172585.fb2 Der Zorn der G?tter - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 15

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Tanner Kingsley las die Schlagzeile der Nachmittagszeitung: »Schwere Hagelschauer im Iran«. In dem Artikel war von einem »ungewöhnlichen Naturereignis« die Rede. Allein schon die Vorstellung, dass in einem heißen Land mitten im Sommer ein Hagelschauer niederging, war aberwitzig. Tanner rief seine Sekretärin zu sich. »Kathy«, sagte er, »schicken Sie eine Kopie dieses Artikels an Senatorin van Luven. Legen Sie eine Notiz bei: >Neuigkeiten zur globalen Erwärmung. Mit freundlichen Grüßen< ...«

»Wird sofort erledigt, Mr. Kingsley.«

Tanner Kingsley warf einen Blick auf seine Uhr. Die beiden Detectives sollten in einer halben Stunde eintreffen. Er sah sich in seinem eleganten Büro um. Er hatte all das hier aufgebaut. KIG. Er dachte an die Macht, die hinter diesen drei Buchstaben steckte. Die Leute würden sich wundern, wenn sie wüssten, wie bescheiden die KIG einst angefangen hatte. Erst sieben Jahre war das her. Seine Gedanken schweiften in die Vergangenheit.

Er konnte sich noch genau an den Tag erinnern, als er das neue Firmenlogo für KIG entworfen hatte. Ziemlich protzig für eine kleine Klitsche, hatte jemand gesagt, aber Tanner hatte diese kleine Klitsche eigenhändig zu einem Unternehmen von Weltrang aufgebaut. Wenn Tanner an die Anfänge dachte, schien es ihm, als habe er ein Wunder vollbracht.

Tanner Kingsley war fünf Jahre nach seinem Bruder Andrew zur Welt gekommen, und das hatte seinen ganzen Werdegang geprägt. Ihre Eltern waren geschieden, die Mutter hatte wieder geheiratet und war weggezogen. Ihr Vater war Wissenschaftler, und die beiden Söhne waren in seine Fußstapfen getreten und hatten sich zu wahren Wunderkindern gemausert. Mit vierzig Jahren starb der Vater an einem Herzanfall.

Dass er fünf Jahre jünger war als sein Bruder, blieb für Tanner ein stetes Ärgernis. Als er beim Studium der Naturwissenschaften als Bester seines Semesters abschloss, erklärte man ihm: »Andrew war vor fünf Jahren ebenfalls die Nummer eins. Das muss in der Familie liegen.«

Als Tanner einen Rhetorikwettbewerb gewann, sagte der Professor. »Herzlichen Glückwunsch, Tanner. Sie sind schon der zweite Kingsley, der diesen Preis erhält.«

Nicht anders erging es ihm, als er der Tennismannschaft beitrat. »Hoffentlich bist du genauso gut wie dein Bruder Andrew«, meinte der Trainer.

Als Tanner sein Diplom erhielt, hieß es: »Ihre Rede auf der Abschlussfeier war mitreißend. Sie hat mich sehr an die Andrews erinnert.«

Er war im Schatten seines Bruders aufgewachsen, und es wurmte ihn, dass er immer nur als der Zweitbeste galt, weil Andrew ihm stets zuvorgekommen war.

Die beiden Brüder hatten manche Gemeinsamkeit - beide sahen gut aus, waren intelligent und hoch begabt, aber als sie älter wurden, traten auch deutliche Unterschiede zutage. Während Andrew selbstlos und zurückhaltend war, war Tanner extrovertiert, gesellig und ehrgeizig. Andrew zeigte sich im Beisein von Frauen eher schüchtern, Tanner hingegen zog sie aufgrund seines Aussehens und seines Charmes geradezu magnetisch an.

Doch der größte Unterschied zwischen den beiden Brüdern war ihr Lebensziel. Andrew legte großen Wert darauf, zum Wohle der Menschheit zu wirken und anderen beizustehen, während Tanner reich und mächtig werden wollte.

