172326.fb2 Das Foucaultsche Pendel - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 5

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4. Chessed

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Die Analogie der Gegensätze ist das Verhältnis von Licht und Schatten, Gipfel und Abgrund, Fülle und Leere. Die Allegorie, Mutter aller Dogmen, ist die Substitution des Stempels durch den Abdruck, der Wirklichkeit durch die Schatten, sie ist die Lüge der Wahrheit und die Wahrheit der Lüge.

Eliphas Lévi, Dogme de la haute magie, Paris, Baillère, 1856, XXII, 22

  Ich war aus Liebe zu Amparo nach Brasilien gekommen und war aus Liebe zum Land dort geblieben. Ich habe nie begriffen, wieso diese Nachfahrin holländischer Einwanderer, die sich in Recife angesiedelt und dort mit Indios und Schwarzen aus dem Sudan vermischt hatten, wieso diese stolze junge Frau mit dem Gesicht einer Jamaikanerin und der Kultur einer Pariserin einen spanischen Namen hatte, noch dazu einen, der in nichtspanischen Ohren männlich klang. Ich habe nie die Ratio der brasilianischen Namen verstanden. Sie sprechen allen Namenslexika hohn, und sie existieren nur dort.

Amparo sagte mir, dass in ihrer Hemisphäre, wenn man das Wasser im Waschbecken ablaufen lasse, der kleine Strudel am Ende, wenn der letzte Rest weggurgelt, von rechts nach links gehe, während es bei uns andersherum sei — oder umgekehrt. Ich habe nicht nachprüfen können, ob das stimmt. Nicht nur weil in unserer Hemisphäre niemand nachgeschaut hat, wie herum das Wasser weggurgelt, sondern auch weil ich nach diversen Experimenten in Brasilien feststellen musste, dass die Sache sehr schwer zu begreifen ist. Der Strudel vergurgelt zu schnell, als dass man ihm folgen kann, und vermutlich ist seine Richtung abhängig von der Stärke und Neigung des Strahls, aber auch von der Form des Beckens oder der Wanne. Und schließlich, wenn Amparo recht hätte, wie müsste es dann am Äquator sein? Läuft das Wasser dort senkrecht ab, ohne Strudel, oder läuft es am Ende gar nicht ab?

Damals sah ich das Problem nicht allzu dramatisch, aber vorgestern Abend im Periskop dachte ich, dass letztlich alles von den tellurischen Strömen abhängt und dass ihr Geheimnis im Pendel verborgen ist.

Amparo war fest in ihrem Glauben. »Was empirisch zu sehen ist, spielt keine Rolle«, sagte sie, »es handelt sich um ein Idealprinzip, das nur unter Idealbedingungen verifiziert werden kann, also nie. Aber es ist wahr.«

In Mailand war sie mir begehrenswert erschienen wegen ihrer nüchternen, coolen Art. Dort unten, im Kontakt mit den Säuren ihres heimischen Bodens, wurde sie schwerer definierbar, luzide visionär und fähig zu unterirdischer Rationalität. Ich fühlte, wie sich archaische Leidenschaften in ihr regten, die sie wachsam zu zügeln suchte, pathetisch in ihrem Asketentum, das ihr gebot, der Verführung zu widerstehen.

Am besten ermaß ich ihre herrlichen Widersprüche, wenn ich sie beim Diskutieren mit ihren Genossen sah. Es waren Versammlungen in verwahrlosten Wohnungen, dekoriert mit wenigen Postern und vielen folkloristischen Gegenständen, Porträts von Lenin und Tonfiguren aus dem Sertão, die den Cangaceiro feierten, oder indianische Fetische. Ich war in einem politisch nicht sehr klaren Moment gekommen und hatte nach der Erfahrung zu Hause beschlossen, mich von den Ideologien fernzuhalten, zumal dort unten, wo ich sie nicht kapierte. Die Reden von Amparos Genossen vergrößerten meine Unsicherheit, aber sie weckten auch meine Neugier. Natürlich waren alle Marxisten, und auf den ersten Blick redeten sie fast wie europäische Marxisten, aber sie sprachen von etwas anderem, und plötzlich, während einer Diskussion über den Klassenkampf, konnten sie vom »brasilianischen Kannibalismus« sprechen oder von der revolutionären Rolle der afro-brasilianischen Kulte.

Es waren genau diese Reden, die mich zu der Überzeugung brachten, dass dort unten auch der ideologische Strudel andersherum läuft. Sie zeichneten mir ein Panorama innerer Pendel-Migrationen, mit den Entrechteten und Verhungernden aus dem Norden, die in den industrialisierten Süden zogen, sich in riesigen Metropolen subproletarisierten, erstickt von Smogwolken, bis sie nach einer Weile verzweifelt in den Norden zurückgingen, um ein Jahr später erneut in den Süden zu fliehen; doch viele strandeten bei diesem Hin und Her in den großen Städten, wurden aufgesogen von einer Plejade autochthoner Kirchen, gaben sich dem Spiritismus hin, der Beschwörung afrikanischer Gottheiten ... Und hier waren Amparos Genossen geteilter Meinung, für einige bewies sich darin eine Rückkehr zu den Wurzeln, ein Widerstand gegen die Welt der Weißen, für andere waren diese Kulte die Droge, mit welcher die herrschende Klasse ein immenses revolutionäres Potenzial niederhielt, wieder andere sahen darin den Schmelztiegel, in dem sich Weiße, Indios und Schwarze zu einer neuen Kraft mit noch vagen Perspektiven und ungewissem Schicksal vermischten. Amparo war entschieden, für sie waren die Religionen immer und überall das Opium der Völker gewesen, um so mehr also waren es diese pseudo-tribalistischen Kulte. Dann fasste ich sie um die Taille in den Escolas de Samba, wenn auch ich an den Tänzerschlangen teilnahm, die sich in langen Serpentinen wanden, begleitet vom unerträglichen Rhythmus der Trommeln, und ich spürte, dass sie an jener Welt mit den Unterleibsmuskeln hing, mit dem Herzen, dem Kopf, den Nasenflügeln ... Und dann wieder gingen wir heim, und sie war die Erste, die mir sarkastisch und böse die tiefe, orgiastische Religiosität jener langsamen, Woche für Woche, Monat für Monat gesteigerten Hingabe an den Karnevalsritus sezierte. Genauso tribalistisch und abergläubisch, sagte sie mit revolutionärem Hass, wie jene Fußballrituale, bei denen die Erniedrigten und Beleidigten ihre kämpferische Energie und ihren Sinn für Revolte verausgaben, um Zaubereien und Hexenkünste zu betreiben und durch Beschwörung der Götter aller möglichen Welten den Tod des gegnerischen Mittelverteidigers zu erreichen, uneingedenk der Herrschaft des Kapitals, das sie verzückt und schwärmerisch haben will, auf ewig dem Irrealen Verfallen.

Allmählich verlor ich den Sinn für die Differenz. So wie ich mir langsam abgewöhnte, nach den Rassenunterschieden zu suchen in jenem Universum von Gesichtern, die jahrhundertelange Geschichten von unkontrollierten Kreuzungen erzählten. Ich verzichtete darauf, jeweils genau zu bestimmen, wo der Fortschritt war, wo die Revolte und wo das Komplott — wie Amparos Genossen sich ausdrückten — des Kapitals. Wie konnte ich noch europäisch denken, als ich erfuhr, dass die Hoffnungen der extremen Linken an einem Bischof im Nordosten hingen, der im Verdacht stand, als junger Mann mit den Nazis sympathisiert zu haben, und der jetzt mit unverzagtem Glauben die Fackel der Rebellion hochhielt, zum Entsetzen des Vatikans sowie der Haie von Wall Street, aber zum Frohlocken der mystischen Proletarier, deren Atheismus besiegt worden war vom lieblich-bedrohlichen Bildnis einer Gnädigen Herrin, die schmerzensreich ihr Antlitz über die Not ihres Volkes neigte?

Eines Morgens, als ich mit Amparo aus einem Seminar über die Klassenstruktur des Lumpenproletariats kam, fuhren wir eine Küstenstraße entlang. Am Strand sah ich Votivgaben aufgereiht, bunte Kerzen und weiße Körbe. Amparo sagte mir, das seien Gaben für Yemanjá, die Göttin der Gewässer. Sie stieg aus dem Wagen, trat andächtig an die Wasserkante und blieb ein Weilchen schweigend dort stehen. Ich fragte sie, ob sie an Yemanjá glaube. Sie fragte wütend zurück, wie ich das denken könne. Dann fügte sie hinzu: »Meine Großmutter brachte mich hierher an den Strand und rief die Göttin an, damit ich schön und gut und glücklich gedeihe. Wer war doch gleich euer Philosoph, der von schwarzen Katzen und Korallenamuletten sprach und gesagt hat: ›Es ist nicht wahr, aber ich glaube daran‹? Gut, ich sage eben: Ich glaube nicht daran, aber es ist wahr.«

An jenem Tag beschloss ich, für eine Reise nach Bahia zu sparen.

Aber damals war es auch, heute weiß ich es, dass ich anfing, mich vom Gefühl der allgemeinen Ähnlichkeit einlullen zu lassen: Alles hing irgendwie mit allem zusammen, alles konnte mysteriöse Analogien mit allem haben.

Als ich nach Europa zurückkehrte, verwandelte ich diese Metaphysik in eine Mechanik — und deshalb bin ich in die Falle gegangen, in der ich nun sitze. Aber damals bewegte ich mich in einem Dämmerlicht, in dem die Unterschiede verschwammen. Rassistisch dachte ich, dass die Glaubensvorstellungen anderer für den starken Mann Gelegenheiten zu frivoler Ausschweifung seien.

Ich erlernte Rhythmen und Bewegungsweisen, um Geist und Körper gehen zu lassen. Ich sagte es mir vorgestern Abend im Periskop, als ich, um gegen das Kribbeln in meinen Gliedern anzukämpfen, die Beine bewegte, als schlüge ich noch das Agogõ. Siehst du, sagte ich mir, um dich der Macht des Unbekannten zu entziehen, um dir selbst zu beweisen, dass du nicht an diese Dinge glaubst, akzeptierst du ihren Zauber. Wie ein bekennender Atheist, der nachts den Teufel sieht und sich gut atheistisch sagt: Er existiert nicht, was ich da sehe, ist bloß eine Täuschung meiner erregten Sinne, vielleicht liegt es an meiner Verdauung; aber er weiß das nicht, er glaubt an seine umgekehrte Theologie. Was könnte ihm, der seiner Existenz so sicher ist, Angst einjagen? Du schlägst das Kreuz, und der andere, gläubig, verzieht sich mit Blitz und Schwefelgestank.

