ui Fidgente.«
Fidelmas Augen weiteten sich leicht. »Bist du der dalaigh Solam?«
Der kleine Mann antwortete mit einem dünnen Lächeln: »Genau der bin ich, Schwester ...?«
»Ich bin Fidelma von Cashel.«
Solam vermochte seine Überraschung gut zu verbergen.
»Ach!« Dieser Ausruf konnte vieles bedeuten. »Ich hätte mir denken können, daß du hier bist, Fidelma.«
»Und was machst du hier?« wollte Finguine wissen.
Der kleine Mann wies auf Fidelma. »Sie weiß das.«
»Er ist sicherlich auf dem Weg nach Cashel zu der Gerichtsverhandlung«, erklärte Fidelma. »Fürst Do-nennach von den Ui Fidgente sagte, er werde Solam kommen lassen, damit er ihn vor den Brehons von Cashel, Fearna und den Ui Fidgente vertreten solle.«
Eadulf hatte den Esel des dalaigh eingefangen und brachte ihn herbei.
»Ich brauche ein Bad und muß mich von dieser Begrüßung erholen«, verkündete Solam gereizt. »Gibt es denn hier keine Herberge?«
»Deine Freunde haben sie niedergebrannt und die Wirtin erschlagen«, spottete einer von Finguines Männern.
Die Augen des kleinen Mannes funkelten. »Sieh dich vor, ehe du die Ui Fidgente weiter beschuldigst. Ich habe gehört, daß manche uns verdächtigen, wir hätten versucht, den König von Muman zu ermorden!«
Fidelma sah ihn ernst an und sagte: »Diese ausgebrannten Gebäude sind nicht von selbst in Flammen aufgegangen, Solam. Der große Eibenbaum, das Symbol unseres Landes, ist nicht von selbst umgefallen. Und die Leichen, die gerade in einem Massengrab beigesetzt werden sollen, stammen nicht von Selbstmördern. Möchtest du sie dir nicht genau anschauen?«
Solam machte ein angeekeltes Gesicht. »Die Ui Fidgente sind nicht verantwortlich für die Handlungen von Geächteten und Abtrünnigen. Wo ist der Beweis dafür, daß wir das getan haben?«
Finguine übernahm die Antwort. »Komm mit«, sagte er grimmig und ließ Solam keine andere Wahl.
Er führte ihn zu dem frisch ausgehobenen Grab, an dem die Frauen immer noch mit Klageschreien und Händeklathen ihre Trauer bekundeten. Einige seiner Krieger waren noch am Graben. Sie hielten inne, als Finguine mit dem Anwalt der Ui Finguine, der seinen Esel führte, herankam. Die beiden Krieger begleiteten sie, und Fidelma und Eadulf folgten ihnen.
Finguine ging zu einer Leiche, die etwas abseits lag und statt mit dem traditionellen Leinentuch mit einer alten Pferdedecke verhüllt war. Der Fürst hob mit der Schwertspitze ein Stück der Decke hoch. Er wandte keinen Blick vom Gesicht Solams.
Unter der Pferdedecke befand sich die Leiche des toten Räubers.
»Kennst du ihn?«
Solam betrachtete die Leiche eingehend und schüttelte dann den Kopf.
»Entweder sagst du die Wahrheit, oder du bist ein guter Lügner«, meinte Finguine trocken.
Mit der Schwertspitze zog er wieder die Decke über das Gesicht des Toten. »Ich würde dir raten, deine Reise nach Cashel unverzüglich fortzusetzen.«
Solam war sehr reizbar und impulsiv, sein Temperament äußerte sich nun in seiner Verärgerung. Außerdem schien er ziemlich eigensinnig zu sein.
»Unglaublich! Ich komme in diese Stadt, werde angegriffen, beleidigt, zu Unrecht beschuldigt und dann, wenn ich der mir von Rechts wegen zustehenden Gastfreundschaft bedarf, aufgefordert, weiterzureiten. Ihr verschafft mir wirklich gute Argumente für mein Plädoyer in Cashel.«
Fidelma beschloß einzugreifen.
»Solange die Beteiligung der Ui Fidgente an dem Überfall nicht erwiesen ist, hat Solam recht, Vetter«, gab sie zu bedenken. »Wir können nicht beweisen, wer die Angreifer waren. Solam kann also um Gastfreundschaft ersuchen und sich auf seiner Reise nach Cashel hier ausruhen.«
Trotzig hob Solam das Kinn. »Ich bin froh, daß es noch jemanden in diesem Land gibt, der Verstand besitzt«, bemerkte er bissig.