Andrew schloss sein Studium mit summa cum laude ab und griff sofort zu, als man ihm die Mitarbeit in einer großen Denkfabrik anbot. Dort lernte er, welch wichtigen Beitrag ein derartiges Unternehmen zum Wohle der Menschheit leisten konnte, und fünf Jahre später beschloss er, eine eigene Denkfabrik zu gründen, wenn auch in einer weitaus bescheideneren Größenordnung.

Als Andrew Tanner von seiner Idee berichtete, war dieser sofort Feuer und Flamme. »Das ist ja großartig! Denkfabriken werden von der Regierung mit Aufträgen in Millionenhöhe bedacht, ganz zu schweigen von den Unternehmen, die .«

»Das entspricht nicht ganz meinen Vorstellungen«, unterbrach ihn Andrew. »Ich will den Menschen damit helfen.«

Tanner starrte ihn an. »Den Menschen helfen?«

»Ja. Dutzende von Ländern in der Dritten Welt haben keinerlei Zugang zu modernen landwirtschaftlichen und industriellen Produktionsmethoden. Wenn man einem Mann einen Fisch gibt, so heißt es, kann er sich eine Mahlzeit zubereiten. Bringt man ihm aber bei, wie man Fische fängt, kann er sich sein Leben lang ernähren.«

Mit diesem Kleinkram kommt man doch zu nichts, dachte Tanner. »Andrew, diese Länder können es sich gar nicht leisten, uns .«

»Das spielt doch keine Rolle. Wir schicken Fachleute in die Dritte Welt, die den Menschen dort moderne Technologien bringen, die ihr Leben verändern werden. Ich mache dich zu meinem Kompagnon. Wir nennen unsere Denkfabrik die Kingsley Group. Was hältst du davon?«

Tanner dachte einen Moment lang nach. Dann nickte er.

»Genau genommen ist das gar keine schlechte Idee. Wir fangen mit den Ländern an, die du angesprochen hast, und danach sehen wir zu, dass wir ans große Geld kommen - an die Regierungsaufträge und .«

»Wir sollten zunächst dafür sorgen, dass die Welt lebenswerter wird, Tanner.«

Tanner lächelte. Die Sache lief auf einen Kompromiss hinaus. Sie würden so anfangen, wie Andrew es vorgeschlagen hatte, und die Firma dann allmählich ausbauen, bis sie ihre wahren Möglichkeiten ausschöpfen konnten.

»Nun?«

Tanner streckte ihm die Hand entgegen. »Auf unsere Zukunft.«

Sechs Monate später standen die Brüder im strömenden Regen vor einem kleinen Ziegelgebäude, an dem ein unscheinbares Schild mit der Aufschrift KINGSLEY GROUP prangte.

»Na? Wie sieht das aus?«, fragte Andrew sichtlich stolz.

»Herrlich«, erwiderte Tanner, der sich nur mühsam einen spöttischen Unterton verkneifen konnte.

»Dieses Schild wird vielen Menschen auf der Welt Glück und Segen bringen, Tanner. Ich habe bereits damit angefangen, ein paar Fachleute anzuwerben, die wir in die Dritte Welt schicken können.«

Tanner setzte bereits zu einem Einspruch an, hielt sich dann aber zurück. Er durfte seinen Bruder nicht zu sehr bedrängen. Der hätte sich sonst stur stellen können. Irgendwann würde der richtige Zeitpunkt kommen. Ganz bestimmt. Tanner blickte zu dem kleinen Schild auf und dachte: Eines Tages wird dort KIG stehen, Kingsley International Group.

John Higholt, ein Kommilitone von Andrew, hatte hunderttausend Dollar für die Gründung der Denkfabrik zur Verfügung gestellt. Das übrige Geld hatte Andrew beschafft. Er stellte eine Hand voll Leute ein, die nach Mosambik, Somalia und in den Sudan geschickt wurden, wo sie die Lebensbedingungen der Einheimischen verbessern sollten. Aber die Firma verdiente damit kein Geld.