So erging es mir wie einem übergescheiten Ethnologen, der jahrelang den Kannibalismus studiert hat und dann, um die Dummheit der Weißen herauszufordern, überall erzählt, dass Menschenfleisch köstlich schmecke. Unverantwortliches Gerede, denn er weiß, dass er's nie wird probieren müssen. Bis schließlich jemand, begierig auf Wahrheit, es an ihm ausprobiert. Und während der Gute Stück für Stück verzehrt wird, bedauert er, dass er nun nie mehr erfahren wird, ob er recht gehabt hatte, und hofft geradezu, dass sein Fleisch gut schmeckt, um wenigstens seinen Tod zu rechtfertigen. So ähnlich erging es mir vorgestern Abend im Periskop: ich musste geradezu glauben, dass der Große Plan wahr sei, andernfalls wäre ich in den letzten zwei Jahren der omnipotente Schöpfer eines schrecklichen Albtraums gewesen. Besser, der Albtraum ist wahr, denn was wahr ist, ist wahr, und du bist nicht involviert.

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Sauvez la faible Aischa des vertiges de Nahash, sauvez la plaintive Héva des mirages de la sensibilité, et que les Khérubs me gardent.

(Rettet die schwache Aischa vor den schwindelnden Höhen von Nahash, rettet die klagende Eva vor den Wundern der Sensibilität, und mögen die Cherubim mich beschützen.)

Joséphin Péladan, Comment on devient Fée, Paris, Chamuel, 1893, p. XIII

  Während ich immer tiefer in den Dschungel der Ähnlichkeiten eindrang, bekam ich einen Brief von Belbo:

Lieber Casaubon,

ich wusste gar nicht, dass Sie in Brasilien sind, ich hatte Ihre Spur ganz verloren, ich wusste nicht einmal, dass Sie inzwischen promoviert haben (gratuliere!), aber vor zwei Tagen fand ich jemanden bei Pilade, der mir Ihre Koordinaten geben konnte. Es scheint mir angebracht, Sie über einige neue Fakten ins Bild zu setzen, betreffend die unselige Geschichte mit dem Oberst Ardenti. Mehr als zwei Jahre sind seither vergangen, und ich muss mich nochmals bei Ihnen dafür entschuldigen, dass ich Sie damals, ohne es zu wollen, in das Schlamassel mit reingezogen habe.

Ich hatte die hässliche Sache schon fast vergessen, aber vor zwei Wochen war ich zu einem Ausflug ins Montefeltro gefahren, Sie wissen schon, die Gegend hinter Rimini in den Bergen, und da bin ich ganz zufällig auch auf den Felsen von San Leo gestoßen. Waren Sie mal da? Im achtzehnten Jahrhundert gehörte die Festung noch zum Kirchenstaat, und der Papst hatte Cagliostro dort eingesperrt, in einer Zelle ohne Tür (man kam das erste und letzte Mal durch ein Loch in der Decke rein) und mit einem Fensterchen, durch das der Verurteilte nur die zwei Kirchen im Ort sehen konnte. Auf dem rohen Holzgestell, wo Cagliostro schlief und gestorben ist, lag ein Rosenstrauß, und der Führer sagte, es gebe noch viele, die zum Ort des Martyriums pilgerten. Zu den hartnäckigsten Pilgern, sagte er mir, gehörten die Mitglieder von Picatrix, einem Mailänder Mysteriosophenzirkel, der auch eine Zeitschrift namens — man beachte den Einfallsreichtum — Picatrix herausbringe.

Sie wissen, dass ich derlei Kuriositäten schätze, und so habe ich mir in Mailand gleich eine Nummer von Picatrix besorgt, aus der ich unter anderm erfuhr, dass in wenigen Tagen eine besondere Feier anstand: eine Beschwörung des Geistes von Cagliostro. Ich also nichts wie hin.

Die Wände waren verhängt mit Fahnen voll kabbalistischer Zeichen, großer Aufwand an Uhus und Käuzchen, Skarabäen und Ibissen, orientalischen Göttern unbestimmter Provenienz. Im Vordergrund eine Art Bühne, mit einem Proszenium aus flackernden Fackeln auf groben Wurzelstrünken, im Hintergrund ein Altar mit dreifüßigem Aufsatz und zwei Statuetten von Isis und Osiris. Drumherum ein Amphitheater aus Anubis-Figuren, ein Porträt von Cagliostro (von wem sonst, würden Sie meinen?), eine vergoldete Mumie in Cheops-Format, zwei fünfarmige Kandelaber, ein Gong, getragen von zwei aufgerichteten Schlangen, ein Lesepult auf einem Sockel, verkleidet mit hieroglyphenbedrucktem Baumwollstoff, zwei Kronen, zwei Dreifüße, ein kleiner Reisesarg, ein Thron, ein falscher Barocksessel, vier nicht zusammenpassende Stühle Typ Festgelage beim Sheriff von Nottingham, Kerzen, Grablichter, Leuchter, kurz: ein mächtig spirituelles Gepränge.

Es erscheinen sieben Zwergenpriester in Zwergensoutanen mit Zwergenlichtern und dann der Zeremonienmeister, der scheint's der Direktor von Picatrix ist — aber bloß Brambilla heißt, die Götter mögen's ihm verzeihen —, angetan mit rosaroten und olivbraunen Paramenten, sodann das Medium, ein blasses dünnes Mädchen, und schließlich sechs weiß gekleidete Akolythen, die aussehen wie sechs Doppelgänger von Ninetto Davoli, aber mit Stirnbinde, so einer priesterlichen infula Dei, wenn Sie sich an unsere Dichter erinnern.

Der Brambilla stülpt sich eine Tiara mit Halbmond auf den Kopf, zückt ein rituelles Schwert, zeichnet damit magische Figuren auf den Bühnenboden und ruft beschwörend ein paar Engelsnamen mit »el« am Ende — und dabei kommen mir vage die pseudosemitischen Teufeleien der Botschaft Ingolfs in den Sinn, aber nur für einen Augenblick, dann verliere ich mich in andere Gefilde. Auch weil an diesem Punkt etwas Singuläres passiert, die Bühnenmikrofone sind mit einem Receiver verbunden, der irgendwelche im Raum herumschweifende Wellen auffangen soll, aber der stirnbandbewehrte Tontechniker muss etwas falsch gemacht haben, denn erst hört man Disco-Musik, und dann ertönt plötzlich die Stimme von Radio Moskau. Der Brambilla öffnet den Sarg, entnimmt ihm ein Zauberbuch, einen Säbel und ein Räucherfässchen und schreit: O Herr, dein Reich komme! — und es scheint, als hätte er tatsächlich was erreicht, denn Radio Moskau verstummt, aber im magischsten Augenblick fängt es wieder an mit einem besoffenen Kosakenchor, so einem von der Sorte, wo sie mit dem Hintern am Boden tanzen. Brambilla ruft die Clavicula Salomonis an, verbrennt auf dem Dreifuß ein Pergament, dass es fast eine Feuersbrunst gibt, beschwört ein paar Götter des Karnaktempels, ihn auf den kubischen Stein von Hesod zu versetzen, und ruft dann beharrlich nach einem gewissen »Familiare 39«, der dem Publikum höchst familiär sein muss, denn ein Raunen geht durch den Saal. Eine Zuschauerin fällt in Trance, die Augen nach oben verdreht, sodass man nur noch das Weiße sieht, die Leute schreien: ein Arzt, ein Arzt! — und an diesem Punkt ruft der Brambilla die Macht der Drudenfüße herbei, und das Medium, das sich unterdessen auf dem falschen Barocksessel niedergelassen hat, fängt an zu seufzen und sich zu winden, und der Brambilla beugt sich über sie und befragt sie dringlich, beziehungsweise befragt den Familiare 39, der, wie mir in diesem Augenblick dämmert, niemand anders ist als Cagliostro höchstselbst in eigener Person.

Und hier beginnt der beunruhigende Teil, denn das Medium scheint wirklich Qualen zu leiden, es schwitzt, es zittert und stöhnt, es stammelt zusammenhanglose Satzfetzen, spricht von einem Tempel, einem zu öffnenden Tor, sagt, dass sich ein Kraftstrudel bilde, dass man zur Großen Pyramide hinaufsteigen müsse, der Brambilla rennt auf der Bühne umher, schlägt den Gong und ruft mit röhrender Stimme nach Isis, ich genieße das Schauspiel, da höre ich plötzlich, wie das Mädchen zwischen zwei Seufzern etwas von sechs Siegeln stammelt, von hundertzwanzig Jahren Wartezeit und von sechsunddreißig Unsichtbaren. Kein Zweifel, sie spricht von der Geheimbotschaft aus Provins. Während ich noch warte, dass sie mehr sagt, verstummt die Ärmste total erschöpft, der Brambilla streicht ihr über die Stirn, segnet die Anwesenden mit dem Räucherfässchen und erklärt die Zeremonie für beendet.

Ich war halb beeindruckt, halb bemüht zu kapieren, und so versuche ich mich dem Mädchen zu nähern, das sich inzwischen wieder erholt hat, in einen ziemlich schmuddligen Mantel geschlüpft ist und zur Hintertür hinausstrebt. Gerade will ich sie an der Schulter berühren, da fasst mich jemand am Arm. Ich drehe mich um, und es ist der Kommissar De Angelis, der mir sagt, ich solle sie laufen lassen, er wisse, wo sie zu finden sei. Er lädt mich ein, mit ihm einen Kaffee trinken zu gehen. Ich folge ihm, als ob er mich auf frischer Tat ertappt hätte, und in gewisser Hinsicht stimmte das ja auch, und im Café fragt er mich, wieso ich bei der Veranstaltung gewesen sei und was ich von dem Mädchen gewollt hätte. Ich werde sauer und antworte ihm, wir lebten ja wohl noch in einer Demokratie, ich könnte ansprechen, wen ich wollte. Er entschuldigt sich und erklärt mir: Die Ermittlungen über Ardenti seien nur langsam vorangekommen, aber sie hätten zu rekonstruieren versucht, wie er die beiden Tage in Mailand verbracht hatte, ehe er zu den Treffen mit Garamond und mit dem mysteriösen Rakosky gegangen war. Ein ganzes Jahr später sei dann durch puren Zufall herausgekommen, dass jemand den Ardenti gesehen hatte, wie er aus dem Büro von Picatrix kam, zusammen mit dem Medium. Das Mädchen interessiere ihn übrigens auch, weil es mit einem Typ zusammenlebe, der den Kollegen vom Rauschgiftdezernat nicht ganz unbekannt sei.