Fidelmas Vetter drückte seine Unzufriedenheit durch einen langen, gereizten Seufzer aus. »Na gut. Solam mag um Gastlichkeit ersuchen, aber da die Angreifer die einzige Herberge des Ortes zerstört haben, weiß ich nicht, wo er sie finden sollte.«
»In der Abtei natürlich«, erwiderte Solam.
»Du bist aber kein Mönch.«
»Das macht nichts. Die Regeln der Gastfreundschaft gelten für alle«, wandte Fidelma ein. »Geh zur Abtei, Solam, dort wirst du Unterkunft finden.«
Solam lächelte selbstzufrieden und machte sich auf den Weg. Doch nach wenigen Schritten kam er zurück, die Wirklichkeit war stärker als sein Eigensinn.
»Ihr erwartet doch wohl nicht von mir, daß ich ohne Schutz durch diesen Ort gehe?« fragte er beinahe zänkisch.
Fidelma sah Finguine an. Auch ohne Worte erfaßte ihr Vetter, was sie meinte.
Der Fürst von Cnoc Äine winkte einen seiner Krieger heran. »Bringe den dalaigh sicher hinüber zum Tor der Abtei und komm dann zu mir zurück.«
Der Mann wollte protestieren, doch als er die Miene seines Fürsten sah, zuckte er nur die Achseln.
Als Solam fort war, sagte Finguine warnend zu Fi-delma: »Ich hoffe, du weißt, was du tust. Je länger sich dieser Solam hier aufhält, desto größer wird die Gefahr für ihn. Viele im Ort haben Angehörige verloren.«
»Doch wenn nun die Ui Fidgente nicht schuld daran sind .?« fragte Fidelma.
»Glaubst du wirklich, daß Solam rein zufällig hier aufgetaucht ist?«
»Wir haben keinen Grund, etwas anderes anzunehmen - bis jetzt«, erwiderte sie.
»Ich meine doch. Warum sollte jemand, der aus dem Land der Ui Fidgente nach Cashel reist, durch Imleach kommen? Wir liegen weit südlich des Weges, der von ihrem Land nach Cashel führt.«
Fidelma lächelte. »Das weiß ich. Aber Klugheit ist der Stärke überlegen. Falls Solam herkam, um eine Niederträchtigkeit zu begehen, dann können wir ihn beobachten und sehen, was er im Schilde führt. So können wir dem Wolf eine Falle stellen.«
»Lieber den Wolf bei den Ohren packen, als ihn auf die Schafe loslassen«, konterte Finguine.
»Wir lassen ihn nicht los, wir lassen ihm nur genug Leine, damit wir sehen, was er vorhat. Mach dir keine Sorgen, ich glaube auch nicht, daß er zufällig herkam.«
Finguine öffnete den Mund, doch Fidelma hatte sich schon zum Gehen gewandt.
Eadulf eilte ihr ratlos nach.
»Das verstehe ich alles nicht. Wenn die Angreifer gestern nacht Ui Fidgente waren, warum reitet dann dieser Solam am Tag darauf hier ein?«
»Spekulationen ohne Wissen sind nutzlos«, erwiderte Fidelma kurz.
Sie gelangten wieder auf die Hauptstraße.
»Wo hatten wir doch Bruder Bardan gesehen?«
Im stillen machte sich Eadulf Vorwürfe. In der Aufregung über Solams Erscheinen hatte er ganz vergessen, wozu sie in die Stadt gekommen waren.
»Ich habe ihn nicht gesehen«, antwortete er.
Mit gespieltem Erstaunen schüttelte Fidelma den Kopf.
»Mein Vetter und seine zwei Männer kamen aus einem Haus. Hast du nicht bemerkt, daß Bruder Bardan hinter ihnen stand?«
Verlegen verneinte Eadulf das.
»Du hast ihn nicht gesehen?«
»Ich sah, aus welchem Haus dein Vetter kam«, er widerte Eadulf. »Das da drüben war es.«
Fidelma und Eadulf gingen hinüber. Es handelte sich um ein einstöckiges Steinhaus, das bei dem Überfall anscheinend gar nicht gelitten hatte. Sein Reetdach war noch heil, im Gegensatz zu den Nachbarhäusern, deren Dächer angesengt oder stellenweise verbrannt waren. Dieses Haus hatte Glück gehabt.