Tanner konnte es nicht begreifen. »Andrew, wir könnten Aufträge von den großen Unternehmen bekommen und ...«

»Das ist aber nicht unser Ziel, Tanner.«

Was zum Teufel ist denn unser Ziel?, fragte sich Tanner.

»Die Chrysler Corporation sucht .«

Aber Andrew lächelte nur und erwiderte: »Kümmern wir uns lieber um unsere eigentliche Aufgabe.«

Tanner musste seine ganze Willenskraft aufbieten, um sich zu beherrschen.

Sowohl Andrew als auch Tanner hatten ihr eigenes Labor in der Firma. Jeder war mit seinen eigenen Projekten befasst. Andrew arbeitete häufig bis spät in die Nacht.

Als Tanner eines Morgens in die Firma kam, war Andrew immer noch da. Er sprang auf, als er Tanner eintreten sah.

»Ich bin völlig begeistert von diesem neuen Experiment in Sachen Nanotechnologie. Ich habe eine Methode entdeckt, wie man .«

Tanner war in Gedanken mit etwas weitaus Wichtigerem beschäftigt - mit der scharfen kleinen Rothaarigen, die er am Abend zuvor kennen gelernt hatte. Sie hatte sich an der Bar zu ihm gesellt, etwas mit ihm getrunken, ihn dann in ihre Wohnung mitgenommen und ihm ein paar herrliche Stunden bereitet. Als sie seinen .

». und meiner Meinung nach dürfte das den Ausschlag geben. Wie findest du das, Tanner?«

Tanner hatte kaum zugehört. »Oh ja, Andrew. Ganz großartig.«

Andrew lächelte. »Ich wusste doch, dass du die Möglichkeiten erkennen würdest, die sich daraus ergeben.«

Tanner interessierte sich weit mehr für sein eigenes geheimes Experiment. Wenn meines klappt, dachte er, dann gehört mir die Welt.

Eines Abends, kurz nach der Gründung des Unternehmens, war Tanner der Einladung zu einer Cocktailparty gefolgt, bei der ihn eine Frau mit angenehm klingender Stimme von hinten ansprach: »Ich habe allerhand über Sie gehört, Mr. Kingsley.«

Tanner wandte sich erwartungsvoll um und versuchte sogleich mühsam, seine Enttäuschung zu verbergen. Die junge Frau, die ihn angesprochen hatte, wirkte eher unscheinbar. Wenn die lebhaften braunen Augen und das strahlende, leicht spöttische Lächeln nicht gewesen wären, hätte sie das reinste Mauerblümchen sein müssen. Auf die äußerliche Schönheit einer Frau aber legte Tanner großen Wert, und die hier hatte diesbezüglich nichts zu bieten.

»Hoffentlich nicht Schlechtes«, erwiderte er und überlegte bereits, wie er sie abwimmeln könnte.

»Ich heiße Pauline Cooper. Meine Freunde nennen mich Paula. Sie sind auf dem College mal mit meiner Schwester Ginny gegangen. Sie war ziemlich sauer auf Sie.«

Ginny, Ginny . Klein? Groß? Dunkelhaarig? Blond? Tanner stand lächelnd da und versuchte sich zu erinnern. Es waren so viele gewesen.

»Ginny wollte Sie heiraten.«

Das half ihm auch nicht auf die Sprünge. Etliche andere hatten das auch vorgehabt. »Ihre Schwester war sehr nett. Wir sind nur nicht .«

Sie warf Tanner einen spöttischen Blick zu. »Sparen Sie sich das. Sie können sich nicht mal an sie erinnern.«

Er war peinlich berührt. »Nun ja, ich .«

»Ist schon gut. Ich war vor kurzem bei ihrer Hochzeit.«

Tanner war erleichtert. »Ach. Ginny ist also verheiratet.«

»ja, genau.« Sie schwieg einen Moment. »Aber ich nicht. Hätten Sie Lust, morgen Abend mit mir essen zu gehen?«

Tanner betrachtete sie genauer. Obwohl sie nicht ganz seinen Vorstellungen entsprach, hatte sie allem Anschein nach einen hübschen Körper und wirkte auch ansonsten einigermaßen nett. Und sie war mit Sicherheit eine leichte Beute. In Bezug auf seine Freundinnen griff Tanner immer auf Begriffe aus dem Baseball zurück. Er würde bei dieser Frau einen Wurf ausprobieren. Das war alles. Wenn sie keinen Homerun erzielte, war sie draußen.