Ich sage ihm, dass ich durch puren Zufall da gewesen sei und dass es mich überrascht habe, von dem Mädchen einen Satz über sechs Siegel zu hören, den ich bereits von dem Oberst gehört hätte. Er weist mich darauf hin, dass es merkwürdig sei, wie gut ich mich nach zwei Jahren noch erinnern könne, was der Oberst damals gesagt habe, wo ich doch am Tag danach bloß auf ein vages Gerede über einen Schatz der Templer angespielt hätte. Ich sage ihm, der Oberst hätte eben von einem Schatz gesprochen, der von sechs Siegeln geschützt würde, aber das sei mir damals nicht weiter wichtig erschienen, da alle Schätze von sieben Siegeln und goldenen Skarabäen geschätzt würden. Woraufhin er bemerkt, dann sehe er nicht recht, wieso ich von den Worten des Mädchens so überrascht gewesen sei, wenn doch alle Schätze von goldenen Skarabäen geschützt würden. Ich fordere ihn auf, mich gefälligst nicht wie einen Verdächtigen zu behandeln, er wechselt den Ton und lacht. Sagt dann, er finde es nicht weiter seltsam, dass das Mädchen gesagt habe, was es gesagt hatte, denn irgendwie müsse ihr der Ardenti von seinen Fantasien erzählt haben, womöglich um sie als Medium für irgendwelche astralen Kontakte zu benutzen, wie man in jenen Kreisen sage. Dieses Mädchen, erklärt er mir, sei wie ein Schwamm, eine fotografische Platte, die Ärmste müsse ein Unbewusstes haben, das einem Jahrmarkt gleiche, vermutlich unterzögen die Typen von Picatrix sie das ganze Jahr lang einer Gehirnwäsche, es sei nicht unwahrscheinlich, dass ihr in Trance — denn sie falle wirklich in Trance, sie fingiere nicht bloß, und sie sei nicht ganz richtig im Kopf — Bilder gekommen seien, die sie vor langer Zeit gesehen habe.

Aber zwei Tage später erscheint De Angelis dann bei mir im Büro und sagt, wie sonderbar, einen Tag nach der Zeremonie sei er das Mädchen suchen gegangen, und da sei es nicht da gewesen. Er habe die Nachbarn gefragt, keiner habe sie gesehen, mehr oder weniger schon seit dem Nachmittag vor dem fatalen Ritus. Er habe Verdacht geschöpft, sei in ihre Wohnung eingedrungen und da sei alles drunter und drüber gewesen, Bettlaken auf dem Boden, Kopfkissen in einer Ecke, Zeitungen durcheinander, Schubladen leer. Sie selber verschwunden, samt ihrem Druden oder Liebhaber oder Mitbewohner oder wie das heiße.

Er sah mich an und sagte, wenn ich noch etwas wüsste, sei es besser, ich würde jetzt reden, denn er finde es seltsam, dass dieses Mädchen auf einmal verschwunden sei, und er könne dafür nur zwei Gründe sehen: Entweder habe jemand bemerkt, dass er, De Angelis, die Kleine ins Auge gefasst hatte, oder sie hätten beobachtet, wie ein gewisser Jacopo Belbo mit ihr zu sprechen versuchte. Und folglich müssten die Sachen, die sie in Trance gesagt hatte, doch etwas Ernsteres betreffen, und nicht einmal sie, wer immer sie sein mochten, hätten anscheinend geahnt, dass die Kleine so viel wusste. »Und nehmen Sie an, einer meiner Kollegen setzt sich in den Kopf, Sie könnten das Mädchen umgebracht haben, Herr Doktor Belbo«, fügte der Kommissar mit schönem Lächeln hinzu, »dann sehen Sie, dass es besser ist, wenn wir zusammenarbeiten.« Ich war drauf und dran, die Geduld zu verlieren, Gott weiß, dass mir das nicht oft passiert, ich fragte, wieso zum Teufel jemand, der nicht zu Hause angetroffen wird, gleich ermordet worden sein müsse, und er fragt zurück, ob ich mich an die Sache mit dem Oberst erinnerte. Ich sagte, auf jeden Fall, wenn das Mädchen umgebracht oder entführt worden sei, müsse das an dem Abend geschehen sein, als ich mit ihm, dem Kommissar, zusammen war, und er fragt mich, wieso ich da so sicher sei, schließlich seien wir gegen Mitternacht auseinandergegangen und was dann passiert sei, wisse er nicht. Ich frage ihn, ob er das im Ernst meine, und er fragt mich, ob ich noch nie einen Krimi gelesen hätte und nicht wüsste, dass die Polizei grundsätzlich jeden verdächtigen müsse, der kein glasklares Alibi habe, und er würde seinen Kopf für eine Transplantation hergeben, sogar auf der Stelle, wenn ich ein Alibi für die Zeit zwischen ein Uhr nachts und dem nächsten Morgen hätte.

Was soll ich Ihnen sagen, Casaubon, vielleicht hätte ich besser daran getan, ihm die Wahrheit zu erzählen, aber die Leute aus meiner Gegend sind Dickschädel, nichts fällt ihnen schwerer als einzulenken.

Ich schreibe Ihnen dies alles, weil, so wie ich Ihre Adresse gefunden habe, auch De Angelis sie finden könnte: Für den Fall, dass er sich mit Ihnen in Verbindung setzt, sollen Sie wenigstens wissen, welche Linie ich eingehalten habe. Aber da mir diese Linie nicht gerade sehr gerade erscheint, sagen Sie ruhig alles, wenn Sie's für richtig halten. Ich schäme mich, entschuldigen Sie, ich fühle mich als Komplize von irgendetwas und suche nach einer halbwegs noblen Rechtfertigung und kann partout keine finden. Muss an meiner bäuerlichen Herkunft liegen, bei uns auf dem Land sind wir sture Hunde.

Die ganze Geschichte ist ziemlich — wie man auf deutsch sagt — unheimlich.

Ihr Jacopo Belbo

25

... ces mystérieux Initiés devenus nombreux, hardis et conspirateurs: Jésuitisme, magnétisme, Martinisme, pierre philosophale, somnambulisme, éclectisme, tout est de leur ressort.

(... diese mysteriösen Initiierten, zahlreich geworden, kühn und konspirativ: Jesuitismus, Magnetismus, Martinismus, [Suche nach dem] Stein der Weisen, Somnambulismus, Eklektizismus, alles stammt von ihnen)

C.-L. Cadet-Gassicourt, Le tombeau de Jacques de Molay, Paris, Desenne, 1797, p. 91

  Der Brief beunruhigte mich. Nicht weil ich fürchtete, von De Angelis gesucht zu werden, schließlich war ich in einer anderen Hemisphäre, sondern aus unbestimmteren Gründen. Damals dachte ich, meine Irritation käme daher, dass mich dort unten eine Welt, die ich längst verlassen zu haben glaubte, plötzlich hinterrücks wieder ansprang. Heute begreife ich, dass das, was mich verwirrte, eine weitere Spur der Ähnlichkeit war, der Verdacht einer Analogie. In instinktiver Abwehr glaubte ich, was mich ärgerte, sei die Wiederbegegnung mit Belbo und seinem ewigen schlechten Gewissen. So beschloss ich, alles zu verdrängen, und sagte Amparo nichts von dem Brief.

Bestärkt wurde ich darin von einem zweiten Brief, den mir Belbo zwei Tage später schickte.

Die Sache mit dem verschwundenen Mädchen, schrieb er, habe sich auf vernünftige Weise geklärt. Ein Zuträger der Polizei habe erzählt, dass der Geliebte des Mädchens in eine Abrechnung unter Dealern geraten sei, wegen einer Drogenlieferung, die er auf eigene Faust verscherbelt habe, statt sie dem ehrlichen Großhändler zu übergeben, der sie bereits bezahlt habe. Dergleichen ist im Milieu sehr unbeliebt. Um seine Haut zu retten, hat sich der Knabe aus dem Staub gemacht. Und offenkundig sein Mädchen mitgenommen. Beim Durchstöbern der Sachen in seiner Wohnung fand De Angelis dann Hefte vom Typ Picatrix, mit einer Reihe von Artikeln, die rot angestrichen waren. Einer betraf den Schatz der Templer, ein anderer die Rosenkreuzer, die in einer Burg oder Höhle oder weiß der Teufel was lebten, in der geschrieben stand »post 120 annos patebo (nach 120 Jahren werde ich offenstehen)«, und die als sechsunddreißig Unsichtbare definiert wurden. Für De Angelis war damit alles klar: Das Mädchen hat diese Art Literatur verschlungen (dieselbe, an der sich auch der Oberst labte) und sie dann bröckchenweise wieder ausgespuckt, wenn sie in Trance war. Der Fall war abgeschlossen, ans Rauschgiftdezernat übergeben.

Belbos Brief troff vor Erleichterung. Die Erklärung des Kommissars schien die ökonomischste.

Vorgestern Abend im Periskop sagte ich mir, dass die Dinge in Wahrheit ganz anders gelaufen sein mussten: Das Medium hatte zwar wirklich etwas gesagt, was es von Ardenti gehört haben musste, aber was nie in den Heften gestanden hatte und niemand wissen durfte. Im Milieu von Picatrix musste jemand gewesen sein, der den Oberst hatte verschwinden lassen, um ihn zum Schweigen zu bringen, und dieser jemand hatte bemerkt, dass Belbo das Mädchen befragen wollte, und hatte es ebenfalls eliminiert. Danach, um die Ermittler irrezuführen, hatte er auch den Geliebten des Mädchens eliminiert und einen Zuträger der Polizei bewogen, die Geschichte mit der Flucht zu erzählen.

So einfach alles, wenn es einen Plan gegeben hätte. Aber gab es denn einen, wo wir ihn doch erst erfinden sollten, und zwar erst viel später? Ist es möglich, dass die Realität nicht nur die Fiktion überholt, sondern ihr vorauseilt, ja vorauseilend ihr zuvorkommt, um die Schäden zu reparieren, die die Fiktion erst anrichten wird?

Damals jedoch, in Brasilien, waren nicht dies die Gedanken, die der Brief in mir anregte. Eher hatte ich erneut das Gefühl, dass etwas an etwas anderes erinnerte. Ich dachte an meine Reise nach Bahia und verbrachte einen ganzen Nachmittag in Buch- und Devotionalienläden, die ich bisher vernachlässigt hatte. Ich fand versteckte, fast geheime Boutiquen mit Regalen voller Kultgegenstände, Statuen und Idole. Ich erstand Perfumadores de Yemanjá, Duftkegel mit einem beißenden Geruch, Räucherstäbchen, Spraydosen mit einem süßlichen Spray, benannt nach dem Heiligen Herzen Jesu, Amulette für wenig Geld. Und ich fand Bücher in Mengen, einige für die Frommen, andere für die, die die Frommen studierten, alles zugleich, Formulare zum Exorzieren, Manuale zum Wahrsagen aus einer Glaskugel, Como adivinhar o futuro na bola de cristal, und Lehrbücher der Anthropologie. Und eine Monografie über die Rosenkreuzer.

Alles schoss plötzlich zusammen. Satanische und maurische Riten im Tempel zu Jerusalem, afrikanische Medizinmänner für die Subproletarier aus dem Sertão, die Botschaft aus Provins mit ihren hundertzwanzig Jahren und die hundertzwanzig Jahre der Rosenkreuzer.

War ich ein wandelnder Shaker geworden, nur noch gut zum Vermixen diverser Spirituosen, oder hatte ich einen Kurzschluss ausgelöst, indem ich über ein Knäuel bunter Drähte gestolpert war, die sich ganz von alleine verhedderten, und das schon seit langer Zeit? Ich kaufte mir das Buch über die Rosenkreuzer. Dann sagte ich mir, wenn ich noch ein paar Stunden länger in diesen Buchläden geblieben wäre, hätte ich von Obersten Ardenti und übersinnlichen Mädchen mindestens ein Dutzend getroffen.