Fidelma schlug mit der Faust an die Tür.
Nach einer Weile hörte sie ein schlurfendes Geräusch.
Die Tür öffnete sich, und Nion, der Schmied und bo-aire des Ortes, stand im Rahmen. Er trug noch seinen langen Mantel mit der kleinen, mit drei roten Granatsteinen besetzten Silberspange. Fragend sah er Fidelma an.
»Was kann ich für dich tun, Lady?«
Wegen seines verletzten Beins stützte er sich unsicher gegen den Türpfosten.
Fidelma lächelte ihn freundlich an. »Setz dich lieber, Nion. Dann können wir reden.«
Nion sah sich gegen seinen Willen von Fidelma ins Haus gedrängt. Eadulf folgte ihnen und schloß die Tür. Nion humpelte zu einem Schemel und ließ sich darauf nieder.
»Ist das dein Haus?« fragte Fidelma und blickte sich um.
Es war ein einziges Zimmer mit einem großen Kamin am Ende. Eine Leiter führte auf den Boden zu den Schlafstätten.
»Ja. In der Schmiede arbeite ich nur.«
»Ich dachte, du hast gesagt, du schläfst in einem hinteren Raum der Schmiede?« fragte Eadulf mißtrauisch.
»Ich hab gesagt, ich schlief in der Schmiede, als der Überfall stattfand. Das mache ich manchmal, wenn ich noch spät zu tun habe. Dies Haus gehört mir als bo-aire.«
An der Antwort fand Eadulf nichts auszusetzen.
»So ist das also. Du hast Glück, daß du zwei Häuser besitzt. Dies Haus blieb unbeschädigt, während deine Schmiede zerstört wurde. Du bist nicht genötigt, dir irgendwo einen Schlafplatz suchen zu müssen, bis deine Schmiede wieder aufgebaut ist.«
»Du bist aber sicher nicht hergekommen, um mich zu meinem Haus zu beglückwünschen, Lady. Wozu bist du hier?«
»Mir war aufgefallen, als ich vorhin hier vorbeikam, daß mein Vetter und seine Krieger hier waren.«
»Sicher«, kam die Antwort sofort. »Dein Vetter wollte sich mit mir beraten. Schließlich bin ich der bo-aire.«
»Das ist verständlich.« Sie wartete einen Moment. »Was machte Bruder Bardan hier? Wollte er sich auch mit dir beraten - als dem bo-aire natürlich?«
Nion zwinkerte nicht einmal bei ihrem scharfen Ton.
»Natürlich«, bestätigte er.
»Aha. Verletzt es die Vertraulichkeit, wenn ich mich nach dem Zweck seines Besuchs erkundige?«
»Nein.« Nion schüttelte den Kopf. »Wenn ich auch nicht weiß, weshalb dich das interessiert. Bardan fragte mich, ob ich bereit sei, die Leiche des Räubers zu beerdigen, der gestern nacht getötet wurde. Ich gab die Erlaubnis, ihn neben dem Massengrab unserer Leute zu bestatten. Das ist alles.«
Es klang überzeugend. Trotzdem war Fidelma nicht zufrieden.
»Wo ist Bruder Bardan jetzt?«
Nion beschrieb mit der Hand einen Kreis, als wolle er sie auffordern, das Haus zu durchsuchen.
»Ich habe keine Ahnung, wo er sich aufhält. Er ging weg, als dieser hinterhältige Anwalt der Ui Fidgente hier auftauchte, um zu sehen, wieviel Schaden seine Leute angerichtet haben.«
»Du hast nicht bemerkt, wohin Bruder Bardan ging, als er dein Haus verließ?« bohrte Fidelma weiter.
»Nein. Du erinnerst dich sicher, daß ich euch folgte, weil ich sehen wollte, was der ganze Aufruhr zu bedeuten hatte.«
»Du kamst später als die meisten anderen«, erwiderte Eadulf, spürbar verärgert über die ausweichende Antwort des Schmieds.
Nion zeigte auf sein verwundetes Bein. »Ich laufe zur Zeit nicht sehr schnell«, meinte er spöttisch.
Eadulf errötete.
»Mein Gefährte wollte nicht taktlos sein«, entschuldigte sich Fidelma. »Hast du gar keine Vermutung, wohin sich Bruder Bardan gewandt haben könnte?«
»Nein. Wahrscheinlich ist er auf dem Friedhof ...«
»Von dort kommen wir gerade«, sagte Eadulf.