Sie betrachtete ihn. »Ich bezahle.«

Tanner lachte. »Das übernehme ich - wenn Sie nicht zu unersättlich sind.«

»Stellen Sie mich auf die Probe.«

Er sah ihr in die Augen und sagte: »Das werde ich.«

Am darauf folgenden Abend speisten sie in einem schicken Restaurant in Uptown. Paula trug eine weiße, tief ausgeschnittene Seidenbluse, einen schwarzen Rock und Schuhe mit hohen Absätzen. Als Tanner sie in das Restaurant stolzieren sah, hatte er den Eindruck, dass sie weitaus besser aussah, als er sie in Erinnerung hatte. Ihre ganze Haltung wirkte wie die einer Prinzessin aus einem exotischen Land.

Tanner stand auf. »Guten Abend.«

Sie ergriff seine Hand. »Guten Abend.« Sie strahlte eine Selbstsicherheit aus, die geradezu erhaben wirkte.

Als sie Platz genommen hatten, sagte sie: »Fangen wir noch mal von vorne an, ja? Ich habe keine Schwester.«

Tanner blickte sie entgeistert an. »Aber Sie haben doch gesagt ...?«

Sie lächelte. »Ich wollte nur sehen, wie Sie reagieren, Tanner.

Ich habe von ein paar Freundinnen allerhand Interessantes über Sie gehört.«

Redete sie etwa über Sex? Er fragte sich, mit wem sie gesprochen hatte. Es hätten so viele sein können ...

»Nur keine voreiligen Schlüsse. Ich spreche nicht von Ihren Qualitäten als Mann. Ich spreche von Ihren Fähigkeiten auf geistigem Gebiet.«

Es war, als ob sie seine Gedanken lesen könnte. »Sie ... äh ... interessieren sich also für geistige Fähigkeiten?«

»Unter anderem«, erwiderte sie kokett.

Das wird ein leichter Homerun. Tanner streckte den Arm aus und ergriff ihre Hand. »Sie sind wirklich etwas Besonderes.« Er streichelte ihren Arm. »Etwas ganz Besonderes. Wir beide werden uns heute Nacht prächtig amüsieren.«

Sie lächelte. »Sind Sie etwa spitz, mein Lieber?«

Tanner war einen Moment lang über ihre unverblümte Art verblüfft. Sie war wirklich ein scharfes kleines Ding. Er nickte. »Immer, Prinzessin.«

Sie lächelte. »Gut. Holen Sie Ihr kleines schwarzes Buch raus, dann wollen wir doch mal sehen, ob wir jemanden finden, der heute Nacht für Sie zur Verfügung steht.«

Tanner erstarrte. Er war es gewöhnt, seine Späße über Frauen zu machen, aber bislang hatte sich noch keine über ihn lustig gemacht. Er starrte sie an. »Was soll das heißen?«

»Dass wir an Ihren Sprüchen ein bisschen feilen müssen, mein Lieber. Sind Sie sich darüber im Klaren, wie abgedroschen die sind?«

Tanner spürte, dass er rot anlief. »Wie kommen Sie darauf, dass ich Sprüche mache?«

Sie schaute ihm in die Augen. »Die wurden wahrscheinlich schon in grauer Vorzeit erfunden. Wenn Sie mit mir reden, möchte ich, dass Sie Sachen sagen, die Sie noch nie zu einer Frau gesagt haben.«

Tanner schaute sie an und versuchte, sich seine Wut nicht anmerken zu lassen.

Was glaubt die eigentlich, mit wem sie es zu tun hat - mit einem Oberschüler?

Verdammt noch mal, sie war einfach unverschämt. Erster Wurf. Die Braut ist draußen.