Ich ging nach Hause und teilte Amparo offiziell mit, dass die Welt voll Denaturierter sei. Sie versprach mir Trost, und wir beendeten den Tag naturaliter.

Gegen Ende 1975 beschloss ich, mir die Ähnlichkeiten aus dem Kopf zu schlagen und alle Kraft meiner Arbeit zu widmen. Schließlich sollte ich italienische Kultur lehren und nicht die Rosenkreuzer.

Ich vertiefte mich in die Philosophie des Humanismus und entdeckte, dass die Menschen der nüchternen Neuzeit, kaum aus dem finsteren Mittelalter getreten, nichts Besseres zu tun wussten, als sich in Kabbala und Magie zu vertiefen.

Nach zwei Jahren Beschäftigung mit Humanisten, die Formeln rezitiert hatten, um die Natur zu bewegen, Dinge zu tun, die sie nicht tun wollte, erhielt ich Nachrichten aus Italien. Meine einstigen Genossen, oder jedenfalls einige von ihnen, erledigten Andersgesinnte mit Genickschüssen, um die Leute zu bewegen, Dinge zu tun, die sie nicht tun wollten.

Ich begriff nicht. Beschloss, mich nunmehr als Teil der Dritten Welt zu betrachten, und entschied mich, nach Bahia zu fahren. Ich fuhr los mit einer Geschichte der Renaissance-Kultur unterm Arm — und mit dem Buch über die Rosenkreuzer, das unaufgeschnitten im Regal geblieben war.

26

Alle Traditionen der Erde sind zu betrachten als Traditionen einer grundlegenden Mutter-Tradition, die von Anfang an dem schuldigen Adam und seinen ersten Sprößlingen anvertraut worden war.

Louis-Claude de Saint Martin, De l’esprit des choses, Paris, Laran, 1800, II, »De l’esprit des traditions en général«

  Und ich sah Salvador, Salvador da Bahia de Todos os Santos, das »schwarze Rom« mit seinen dreihundertfünfundsechzig Kirchen, die sich hoch auf der Hügellinie erheben oder sanft in die Bucht schmiegen und in denen die Götter des afrikanischen Pantheons verehrt werden.

Amparo kannte einen naiven Maler, der große Holztafeln voll biblischer und apokalyptischer Visionen malte, leuchtend wie mittelalterliche Miniaturen, mit koptischen und byzantinischen Elementen. Er war natürlich Marxist, sprach von der baldigen Revolution und verbrachte die Tage träumend in den Sakristeien des Heiligtums von Nosso Senhor do Bomfim, einem Triumph des Horror vacui, vollgestopft mit Votivgaben, die in Trauben von der Decke herabhingen und die Wände pflasterten, eine mystische Assemblage aus silbernen Herzen, hölzernen Prothesen, Beinen und Armen, vermischt mit Bildern von dramatischen Rettungen aus tosenden Seestürmen, Hurrikanen und Mahlströmen. Er führte uns in die Sakristei einer anderen Kirche voll großer nach Jacaranda riechender Möbel. »Wer ist das auf dem Bild da?«, fragte Amparo den Küster. »Sankt Georg?«

Der Küster sah uns komplizenhaft an: »Wir nennen ihn São Jorge, und es ist besser, ihn so zu nennen, weil sonst der Herr Pfarrer böse wird, aber es ist Oxossi.«

Der Maler führte uns zwei Tage lang durch Kirchenschiffe und Kreuzgänge, verborgen hinter überreich dekorierten Fassaden von einer Schwärze wie abgegriffene Silberteller. Wir wurden begleitet von runzligen und hinkenden Kirchendienern, die Sakristeien waren krank von Gold und Silbermetallen, von schweren Kassettendecken und kostbaren Rahmen. In kristallenen Schreinen längs der Wände thronten Heiligenstatuen in Naturgröße, triefend von Blut, die offenen Wunden gespickt mit Rubintropfen, und leidverzerrte Christusfiguren mit hämorrhagieroten Beinen. In einem spätbarocken Goldgeflimmer sah ich Engel mit etruskischen Gesichtern, romanische Greife und orientalische Sirenen, die aus Säulenkapitellen hervorlugten.

Wir gingen durch alte Gassen, verzaubert von Namen, die wie Lieder klangen, Rua da Agonia, Avenida dos Amores, Travessa de Chico Diabo... Es war zu der Zeit, als die Regierung oder wer immer in ihrem Auftrag gerade dabei war, die Altstadt zu sanieren, um die zahllosen Bordelle zu schließen, aber man war erst auf halbem Wege angelangt. Zu Füßen jener verwaisten und leprösen, mit ihrem Prunk vollgestopften Kirchen erstreckten sich damals noch übel riechende Gassen, in denen es von minderjährigen schwarzen Prostituierten wimmelte, am Bordstein hockende Weiblein boten über offenem Feuer brutzelnde afrikanische Süßwaren feil, Schwärme von Zuhältern tanzten zwischen den Abwasserrinnsalen zu den Transistorklängen aus der nächsten Bar. Die alten Paläste der Kolonialherren, überragt von längst unleserlich gewordenen Wappen, waren Puffs geworden.

Am dritten Tag begleiteten wir unseren Führer in die Bar eines Hotels in der Oberstadt, im bereits sanierten Teil, an einer Straße voll teurer Antiquitätenläden. Er musste sich dort mit einem reichen Herrn aus Italien treffen, hatte er uns gesagt, der ein Bild von ihm zu kaufen gedachte, ohne über den Preis zu diskutieren, ein drei mal zwei Meter großes Gemälde, auf dem es von himmlischen Heerscharen wimmelte, die in einem Letzten Gefecht mit den anderen Legionen begriffen waren.

So machten wir Bekanntschaft mit Signor Agliè. Korrekt gekleidet in nadelgestreiftem Zweireiher, trotz der Hitze, Brille mit Goldrand, rosiger Teint, Silberhaar. Er küsste Amparo die Hand wie einer, der keine andere Begrüßung einer Dame kennt, und bestellte Champagner. Unser Malerfreund musste gehen, Agliè überreichte ihm ein Bündel Reiseschecks und sagte, er solle ihm das Werk ins Hotel schicken. Wir blieben noch auf einen Plausch, Agliè sprach fließend portugiesisch, aber wie einer, der es in Lissabon gelernt hat, was ihm noch mehr das Flair eines Gentleman aus anderen Zeiten verlieh. Er fragte uns, woher wir seien, machte ein paar Bemerkungen über die mögliche Genfer Herkunft meines Namens, interessierte sich für die Familiengeschichte Amparos, aber irgendwie hatte er gleich geahnt, dass sie aus Recife stammte. Was seine eigene Herkunft betraf, erklärte er sich nicht näher. »Ich bin wie einer von hier«, sagte er, »in meinen Genen haben sich zahllose Rassen akkumuliert ... Der Name ist italienisch, nach dem alten Besitz eines Vorfahren. Ja, vielleicht adelig, aber wer achtet schon heutzutage noch darauf. In Brasilien bin ich aus Neugierde. Ich interessiere mich für alle Formen der Tradition.«

Er habe zu Hause eine schöne Bibliothek über Religionswissenschaften, sagte er mir, in Mailand, wo er seit einigen Jahren lebe. »Kommen Sie mich doch einmal besuchen, wenn ich wieder dort bin, ich habe viele interessante Sachen, von den afro-brasilianischen Riten bis zu den Isiskulten im spätrömischen Reich.«

»Ich schwärme für die Isiskulte«, sagte Amparo, die sich aus Stolz gerne seicht gab. »Sicherlich wissen Sie alles über die Isiskulte.«

Agliè antwortete bescheiden: »Nur das wenige, was ich davon gesehen habe.«

Amparo versuchte Terrain zurückzugewinnen: »Aber war das nicht vor zweitausend Jahren?«

»Ich bin nicht so jung wie Sie«, lächelte Agliè.

»Wie Cagliostro«, scherzte ich. »War's nicht er, den man einmal, als er an einem Kruzifix vorbeikam, zu seinem Diener murmeln hörte: ›Ich hatte es ihm doch gesagt, diesem Juden, dass er aufpassen sollte, an jenem Abend damals, aber er wollte ja nicht hören?‹«

Agliè erstarrte, ich fürchtete schon, dass der Scherz zu grob gewesen war, und setzte zu einer Entschuldigung an, aber da unterbrach er mich mit einem konzilianten Lächeln: »Cagliostro war ein Intrigant. Man weiß sehr gut, wann und wo er geboren ist, und er hat nicht einmal besonders lange gelebt. Er prahlte bloß.«

»Das glaube ich gern.«

»Cagliostro war ein Intrigant«, wiederholte Agliè. »Aber das heißt nicht, dass es nicht privilegierte Personen gegeben hat, und gibt, die viele Leben durchgemacht haben. Die moderne Wissenschaft weiß noch so wenig über die Alterungsprozesse, wer weiß, ob die Sterblichkeit nicht einfach nur ein Ergebnis schlechter Erziehung ist. Cagliostro war ein Intrigant, aber der Graf von Saint-Germain war keiner, und wenn er sagte, er habe einige seiner chemischen Geheimnisse von den alten Ägyptern gelernt, hat er vielleicht nicht bloß geprahlt. Doch da ihm ohnehin niemand glaubte, wenn er diese Episoden erwähnte, tat er aus Höflichkeit gegenüber seinen Zuhörern so, als ob er scherzte.«

»Aber Sie tun, als ob Sie scherzten, um uns fühlen zu lassen, dass Sie die Wahrheit sagen«, sagte Amparo.

»Sie sind nicht nur schön, Sie sind auch außergewöhnlich scharfsinnig«, sagte Agliè. »Aber ich beschwöre Sie, mir nicht zu glauben. Denn wenn ich Ihnen im staubigen Glanz meiner Jahrhunderte erschiene, würde Ihre Schönheit mit einem Schlage verwelken, und das könnte ich mir nicht verzeihen.«

Amparo war erobert, und mich durchzuckte ein Anflug von Eifersucht. So brachte ich das Gespräch auf die Kirchen und auf den Sankt Georg-Oxossi, den wir gesehen hatten. Agliè sagte, wir müssten unbedingt einen Candomblé erleben. »Aber gehen Sie nicht dahin, wo man Ihnen Geld abverlangt. Die echten Orte sind die, wo man Sie empfängt, ohne irgendetwas von Ihnen zu verlangen, nicht einmal, dass Sie glauben. Respektvoll zuzuhören, das ja, mit der gleichen Toleranz für alle Glaubensformen, mit der man auch Ihren Unglauben akzeptiert. Einige Pais oder Mães-de-santo sehen aus, als wären sie direkt aus Onkel Toms Hütte entsprungen, aber sie haben die Bildung eines Theologen der Gregoriana.«

Amparo legte ihre Hand auf die seine. »Bringen Sie uns hin! Ich bin vor vielen Jahren einmal in einem Umbanda-Zelt gewesen, aber ich habe nur vage Erinnerungen, ich erinnere mich nur an eine große Verwirrung ...«

Die Berührung schien Agliè verlegen zu machen, aber er zog seine Hand nicht weg. Nur zog er, wie ich es ihn später in nachdenklichen Momenten tun sah, mit der anderen Hand aus der Westentasche eine kleine Dose aus Gold und Silber, vielleicht eine Tabatiere oder Pillendose, mit einem Achat auf dem Deckel. Auf dem Bartisch brannte eine Kerze, und als Agliè das Döschen wie zufällig in ihre Nähe brachte, sah ich, dass der Achat im Licht nicht mehr zu erkennen war, statt dessen erschien eine winzige Miniatur, in Blaugrün und Gold, die ein Hirtenmädchen mit einem Blumenkorb zeigte. Agliè drehte das Döschen mit zerstreuter Andacht zwischen den Fingern wie einen Rosenkranz. Dann bemerkte er mein Interesse, lächelte und steckte es wieder weg.