»Dann versucht’s mal in der Abtei.«
Fidelma ging zur Tür, und dort drehte sie sich noch einmal zu dem Schmied um.
»Solange sich Solam hier aufhält, behandelt ihn mit dem Respekt, der jedem durchreisenden dalaigh gebührt. Wir haben keine Beweise dafür, daß er etwas anderes ist, als was er zu sein vorgibt. Wenn ihm etwas zustößt, trifft den Schuldigen die Strafe des Gesetzes.«
Nion gab keine Antwort, sie schob den Riegel weg, und Eadulf folgte ihr auf die Straße.
Draußen blieben sie stehen.
»Das klang alles so, als würdest du ihn verdächtigen«, hielt ihr Eadulf vor.
»Wirklich?« meinte sie, sagte aber nichts weiter.
Schweigend gingen sie zurück zur Abtei. Fidelma schien in Gedanken versunken, und Eadulf wollte sie lieber nicht stören.
Als sie die Abtei erreichten, läutete die Glocke gerade zum mittäglichen Angelus-Gebet.
Wortlos begaben sich Fidelma und Eadulf in die Kapelle. Es war ein unwillkürlicher Entschluß, den jeder für sich faßte. Der Psalmengesang wurde von Abt Segdae angeführt, der seinen gewohnten Lebensmut wiedergefunden zu haben schien. Seine Stimme war aus dem Gesang der Gemeinde herauszuhören.
»Oculi omnium in Te aspiciunt et in Te sperant!«
Fidelma senkte den Kopf und übersetzte für sich: »Die Augen aller sind auf dich gerichtet und hoffen auf dich.« Es war, als wolle Segdae sie an ihre Verantwortung erinnern. Doch zum erstenmal in ihrem Leben war sie völlig verwirrt. Bei den früheren Untersuchungen, die sie geführt hatte, gab es gewöhnlich eine Spur, die sie verfolgen konnte. Diesmal hatte sie mehrere Spuren und viele Rätsel vor sich, die nicht notwendigerweise zusammenhingen. Oder doch? Sie war sich nicht einmal dessen sicher.
Sie nahm den Rest des Gottesdienstes kaum wahr. Als der letzte Psalm gesungen war, strömte die Gemeinde dem Speisesaal zu, um das etar-suth, das Mittagsmahl, einzunehmen. Wie üblich legte man am Eingang die Schuhe oder Sandalen ab. Sie tat es fast unbewußt, trat ein und setzte sich an einen der langen Holztische. Abt Segdae sprach das lateinische Gratias, dann erhob sich ein leises Gemurmel, und die Gemeinschaft begann zu essen.
Wie meist bestand die leichte Mittagsmahlzeit aus Brot, Käse und Obst, dazu wurde je nach Geschmack Ale oder Wasser gereicht. Während Fidelma aß, gingen ihr all die vielen quälenden Fragen durch den Kopf.
Schließlich merkte sie, daß jemand sie ansprach.
Sie blickte auf und erkannte den Verwalter der Abtei, Bruder Madagan, der immer noch ziemlich blaß aussah, aber sonst guter Stimmung zu sein schien. Im Speisesaal hielten sich nur noch wenige Leute auf, darunter Ea-dulf, der neben ihr gesessen hatte, ohne sie zu stören. Bruder Madagan setzte sich auf die Bank ihr gegenüber.
»Ich möchte mich bei dir und bei Bruder Eadulf bedanken, daß ihr mich bei dem Überfall hereingeschleppt habt«, sagte Bruder Madagan. »Ich erinnere mich kaum an das, was zwischen dem Moment, als ich getroffen wurde, und dem, als ich auf dem Hof wieder zu mir kam, geschehen ist. Bruder Tomar hat mir alles erzählt. Daß die arme Cred erschlagen und Bruder Daig getötet wurde. Ihr beide habt euer Leben gewagt, um mich zu retten.«
»Was ist mit deiner Wunde, Bruder, heilt sie?« fragte Fidelma mit einer abwehrenden Handbewegung. Obwohl der Verwalter sich bemühte, freundlich zu sein, mochte sie ihn nicht. Seine Augen blickten kalt, und Fidelma spürte etwas Unbarmherziges in ihnen.