»Verwirrung? Ich hoffe nicht, mein schönes Fräulein, dass Sie außer scharfsinnig auch übertrieben empfindsam sind. Eine erlesene Qualität, wenn sie sich mit Anmut und Intelligenz verbindet, aber gefährlich für Leute, die sich an gewisse Orte begeben, ohne zu wissen, was sie dort suchen und was sie dort finden werden ... Und außerdem, bitte verwechseln Sie nicht den Umbanda mit dem Candomblé. Dieser ist ganz und gar autochthon, afro-brasilianisch, wie man zu sagen pflegt — jener ist eine späte Blüte, entstanden aus einer Kreuzung von eingeborenen Riten mit der esoterischen Kultur aus Europa, geprägt von einer Mystik, die ich templerisch nennen würde ...«

Die Templer hatten mich wieder. Ich sagte Agliè, dass ich über sie gearbeitet hatte. Er sah mich interessiert an. »Kurioser Zufall, mein junger Freund, hier unter dem Kreuz des Südens einen jungen Templer zu finden ...«

»Ich hoffe nicht, dass Sie in mir einen Adepten sehen ...«

»Um Gottes willen, Signor Casaubon! Wenn Sie wüssten, was für Gesindel es unter denen gibt.«

»Ich weiß, ich weiß.«

»Nun denn. Ich muss jetzt gehen. Aber wir müssen uns wiedersehen, bevor Sie abreisen.« Wir verabredeten uns für den nächsten Tag: wir wollten alle drei den überdachten Markt am Hafen besuchen.

Dort trafen wir uns in der Tat am folgenden Morgen wieder, und es war ein Fischmarkt, ein arabischer Suk, ein Basar, der krebsartig zu wuchern begonnen hatte, ein Lourdes, überschwemmt von den Kräften des Bösen, wo Regenzauberer mit ekstatischen stigmatisierten Kapuzinern zusammenleben konnten, zwischen Medizinbeuteln mit eingenähten Gebeten, Händchen aus Jade, die obszöne Gesten machten, Korallenamuletten gegen den bösen Blick, Kruzifixen, Davidssternen, Sexualsymbolen vorjüdischer Religionen, Hängematten, Teppichen, Börsen, Sphingen, heiligen Herzen, Bororo-Köchern, Muschelketten. Die degenerierte Mystik der Europäer verschmolz mit der qualifizierenden Wissenschaft der Sklaven, genauso wie die Haut jedes Anwesenden eine Geschichte verlorener Genealogien erzählte.

»Hier sehen Sie ein Inbild dessen«, sagte Agliè, »was die Ethnologen den brasilianischen Synkretismus nennen. Hässliches Wort, im Verständnis der offiziellen Wissenschaft. Aber in seinem höchsten Sinn ist der Synkretismus die Anerkennung einer einzigen Tradition, die alle Religionen durchzieht und nährt, alle Glaubens- und Wissensformen und alle Philosophien. Der Weise ist nicht derjenige, der diskriminierend unterscheidet, sondern der die Funken des Lichtes zusammen sieht, woher sie auch kommen mögen ... Und folglich sind diese Sklaven oder Abkömmlinge von Sklaven weiser als die Ethnologen der Sorbonne. Verstehen Sie, was ich meine, wenigstens Sie, mein schönes Fräulein?«

»Nicht mit dem Verstand«, sagte Amparo. »Mit dem Uterus. Verzeihen Sie, ich kann mir vorstellen, dass sich der Graf von Saint-Germain nicht so ausgedrückt hätte. Ich meine, ich bin in diesem Land geboren, und auch das, was ich nicht weiß, spricht von irgendwoher zu mir, ich glaube, von hier.« Sie berührte ihre Brust.

»Wie sagte an jenem Abend der Kardinal Lambertini zu der schönen Dame mit dem herrlichen Diamantkreuz auf dem Dekolleté? Welche Freude muss es sein, auf diesem Kalvarienberg zu sterben! Genauso gerne würde ich jene Stimmen hören. Aber jetzt muss ich mich entschuldigen, und zwar bei Ihnen beiden. Ich komme aus einer Epoche, in der man seine Seele verkauft hätte, um der Anmut Reverenz zu erweisen. Sie wollen gewiss allein sein. Wir bleiben in Kontakt.«

»Er könnte dein Vater sein«, sagte ich zu Amparo, während ich sie an den Ständen vorbeizog.

»Sogar mein Urgroßvater. Er hat uns angedeutet, dass er mindestens tausend Jahre alt ist. Bist du eifersüchtig auf Pharaos Mumie?«

»Ich bin eifersüchtig auf jeden, der dir ein Licht im Kopf ansteckt.«

»Wie schön, das ist wahre Liebe.«

27

Als er einmal erzählte, daß er Pontius Pilatus in Jerusalem gut gekannt habe, beschrieb er minuziös das Haus des Statthalters und nannte die Speisen, die serviert worden seien, als er eines Abends mit ihm diniert habe. Der Kardinal de Rohan, der Phantasiegespinste zu hören meinte, wandte sich an den Kammerdiener des Grafen von Saint-Germain, einen Alten mit weißem Haar und ehrlicher Miene: »Mein Freund«, sagte er, »es fällt mir schwer zu glauben, was Euer Herr da erzählt. Daß er ein Bauchredner sei, meinetwegen; daß er Gold mache, wohlan; aber daß er zweitausend Jahre alt sein und Pontius Pilatus gekannt haben soll, das ist zuviel. Wart Ihr dabei?« — »O nein, Monseigneur«, antwortete treuherzig der Kammerdiener, »ich bin erst seit vierhundert Jahren im Dienst des Herrn Grafen.«

Collin de Plancy, Dictionnaire infernal, Paris, Mellier, 1844, p. 434

  In den folgenden Tagen wurde ich von Salvador gepackt und verbrachte nur wenig Zeit im Hotel. Beim Blättern im Register des Buches über die Rosenkreuzer fand ich einen Hinweis auf den Grafen von Saint-Germain. Schau, schau, sagte ich mir, tout se tient.

Voltaire schrieb über ihn, er sei »un homme qui ne meurt jamais et qui sait tout (ein Mann, der niemals stirbt und der alles weiß)«, aber Friedrich der Große antwortete ihm, er sei bloß »un comte pour rire (ein Graf zum Lachen)«. Horace Walpole sprach von ihm als von einem Italiener oder Spanier oder Polen, der angeblich ein großes Vermögen in Mexiko erworben hatte und dann nach Konstantinopel geflohen war, mit den Juwelen seiner Frau. Die sichersten Auskünfte über ihn finden sich in den Memoiren der Madame de Hausset, einer Hofdame der Pompadour (schöne Empfehlung, meinte Amparo intolerant). Er war unter diversen Namen aufgetreten, als Surmont in Brüssel, als Welldone in Leipzig, als Marquis von Aymar, von Bedmar oder von Belmar, als Graf Soltikoff. In London, wo er als Geiger und Cembalist in den Salons brillierte, wurde er 1745 verhaftet; drei Jahre später erscheint er in Paris und bietet Ludwig XV. seine Dienste als Experte für Tinkturen an, im Tausch gegen eine Suite im Château de Chambord. Der König verwendet ihn für diplomatische Missionen in Holland, wo er irgendetwas anstellt und daraufhin erneut nach London flieht 1762 finden wir ihn in Russland wieder, dann erneut in Belgien. Dort begegnet er Casanova, der berichtet, wie er eine Münze in Gold verwandelt habe. 1776 ist er in Potsdam am Hofe Friedrichs des Großen, dem er verschiedene chemische Projekte vorlegt, acht Jahre später stirbt er in Schleswig, im Dienst des Landgrafen von Hessen, für den er im Begriff war, eine Farbenfabrik zu errichten.

Nichts Außergewöhnliches, die typische Karriere eines Abenteurers im achtzehnten Jahrhundert, mit weniger Liebesaffären als Casanova und weniger theatralisch inszenierten Betrügereien als Cagliostro. Im Grunde, abgesehen von ein paar Zwischenfällen, genoss er ein gewisses Ansehen bei den Mächtigen, denen er die Wunder der Alchimie versprach, aber mit industrieller Verve. Nur dass sich um ihn, und sicher von ihm genährt, das Gerede von seiner Unsterblichkeit bildete. In den Salons erzählte er mit unbefangener Miene von Abenteuern aus fernen Zeiten, als wäre er Augenzeuge gewesen, und pflegte seine Legende mit Anmut, quasi con sordino.

Mein Buch zitierte auch eine Stelle aus Gog von Giovanni Papini, in der eine nächtliche Begegnung an Deck eines Überseedampfers geschildert wird: bedrückt von seiner mehrtausendjährigen Vergangenheit, von den zahllosen Erinnerungen, die ihm immerfort durch den Kopf gehen, hat der Graf von Saint-Germain hier Töne der Verzweiflung, die an Funes »el memorioso« von Borges erinnern, nur dass Papinis Text von 1930 ist. »Glauben Sie nicht, dass unser Los zu beneiden wäre«, sagt der Graf zu Gog. »Nach ein paar Jahrhunderten ergreift ein unheilbarer Überdruss von uns unseligen Unsterblichen Besitz. Die Welt ist monoton, die Menschen lernen nichts und verfallen in jeder Generation wieder in dieselben Fehler und Gräuel, die Geschehnisse wiederholen sich nicht, aber sie ähneln einander ... keinerlei Neuheiten mehr, keine Überraschungen, keine Offenbarungen. Ich kann Ihnen gestehen, jetzt, da nur das Rote Meer uns zuhört: Meine Unsterblichkeit hängt mir zum Halse heraus. Die Erde hat keine Geheimnisse mehr für mich, und ich habe keine Hoffnung mehr in meinesgleichen.«

»Kurioser Typ«, kommentierte ich. »Klar, dass unser guter Agliè sich darin gefällt, ihn zu verkörpern. Alter Aristokrat, ein bisschen müde geworden, muss nicht aufs Geld sehen, hat Zeit zum Reisen und eine Neigung zum Übernatürlichen.«

»Ein konsequenter Reaktionär, der den Mut hat, dekadent zu sein. Im Grunde ziehe ich ihn den demokratischen Bourgeois vor«, sagte Amparo.

»Women power, women power, und dann fällst du in Verzückung wegen einem Handkuss!«

»Ihr habt uns so erzogen, jahrhundertelang. Jetzt lasst uns wenigstens die Zeit, uns allmählich zu befreien. Ich hab schließlich nicht gesagt, dass ich ihn heiraten will.«

»Na Gott sei Dank.«

Eine Woche später rief Agliè an. Es sei soweit, heute Abend würde man uns in einem Terreiro de Candomblé empfangen. Man würde uns nicht zum Ritus zulassen, weil die Ialorixá den Touristen misstraue, aber sie selbst würde uns vorher empfangen und die Örtlichkeit zeigen.

Er holte uns im Auto ab, und wir fuhren durch die Favelas hinter den Hügeln. Das Gebäude, vor dem wir hielten, wirkte bescheiden wie eine Mietskaserne, aber am Eingang empfing uns ein alter Neger, der uns mit Weihrauch reinigte. Weiter vorn in einem schmucklosen Garten sahen wir eine Art großen flachen Korb aus Palmwedeln, auf dem einheimische Leckereien ausgebreitet waren, die comidas de santo.

Innen fanden wir einen großen Saal, die Wände bedeckt mit Bildern, vor allem Votivbildern, und afrikanischen Masken. Agliè erklärte uns die Einrichtung: hinten die Bänke für die Nichtinitiierten, an den Seiten das Podium für die Instrumente und die Sessel der Ogãs. »Die Ogãs sind angesehene Personen, nicht unbedingt Gläubige, aber den Kult respektierende Bürger. Hier in Bahia ist der große Jorge Amado Ogã in einem Terreiro. Er wurde von Iansã erwählt, der Herrin des Krieges und der Winde ...«

»Aber woher kommen all diese Gottheiten?«, fragte ich.

»Das ist eine komplizierte Geschichte. Zunächst einmal gibt es einen sudanesischen Zweig, der im Nordosten Wurzeln geschlagen hat, schon seit den Anfängen des Sklaventums, und daher kommt der Candomblé der Orixás, das heißt der afrikanischen Gottheiten. In den Staaten des Südens überwiegt der Einfluss der Bantustämme, und hier beginnen Vermischungen in Kettenreaktion. Während die Kulte im Norden den alten afrikanischen Religionen treu bleiben, entwickelt sich im Süden die ursprüngliche Macumba zum Umbanda, beeinflusst vom Katholizismus, vom Spiritismus à la Kardec und ähnlichen europäischen Okkultismen ...«

»Dann kommen heute Abend keine Templer mit rein?«

»Die Templer waren eine Metapher. Auf jeden Fall werden sie heute Abend keine Rolle spielen. Aber der Synkretismus hat eine sehr subtile Mechanik. Haben Sie vorhin draußen an der Tür, nahe den comidas de santo, eine kleine Figur aus Eisen gesehen, so eine Art Teufelchen mit Dreizack und mit Votivgaben vor den Füßen? Das ist der Exu, der im Umbanda sehr mächtig ist, aber nicht im Candomblé. Dennoch wird er auch im Candomblé verehrt, man betrachtet ihn als einen Boten, eine Art degenerierten Merkur. Im Umbanda wird man von Exu besessen, hier nicht. Aber man behandelt ihn zuvorkommend, schließlich weiß man ja nie. Sehen Sie dort an der Wand ...«, er deutete auf zwei bemalte Figuren, einen nackten Indio und einen alten, weiß gekleideten Negersklaven, der sitzend die Pfeife rauchte: »Das sind ein caboclo und ein preto velbo, Geister Verstorbener, die in den Umbanda-Riten eine sehr wichtige Rolle spielen. Was tun sie hier? Sie nehmen Ehrbezeigungen entgegen, sie werden nicht angerufen, da der Candomblé nur Beziehungen zu den afrikanischen Orixás unterhält, aber sie werden auch nicht verleugnet.«

»Was ist denn das Gemeinsame all dieser Kirchen?«

»Nun, sagen wir, kennzeichnend für alle afro-brasilianischen Kulte ist, dass während des Ritus die Initiierten besessen sind, wie in Trance, besessen von höheren Wesen. Im Candomblé von den Orixás, im Umbanda von den Geistern der Verstorbenen ...«

»Mein Gott, ich hatte mein Land und meine Rasse schon ganz vergessen«, sagte Amparo. »Ein bisschen Europa und ein bisschen historischer Materialismus haben mir alles ausgetrieben, dabei hatte ich diese Geschichten von meiner Großmutter gehört ...«

»Ein bisschen historischer Materialismus«, sagte Agliè lächelnd. »Mir scheint, ich habe davon schon gehört. Ein apokalyptischer Kult, begründet von diesem Trierer, nicht wahr?«

Ich drückte Amparos Arm. »No pasarán (Sie werden nicht siegen [Schlachtruf der Antifaschisten im spanischen Bürgerkrieg]), mi amor.«

»Cristo!«, murmelte sie.

Agliè hatte unseren halblauten Dialog mit angehört, ohne sich einzuschalten. »Die Potenzen des Synkretismus sind unbegrenzt, meine Liebe. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen auch die politische Version dieser Geschichte liefern. Die Gesetze des neunzehnten Jahrhunderts geben den Sklaven die Freiheit wieder, aber im Bemühen, die Stigmata ihrer Sklaverei loszuwerden, verbrennen die Freigelassenen alle Archive des Sklavenhandels. Die Sklaven werden der Form nach frei, haben aber nun keine Vergangenheit mehr. Infolgedessen versuchen sie, eine kollektive Identität wiederzufinden, da sie die familiäre verloren haben. Sie kehren zurück zu den Wurzeln. Das ist ihre Art, sich — wie ihr Jungen heute sagt — den herrschenden Kräften zu widersetzen.«

»Aber eben sagten Sie doch, dass sich diese europäischen Sekten da mit eingemischt haben«, sagte Amparo.

»Meine Liebe, Reinheit ist ein Luxus, und die Sklaven nehmen sich, was sie kriegen. Aber sie rächen sich. Inzwischen haben sie schon mehr Weiße eingefangen, als Sie sich träumen lassen. Die afrikanischen Kulte hatten zu Anfang die gleiche Schwäche wie alle Religionen, sie waren örtlich begrenzt, stammesgebunden und kurzsichtig. Im Kontakt mit den Mythen der Eroberer haben sie ein uraltes Wunder reproduziert: sie haben die antiken Mysterienkulte wieder zum Leben erweckt, die im zweiten und dritten Jahrhundert unserer Ära im Mittelmeerraum grassierten, zwischen einem Rom, das sich langsam zersetzte, und den Fermenten aus Persien, aus Ägypten, aus dem vorjüdischen Palästina ...In den Jahrhunderten des spätrömischen Reiches nahm Afrika die Einflüsse der gesamten mediterranen Religiosität in sich auf und bewahrte sie, verdichtete sie. Europa wurde verdorben vom Christentum der Staatsraison, Afrika konservierte ein Wissen, uralte Wissensschätze, wie schon zur Zeit der Ägypter, als es sie den Griechen schenkte, die sie dann verschluderten.«

28

Es gibt einen Leib, der die ganze Welt umspannt, und stellt ihn euch vor in Form eines Kreises, denn dies ist die Form des Alls... Nun stell dir vor, daß unter dem Kreis dieses Leibes die 36 Dekane sind, im Zentrum zwischen dem ganzen Kreis und dem Tierkreis, die beiden Kreise trennend und gleichsam den Tierkreis begrenzend, zum Tierkreis hinaufversetzt mitsamt den Planeten... Der Wechsel der Könige, die Erhebung der Städte, die Hungersnöte, die Pest, der Rückfluß des Meeres, die Erdbeben, nichts von alledem findet statt ohne den Einfluß der Dekane...

Corpus Hermeticum, Stobaeus, excerptum VI

  »Aber was für ein Wissen?«

»Ist Ihnen klar, wie groß die Epoche zwischen dem zweiten und dritten Jahrhundert nach Christus war? Nicht wegen der Prunkentfaltung des Reiches, das sich schon im Niedergang befand, sondern wegen dessen, was derweilen im Mittelmeerraum florierte. In Rom schlachteten die Prätorianer ihre Kaiser ab, und im Mittelmeerraum blühte die Epoche des Apuleius, der Isis-Mysterien, jener großen Rückkehr der Spiritualität, die der Neuplatonismus und die Gnosis waren. Selige Zeiten, als die Christen noch nicht die Macht ergriffen hatten, um die Häretiker in den Tod zu schicken. Glänzende Epoche, beseelt vom nous, durchzuckt von Ekstasen, bevölkert von Präsenzen, Emanationen, Dämonen und Engelsscharen ... Es ist ein diffuses Wissen, unzusammenhängend, uralt wie die Welt, ein Wissen, das weit zurückreicht hinter Pythagoras, hinter die Brahmanen Indiens, die Juden, die Magier, die Gymnosophen und sogar hinter die Barbaren des äußersten Nordens, die Druiden Galliens und der Britannischen Inseln. Den Griechen galten die Barbaren als solche, weil sie sich nicht auszudrücken vermochten, mit diesen Sprachen, die in ihren überzüchteten Ohren wie Gebell klangen. Tatsächlich aber zeigte sich gerade in dieser Epoche, dass die Barbaren weit mehr wussten als die Hellenen, und zwar eben deshalb, weil ihre Sprache undurchdringlich war. Glauben Sie, dass diejenigen, die heute Abend tanzen werden, den Sinn all der Zauberformeln und magischen Namen kennen, die sie aussprechen werden? Zum Glück nicht, denn der unbekannte Name fungiert als Atemübung, als mystische Vokalisierung. Ah, die Epoche der Antonine ... Die Welt war voll von wunderbaren Entsprechungen und subtilen Ähnlichkeiten, man musste sie durchdringen, sich von ihnen durchdringen lassen, durch den Traum, das Orakel, die Magie, die es ermöglicht, auf die Natur einzuwirken und auf ihre Kräfte, indem man das Ähnliche mit dem Ähnlichen bewegt. Die Weisheit ist unfassbar, flüchtig, sie entzieht sich jedem Maß. Deshalb war der dominante Gott in jener Epoche Hermes, der Erfinder aller Listen und Kniffe, der Gott der Kreuzwege und der Diebe, aber auch der Schöpfer der Schrift, einer Kunst des Ausweichens und des Differenzierens, der Seefahrt, die es zum Ende aller Grenzen zieht, wo alles am Horizont verschwimmt, der Kräne, die Steine vom Boden heben, und der Waffen, die das Leben in Tod verwandeln, und der Wasserpumpen, die schwere Materie leicht werden lassen, und der Philosophie, die vorspiegelt und täuscht ... Und wissen Sie, wo Hermes heute ist? Hier, Sie haben ihn an der Tür gesehen, die Leute hier nennen ihn Exu, diesen Boten der Götter, diesen Vermittler, diesen Händler, der den Unterschied zwischen Gut und Böse nicht kennt.«