»Gott sei Dank«, erwiderte Bruder Madagan. »Zum Glück traf der Krieger meinen Schädel nur mit der flachen Klinge. Eine Weile dröhnte mir der Kopf wie ein Schmiedehammer auf dem Amboß. Ich habe eine Beule von der Größe eines caman-Balls.«
Ein caman-Ball, liathroid genannt, hatte einen Durchmesser von etwa zehn Zentimetern und wurde aus einem leichten, elastischen Material wie Wollgarn gemacht, das gewickelt und anschließend mit Leder überzogen wurde. Damit spielte man Treibball.
»Wir dachten schon, du wärst tot«, meinte Eadulf.
»Die Gottlosen siegen nicht so leicht«, erklärte Bruder Madagan salbungsvoll. Doch in seiner Stimme lag kalter Haß.
»Sie haben aber viel Tod und Verderben gebracht«, ergänzte Fidelma.
Madagans Blick war eisig.
»Das habe ich schon von Schwester Scothnat gehört. Ach, ich hätte nicht versuchen sollen, den Angreifer mit dem Hinweis auf das Kirchenasyl aufzuhalten. Er wußte offenbar gar nicht, was das ist. Er verstand nur die Sprache des Schwerts.«
»Du kamst also wieder zu Bewußtsein, als wir dich durch das Tor hereinzogen?« fragte Fidelma.
»Ja. Allerdings ist meine Erinnerung an diese Momente wirr; ich glaube, ich war mehr bewußtlos als bei Bewußtsein. Ich besinne mich darauf, wie dankbar ich war, als das Tor der Abtei zuschlug. Dann weiß ich nicht mehr viel, bis ich Jubelrufe vernahm. Schwester Scothnat meint, das war, als dein Vetter, der Fürst von Cnoc Äine, ankam und die Angreifer vertrieb.«
Fidelma schaute nachdenklich drein.
»Erinnerst du dich daran, wie du auf dein Zimmer gebracht wurdest?« fragte sie.
Madagan nickte leicht. Dann zuckte er zusammen, denn durch die Bewegung war der Schmerz in seinem angeschlagenen Schädel augenblicklich stärker geworden.
»Kannst du dich an etwas davor erinnern?«
Der Verwalter überlegte einen Moment. »An was zum Beispiel?«
»Du sagst, du weißt noch, wie du auf den Hof gebracht wurdest?«
»Ja. Ich hab gehört, wie die Brüder den armen Bruder Daig beklagten. Er war ja erst siebzehn Jahre alt.«
»In der Nähe lag auch der gefangene Angreifer gefesselt.«
In Bruder Madagans Augen funkelte es einen Augenblick.
»Schwester Scothnat hat mir berichtet, daß er gefangen, aber nicht getötet wurde. Hätte ich zu der Zeit gewußt, was ich jetzt weiß, ich glaube, ich wäre aufgestanden und hätte ihn eigenhändig umgebracht.« Fi-delma spürte die Leidenschaft in seinem Ton. Er zögerte und wurde ruhiger. »Verurteilt ihr mich wegen solcher Gedanken? Ein Glaubensbruder sollte solche natürlichen Gefühle wie Haß und Zorn nicht äußern? Aber Daig war so ein sanftes Wesen. Er war zu keiner Gewalt fähig, und doch hat ihn diese Bestie erschlagen. Für die Seele dieses Mörders bete ich nicht, Schwester Fidelma.«
Ein kurzes Schweigen trat ein.
»Das verlange ich auch nicht von dir«, antwortete Fidelma ernst. »Worum ich dich bitte, ist nur, dir diese Augenblicke noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, Bruder Madagan. Erinnerst du dich, wie du auf dein Zimmer gebracht wurdest?«
Bruder Madagan rieb sich das Kinn.
»Schwach. Der Apotheker kam und untersuchte uns alle, glaube ich. Er beugte sich über mich. Ich war immer noch nicht ganz bei mir. Er sah, daß ich einen Schlag auf den Kopf bekommen hatte, aber keine offene Wunde hatte, und gab zwei jungen Brüdern den Auftrag, mir auf mein Zimmer zu helfen und meinen Kopf zu waschen und zu verbinden.«
»Der Apotheker?« Eadulf beugte sich interessiert vor.
»Bruder Bardan. Einen anderen Apotheker haben wir hier nicht.«
»Was geschah dann?«
»Ich wurde in meine Zelle getragen, wie er angeordnet hatte.«
»Hatte er die anderen vor dir untersucht? Oder fing er mit dir an?« fragte Fidelma.