Agliè musterte uns mit amüsiertem Misstrauen. »Sie glauben wohl, ich sei — wie Hermes mit den Waren — zu flink im Umverteilen der Götter. Sehen Sie dieses Büchlein hier, ich habe es heute Morgen in einem Buchladen im Pelourinho gekauft. Magien und Mysterien des heiligen Cyprianus, Rezepte für Liebeszauber oder um den Feind sterben zu lassen, Anrufungen der Engel und der Jungfrau. Volkstümliche Literatur für diese schwarzhäutigen Mystiker hier. Aber es handelt sich um den heiligen Cyprianus von Antiochia, über den es eine immense Literatur im Silbernen Zeitalter gibt. Seine Eltern wollten, dass er alles lerne und wisse, was in der Erde, in der Luft und im Wasser der Meere ist, und so schickten sie ihn in die fernsten Länder, damit er alle Mysterien erfahre, die Erzeugung und die Vergiftung der Kräuter kennenlerne und die Heilkräfte der Pflanzen und der Tiere, nicht die der Naturgeschichte, sondern die der verborgenen Wissenschaft tief im Innern der fernen und archaischen Traditionen. Und Cyprianus weiht sich in Delphi dem Gott Apoll und der Dramaturgie der Schlange, er wohnt den Mysterien des Mithra bei, als Fünfzehnjähriger auf dem Olymp, von fünfzehn Hierophanten geführt, erlebt er die Riten zur Beschwörung des Fürsten dieser Welt, um dessen Machenschaften zu bannen, in Argos wird er in die Mysterien der Hera eingeweiht, in Phrygien erlernt er die Kunst der Leberschau, und bald gibt es nichts mehr auf der Erde, im Wasser und in der Luft, was ihm unbekannt wäre, ob Hirngespinst oder Gegenstand der Weisheit oder Kunstgriff irgendwelcher Art, nicht einmal die Kunst, durch Zauber die Schrift zu verändern. In den unterirdischen Tempeln von Memphis lernt er, wie die Dämonen mit den irdischen Dingen kommunizieren, welche Orte sie verabscheuen, welche Dinge sie lieben und wie sie die Finsternisse bewohnen, welche Widerstände sie in gewissen Domänen leisten, wie sie sich der Seelen und der Körper bemächtigen können und welche Wirkungen sie dann erzielen, welche Formen von höherer Erkenntnis, Gedächtnis, Schrecken, Illusion, und die Kunst, Erdbeben hervorzurufen und die Ströme des Erdinnern zu beeinflussen ... Dann, leider, bekehrt er sich, aber etwas von seinem Wissen bleibt erhalten, vererbt sich, und nun finden wir es hier wieder, hier in den Mündern und Geistern dieser zerlumpten Schwarzen, die ihr Götzenanbeter nennt. Ja, meine Freundin, noch vor Kurzem haben Sie mich angesehen, als wäre ich ein ci-devant. Wer lebt in der Vergangenheit? Sie, die Sie diesem Lande die Gräuel des Jahrhunderts der Industrie und der Arbeitermassen schenken wollen, oder ich, der sich wünschte, unser armes Europa fände zurück zur Natürlichkeit und zum Glauben dieser Sklavenabkömmlinge?«

»Cristo!«, schnaubte Amparo böse. »Sie wissen doch selber, das ist nur eine Art, sie ruhig zu halten!«

»Nicht ruhig. Fähig, sich noch in der Erwartung zu üben. Ohne die Fähigkeit zur Erwartung gibt es auch kein Paradies, habt ihr Europäer das nicht gelehrt?«

»Seit wann bin ich eine Europäerin?«

»Es kommt nicht auf die Hautfarbe an, entscheidend ist der Glaube an die Tradition. Um einem vom Wohlstand paralysierten Abendländer die Fähigkeit zur Erwartung wiederzugeben, müssen diese hier zahlen, vielleicht auch leiden, aber sie kennen noch die Sprache der Naturgeister, der Lüfte, der Wasser, der Winde ...«

»Ihr beutet uns ein weiteres Mal aus.«

»Ein weiteres Mal?«

»Ja, das müssten Sie doch 1789 gelernt haben, Herr Graf. Wenn wir es satthaben — zack!« Und lächelnd wie ein Engel fuhr sie sich mit der Kante ihrer gestreckten, wunderschönen Hand quer über die Kehle. Von Amparo begehrte ich sogar die Zähne.

»Wie dramatisch«, sagte Agliè, während er seine Tabatiere aus der Tasche zog und sie liebevoll zwischen den Händen drehte. »So haben Sie mich also erkannt? Aber 1789 waren es nicht die Sklaven, die Köpfe rollen ließen, sondern die braven Bürger, die Sie doch verabscheuen müssten. Und außerdem, Köpfe hat der Graf von Saint-Germain in all den Jahrhunderten viele rollen sehen und viele auch wieder auf den Hals zurückkehren ... Aber schauen Sie, da kommt die Mãe-de-santo, die Ialorixá.«

Die Äbtissin des Terreiro begrüßte uns ruhig, herzlich, einfach und kultiviert. Sie war eine große Negerin mit strahlendem Lächeln. Auf den ersten Blick hätte man sie für eine Hausfrau gehalten, aber als wir miteinander zu sprechen begannen, verstand ich, warum Frauen dieser Art das kulturelle Leben von Salvador dominieren konnten.

»Diese Orixás, sind das eigentlich Personen oder Kräfte?«, fragte ich sie. Die Mãe-de-santo antwortete, es seien Kräfte, gewiss, Naturkräfte, Wasser, Wind, Laub, Regenbogen. Doch wie solle man die einfachen Leute daran hindern, sie als Krieger, Frauen, Heilige der katholischen Kirche zu sehen? Verehrt nicht auch ihr Europäer, sagte sie, eine kosmische Kraft unter der Form so mancher Jungfrau? Wichtig sei nur, die Kraft zu verehren, das Äußere müsse sich den Verständnismöglichkeiten eines jeden anpassen.

Sie lud uns ein, in den hinteren Garten hinauszutreten, um die Kapellen zu besichtigen, ehe der Ritus begann. Die Kapellen waren die Häuser der Orixás. Ein Schwarm junger Mädchen, Schwarze in bahrainischer Tracht, traf fröhlich lachend die letzten Vorbereitungen.

Die Häuser der Orixás verteilten sich im Garten wie bei uns die Kapellen auf einem Sacro Monte, und sie trugen außen das Bildnis des jeweils mit ihrem Bewohner gleichgesetzten Heiligen. Innen prangten die leuchtenden Farben der Blumen, der Statuetten und der frisch zubereiteten Speisen, die den Göttern dargebracht wurden. Weiß für Oxalá, blau und rosa für Yemanjá, rot und weiß für Xangõ, goldgelb für Ogun... Die Initiierten knieten nieder, küssten die Schwelle und fassten sich mit der Hand an die Stirn und hinter das rechte Ohr.

»Aber wie ist das nun zu verstehen«, fragte ich, »diese Yemanjá, ist sie nun oder ist sie nicht Nossa Senhora da Conceição, Unsere Liebe Frau von der Empfängnis? Und Xangõ, ist er nun Sankt Hieronymus oder nicht?«

»Stellen Sie nicht so peinliche Fragen«, riet mir Agliè. »Im Umbanda ist es noch komplizierter. Zur Linie von Oxalá, der hier mit Jesus Christus gleichgesetzt wird, besonders mit Nosso Senhor de Bomfim, gehören Sankt Antonius und die Heiligen Kosmas und Damian. Zur Linie von Yemanjá gehören Sirenen, Undinen, Caboclas des Meeres und der Flüsse, Seefahrer und Leitsterne. Zur Linie des Orients gehören Hindus, Ärzte, Physiker, Araber und Marokkaner, Japaner, Chinesen, Mongolen, Ägypter, Azteken, Inkas, Kariben und Römer. Zur Linie von Oxossi gehören die Sonne, der Mond, der Caboclo der Wasserfälle und der Caboclo der Schwarzen. Zur Linie von Ogun gehören Ogun Beira-Mar, Rompe-Mato, Iara, Megé, Narueé... Also kurz: je nachdem.«

»Cristo!«, schnaubte Amparo erneut.

»Man sagt Oxalá«, murmelte ich ihr ins Ohr. »Bleib ruhig, No pasarán.«

Die Ialorixá zeigte uns eine Anzahl Masken, die einige Mädchen in den Tempel trugen. Es waren große Kapuzenkostüme aus Stroh, mit denen die Tanzenden sich verhüllen sollten, wenn sie, von der Gottheit besucht, in Trance fielen. Das sei eine Form der Scham, erklärte uns die Ialorixá, in manchen Terreiro tanzten die Auserwählten mit unverhülltem Gesicht, um den Anwesenden ihre Passion vorzuführen. Doch der Initiierte müsse geschützt, respektiert, bewahrt werden vor der Neugier des Profanen oder jedenfalls dessen, der seinen inneren Jubel und seine Anmut nicht verstehen könne. So sei es Brauch in diesem Terreiro, sagte sie, und deshalb sehe man hier nicht gern Fremde beim Ritus. Aber wer weiß, vielleicht eines Tages, fügte sie hinzu. Unsere Verabschiedung war nur ein auf Wiedersehen.

Aber sie wollte uns nicht gehen lassen, ohne uns etwas angeboten zu haben, nicht aus den Körben, die bis zum Ende des Rituals unversehrt bleiben mussten, aber aus ihrer Küche, einige Kostproben der comidas de santo. Sie führte uns in den hinteren Teil des Terreiro, und es war ein farbenprächtiges Festmahl aus Mandioca, Pimenta, Coco, Amendoim, Gemgibre, Moqueca de siri mole, Vatapá, Efó, Caruru, Fejoada mit Farofa, weich duftend nach afrikanischen Spezereien, scharf nach schwer-süßen tropischen Aromen, wovon mit Andacht kosteten, wissend, dass wir am Mahle der alten sudanesischen Götter teilhatten. Zu Recht, wie uns die Ialorixá belehrte, denn jeder von uns habe, ohne es zu wissen, einen Orixá zum Vater, und oft könne man auch sagen, welchen. Ich fragte keck, wessen Sohn ich sei. Die Ialorixá wich zuerst aus und sagte, das könne man nicht mit Sicherheit feststellen, willigte dann aber ein, meine Handfläche zu betrachten, fuhr mit den Fingern darüber, sah mir in die Augen und sagte: »Du bist ein Sohn von Oxalá.«

Ich war stolz darauf. Amparo, nun wieder entspannt und cool wie gewöhnlich, schlug vor zu erkunden, wessen Sohn Agliè sei, aber er wollte es lieber nicht wissen.