»Soweit ich mich erinnere - ich war ja nur halb bei Bewußtsein -, untersuchte er zuerst Bruder Daig. Er war tief erschüttert, als er feststellte, daß der junge Mann tot war. Sie standen sich sehr nahe. Erst als Bruder Tomar darauf beharrte, er müsse sich um die Lebenden kümmern, kam er zu mir. Während er mich untersuchte, trugen zwei Brüder die Leiche Creds fort und zwei andere die Bruder Daigs.« Er lächelte freudlos. »Das letzte, an was ich mich erinnere, war das Ge-jammere des Kaufmanns, der sich mit Bruder Bardan zankte.«
»Des Kaufmanns? Meinst du Samradan?« fragte Fidelma schnell. »War er zu der Zeit im Hof? Er hatte sich doch mit den Frauen der Abtei in den Kapellengewölben versteckt?«
»Nein. Ich bin sicher, daß er im Hof war und sich mit Bruder Bardan stritt. Er verlangte etwas. Schutz, glaube ich. Mir fällt ein, daß Bruder Bardan ihn anschrie, er solle selbst für sich sorgen, denn hier lägen Tote und Sterbende herum. Ich fürchte, der Kaufmann ist ein eigensüchtiger Mensch.«
»Er solle für sich selbst sorgen, denn es lägen Tote und Sterbende dort? Waren das Bardans Worte?«
»Ja. Genau das sagte er, Fidelma.«
»Du wurdest also als letzter vom Hof weggebracht?«
»Mit Ausnahme des Räubers«, ergänzte Bruder Madagan.
»Nun, es freut uns, daß es dir wieder besser geht, Bruder Madagan.« Fidelma erhob sich, und Bruder Madagan folgte zögernd ihrem Beispiel.
»Schwester Scothnat meint, der Überfall wurde von den Ui Fidgente verübt. Stimmt das?«
»Das wissen wir noch nicht«, stellte Fidelma richtig. »Bisher ist es nur ein Verdacht, der ihnen das anlastet.«
Bruder Madagan seufzte.
»Wir müssen unseren Feinden mißtrauen. Das ist unser einziger Schutz gegen Betrug und Verrat.«
»Mißtrauen erweckt neues Mißtrauen, Bruder Ma-dagan«, erwiderte Fidelma. »Wenn du dem Mißtrauen Einlaß in dein Herz gewährst, läßt du alles Vertrauen daraus entweichen.«
»Vielleicht hast du recht«, sagte Bruder Madagan. »Wir dürfen zwar unser Vertrauen auf Gott setzen, doch wir sollten dafür sorgen, daß unser Pferd nachts gut angebunden ist. Ich frage nur deshalb, weil hier ein Ui Fidgente angekommen ist. Er gefällt mir nicht. Er sagt, er sei ein dalaigh.«
»Ich weiß. Er ist wirklich einer, Bruder Madagan. Er heißt Solam und reist nach Cashel, um seinen Fürsten dort vor den Brehons zu vertreten. Ich soll dort gegen ihn plädieren.«
»Tatsächlich?« Bruder Madagan schien noch etwas sagen zu wollen, doch dann lächelte er und verließ sie beinahe abrupt.
Eadulf sah Fidelma an.
»Bruder Bardan und Samradan waren also beide im Hof. Ich würde auf Bruder Bardan wetten; ich denke, er hat den Krieger erstochen, um den Tod seines Freundes Bruder Daig zu rächen.«
Fidelma überdachte das einen Moment.
»Vielleicht. Doch ich habe meine Zweifel daran. Es könnte gut sein, daß der Krieger ermordet wurde, damit er nicht enthüllen konnte, wer ihn und seine Kameraden geschickt hat. Du vergißt auch, daß der Inhalt seiner Satteltaschen verschwunden ist. Weshalb sollte Bruder Bardan sie leeren, wenn er den Krieger nur aus Rache getötet hat?«
Eadulf stöhnte. Das hatte er wirklich beinahe vergessen.
»Dann müssen wir Bruder Bardan finden«, sagte er. »Ich habe ihn weder beim Gottesdienst noch beim Essen gesehen.«
Zu seiner Überraschung antwortete Fidelma: »Im Augenblick müssen wir ihn nicht befragen. Wir wissen, wo er war, als der Krieger erstochen wurde. Wir wissen, daß er Zeit und Gelegenheit hatte, es zu tun. Aber mir ist nicht klar, wie das zu allem anderen paßt, was hier geschehen ist. Bist du sicher, daß Bruder Bardan nicht zum Essen erschienen ist?«
»Ich habe ihn jedenfalls nicht gesehen.«
»Wir werden ihn im Auge behalten, ohne ihn zu beunruhigen.«
»Es hat offenbar noch niemand die Überreste von Samradans Kutscher gefunden«, stellte Eadulf mit unwillkürlichem Schaudern fest.
»Manchmal werden die Opfer von Wölfen niemals entdeckt. Ich werde ein Gebet für die Ruhe der Seele des armen Mannes sprechen«, erwiderte Fidelma.
Sie betraten den Kreuzgang und wollten den Hof überqueren, um zum Gästehaus zu gehen, als Eadulf plötzlich Fidelma in den Schatten zog.
Sie wollte schon protestieren, doch Eadulf legte den Finger auf den Mund. Mit dem Kopf wies er auf den Kreuzgang auf der anderen Seite des Hofes.
Sie schaute hinüber.
Dort stand die kleine, blasse Gestalt Solams, des dalaigh der Ui Fidgente. Er sprach aufgeregt und fuchtelte mit den Armen. Sie konnte nicht erkennen, mit wem er redete, denn die andere Gestalt stand hinter einem Pfeiler. Daß es ein Mönch war, erkannte man an dem Stück Kutte, das gerade noch zu sehen war.
»Unser Freund, der Anwalt, scheint ziemlich aufgeregt«, murmelte Eadulf.
»Warum wohl?« überlegte Fidelma. »Können wir ungesehen näher kommen?«
»Ich glaube nicht.«
»Versuchen wir es trotzdem.«
Langsam und so leise wie möglich gingen sie den Kreuzgang an einer Seite des Hofes entlang und bogen dann in den anderen ein. Sie hörten Solams etwas erhobene Stimme, konnten aber nichts verstehen.
Dann brach er plötzlich ab.
»Ich glaube, man hat uns gesehen«, murmelte Ea-dulf.
»Geh weiter, als bemerkten wir sie nicht«, sagte Fi-delma leise. Sie schritt etwas schneller aus.
Als sie an die Ecke kamen und den anderen Gang überblicken konnten, waren die beiden Gestalten verschwunden. Solam war offensichtlich durch eine der nahen Türen ins Gästehaus gegangen. Von der anderen, davoneilenden Gestalt hörten sie noch das Klatschen der Ledersandalen auf den Steinen. Eadulf rannte los und spähte durch die steinernen Bögen über den Hof. Auf der gegenüberliegenden Seite knallte eine Tür zu.
In diesem Moment trat Abt Segdae aus einer anderen Seitentür. Er blieb stehen, als er Eadulf erblickte, der nach seinem Lauf noch etwas nach Luft rang.
»Ich hörte eine Tür zuschlagen«, bemerkte der Abt mißbilligend.
Eadulfs Miene blieb unschuldig. »Ja. Ich glaube, ein Bruder hat den Hof eilig auf der anderen Seite verlassen.«
»Schande über ihn. Selbst in Eile hat ein Mitglied der Abtei nicht eine Tür zuzuschlagen und Gottes Frieden an dieser heiligen Stätte zu stören.«
Fidelma war herangekommen und hatte die Worte des Abts gehört.
»Manchmal vergißt man die Schicklichkeit im Bestreben, seine Aufgabe gut zu erfüllen, Segdae«, meinte sie.
»Wenn ich den Schuldigen entdecke, erhält er eine Buße, die ihm eine Lehre sein wird«, brummte der Abt zornig und schritt davon.
»War es nicht Bruder Daig, der sagte, er sei nachts durch das Zuschlagen einer Tür geweckt worden?« fragte Fidelma. »Ich dachte, es sei unüblich für einen Mönch, mit der Tür zu knallen. Vielleicht war es in beiden Fällen derselbe? Schade, daß wir nicht wissen, wer mit Solam gesprochen hat.«
Eadulf lächelte selbstzufrieden.
»Wir wissen es doch.«
Fidelma sah ihn überrascht an.
»Hast du ihn erkannt? Dann sag’s mir!« rief sie ungeduldig.
»Der Mann drehte sich in der Tür halb um, als er sie schloß. In dem Moment stand er im vollen Licht. Es war Bruder Bardan.«