Zu Hause fragte sie mich: »Hast du seine Hand gesehen? Anstatt einer Lebenslinie hat er lauter zerstückelte Linien. So ein Zickzack wie bei einem Bergbach, der auf einen Stein trifft, ins Stocken gerät und einen Meter daneben weiterfließt. Die Linie von einem, der schon oft gestorben sein müsste.«

»Der Weltmeister in Langstreckenseelenwanderung.«

»No pasarán«, lachte Amparo.

29

Car en ce qu’ils changent & transposent leurs noms, en ce qu’ils desguisent leurs années, en ce que, par leur confession mesme, ils viennent sans se faire cognoistre, il n’y a Logicien qui puisse nyer que necessairement il faut qu’ils soient en nature.

(Denn dass sie ihre Namen wechseln und verbergen, dass sie ihr Alter verschleiern, dass sie nach eignem Bekenntnis daherkommen, ohne sich kenntlich zu machen, das erlaubt keinem Logiker zu verneinen, dass es notwendig sein muss, dass sie in natura existieren.)

Heinrich Neuhaus, Pia et ultimissima admonestatio de Fratribus Roseae-Crucis, nimirum: an sint? quales sint? unde nomen illud sibi ascriverint, Danzig 1618, franz. Ausg. 1623, p. 5

  Chessed, sprach Diotallevi, ist die Sefirah der Gnade und der Liebe, weißes Feuer, Südwind. Vorgestern Abend im Periskop dachte ich, dass die letzten Tage, die ich mit Amparo in Bahia verbrachte, unter diesem Zeichen standen.

Ich erinnerte mich — an was man sich so alles erinnert, wenn man Stunden um Stunden im Dunkel wartet! — an einen der letzten Abende in Salvador. Unsere Füße schmerzten vom vielen Laufen kreuz und quer durch die Stadt, und so waren wir früh zu Bett gegangen, aber ohne schon schlafen zu wollen. Amparo lag auf der Seite, zusammengekauert wie ein Embryo, und tat, als lese sie durch ihre leicht gespreizten Knie in einem meiner Handbücher über den Umbanda. Ab und zu wälzte sie sich auf den Rücken, die Beine geöffnet, das Buch auf dem Bauch, und hörte mir zu, wenn ich sie für die Entdeckungen zu erwärmen suchte, die ich in dem Buch über die Rosenkreuzer machte. Es war ein schöner Abend, aber, wie Belbo bekifft von Literatur in seinen files geschrieben hätte, kein Lufthauch regte sich, über allen Gipfeln war Ruh. Wir hatten uns ein gutes Hotel geleistet, aus dem Fenster sah man das Meer, und aus der noch erleuchteten Küchenecke lockte ein Korb mit tropischen Früchten, die wir am Morgen auf dem Markt gekauft hatten.

»Hör mal, was hier steht: 1614 erschien in Deutschland eine anonyme Schrift mit dem Titel Allgemeine und General Reformation der gantzen weiten Welt. Nebst der Fama Fraternitatis deß Löblichen Ordens des Rosencreutzes, an alle Gelehrten und Häupter Europae geschrieben. Auch nebst einer kurtzen Responsion, von dem Herrn Haselmeyer gestellet, welcher deßwegen von den Jesuittern ist gefänglich eingezogen und auf eine Galleeren geschmiedet worden: Jtzo öffentlich in Druck verfertigt und allen trewen Hertzen communiciret. Herausgegeben zu Kassel von Wilhelm Wessel.«

»Ist das nicht ein bisschen lang?«

»Scheint, dass im siebzehnten Jahrhundert alle Titel so waren. Alle wie von Lina Wertmüller geschrieben.

Es handelt sich um ein satirisches Werk, eine Fabel über eine allgemeine Reformation der ganzen Menschheit, zum Teil abgeschrieben von den Ragguagli di Parnaso des Traiano Boccalini. Aber darin eingebettet ist ein kleineres Werk, ein knappes Manifest von kaum zwölf Seiten, die Fama Fraternitatis, die ein Jahr später gesondert veröffentlicht wird, gleichzeitig mit einem anderen Manifest, diesmal auf Lateinisch, betitelt Confessio fraternitatis Roseae Crucis, ad eruditos Europae. In beiden stellt sich die Bruderschaft der Rosenkreuzer vor und spricht von ihrem Gründer, einem geheimnisvollen C.R. Erst später und aus anderen Quellen geht hervor, dass es sich um einen gewissen Christian Rosencreutz handelt.«

»Warum wird der volle Name verschwiegen?«

»Ach, das wimmelt hier nur so von Initialen, keiner wird hier mit vollem Namen genannt, sie heißen alle G.V., I.A., I.O. oder so, und wer wirklich einen netten kleinen Spitznamen hat, nennt sich P.D. Erst werden die Bildungsjahre von C.R. erzählt, der zunächst das Heilige Grab besucht, dann nach Damaskus geht, dann nach Ägypten und von da nach Fez, was damals ein Zentrum der muselmanischen Weisheit gewesen sein muss. Dort lernt unser Christian, der bereits Griechisch und Latein konnte, die orientalischen Sprachen, die Physik, die Mathematik, die Naturwissenschaften, er akkumuliert die ganze tausendjährige Weisheit der Araber und der Afrikaner, bis hin zur Kabbala und zur Magie, er übersetzt sogar ein mysteriöses Liber M ins Lateinische, und schließlich kennt er alle Geheimnisse des Makro- und Mikrokosmos. Schon seit zwei Jahrhunderten war damals alles Orientalische groß in Mode, besonders wenn man nicht kapierte, was es bedeutete.«

»So machen sie's immer: Was? Ihr seid verhungert, frustriert, ausgebeutet? Verlangt nach dem Kelch des Geheimnisses! Hier, nimm ...« Sie rollte mir einen Joint. »Das ist einer von den Guten.«

»Siehst du, auch du willst bloß vergessen.«

»Aber ich weiß, dass es bloß Chemie ist, sonst nichts. Da ist kein Geheimnis dabei, das macht dich auch high, wenn du kein Hebräisch kannst. Komm her.«

»Warte. Danach geht dieser Rosencreutz nach Spanien, und auch da stopft er sich mit okkulten Lehren voll und nähert sich, wie es hier heißt, immer mehr und mehr dem Zentrum allen Wissens. Und im Laufe dieser Reisen, die für einen Intellektuellen damals ein echter Trip in totale Weisheit gewesen sein mussten, kapiert er schließlich, dass in Europa eine Gesellschaft gegründet werden muss, die den Regierenden die Wege der Weisheit und Güte weist«

»Originelle Idee. Hat sich wirklich gelohnt, soviel zu studieren. Ich möchte 'ne frische Mamaya.«

»Sind im Kühlschrank. Sei lieb, hol sie dir selber, ich arbeite.«

»Wenn du arbeitest, bist du die Ameise, und wenn du die Ameise bist, dann sei's auch und sorg für Nahrung.«

»Die Mamaya ist Wollust, also geht die Grille. Oder ich gehe, und du liest.«

»Cristo, nein! Ich hasse die Kultur des weißen Mannes. Ich geh schon.«

Amparo ging in die Küchenecke, und ich genoss es, sie im Gegenlicht zu begehren. Und derweilen kehrte C.R. nach Deutschland zurück, und statt sich der Umwandlung von Metallen zu widmen, was sein immenses Wissen ihm nun gestattet hätte, beschloss er, sich einer spirituellen Reformation zu verschreiben. Er gründete die Confraternitas, indem er eine magische Sprache und Schrift ersann, die als Fundament für die Weisheit der künftigen Brüder dienen sollte.

»Nicht so, du kleckerst das ganze Buch voll, steck sie mir in den Mund, nein — lass doch die Albernheiten — ja, so. Mm, gut, diese Mamaya, rosencreutzlische Mammi-ja-ja ... Aber hör weiter, hast du das gewusst: Was die ersten Rosenkreuzer in den ersten Jahren geschrieben haben, das hätte die wahrheitsbegierige Welt erleuchten können.«

»Was haben sie denn geschrieben?«

»Tja, da ist der Haken, das Manifest schweigt sich darüber aus. Erst machen sie einem den Mund wässrig, und dann nix. Scheint, die Sache ist furchtbar wichtig, so furchtbar wichtig, dass sie geheim bleiben muss.«

»Blöde Hunde.«

»Nicht doch, aua, lass das! Also jedenfalls diese Rosenkreuzer, wie sie sich vermehren, beschließen sie, sich in alle Himmelsrichtungen zu zerstreuen, mit der Verpflichtung, die Kranken gratis zu pflegen, keine Kleider anzuziehen, die sie kenntlich machen, sich überall den Landesbräuchen anzupassen, sich einmal im Jahr zu treffen und hundert Jahre geheim zu bleiben.«

»Entschuldige, aber was für 'ne Reformation wollten sie denn machen, wo doch gerade erst eine gewesen war? Was war denn Luther für sie, bloß 'n Dreck?«

»Nein, das war doch alles noch vor der protestantischen Reformation. Hier steht in einer Fußnote, bei aufmerksamer Lektüre der Fama und der Confessio ist zu entnehmen ...«

»Von wem?«

»Wenn etwas zu entnehmen ist, ist es zu entnehmen. Egal von wem. Von der Vernunft, vom gesunden Menschenverstand ... He, was hast du denn? Wir reden von den Rosenkreuzern, das ist 'ne ernsthafte Sache ...«

»Ach ja?«

»Also, wie zu entnehmen ist, wird der Rosencreutz 1378 geboren und stirbt 1484 im schönen Alter von hundertsechs Jahren, und so ist es nicht schwer zu erraten, dass die geheime Brüderschaft nicht wenig zu jener Reformation beigetragen hat, die 1615 ihr hundertjähriges Jubiläum beging. Zumal auch Luther in seinem Wappen eine Rose und ein Kreuz hatte.«

»Wie einfallsreich.«

»Was willst du, sollte Luther vielleicht eine brennende Giraffe oder eine zerfließende Uhr in sein Wappen tun? Jeder ist ein Kind seiner Zeit. Ich habe kapiert, wessen Sohn ich bin, also sei still und lass mich weiterlesen. Um 1604 finden die Rosenkreuzer, während sie einen Teil ihres geheimen Palastes oder Schlosses restaurieren, einen Stein mit einem großen Nagel drin. Sie ziehen den Nagel raus, ein Teil der Mauer fällt runter, es erscheint eine Tür, und auf der steht in großen Lettern geschrieben: POST CXX ANNOS PATEBO...«

Obwohl ich die Formel aus dem Brief von Belbo kannte, rief ich unwillkürlich: »Mein Gott!«

»Was ist?«

»Das klingt ja wie ein Dokument der Templer, das ich ... Eine Geschichte, die ich dir nie erzählt habe, von einem gewissen Oberst ...«

»Na und? Die Templer haben halt von den Rosenkreuzern abgeschrieben.«

»Aber die Templer waren vorher da.«

»Na dann haben halt die Rosenkreuzer von den Templern abgeschrieben.«

»Liebling, ohne dich wäre ich verloren.«

»Liebling, dich hat dieser Agliè ganz verdorben. Du erwartest dir eine Offenbarung.«

»Ich? Ich erwarte mir gar nichts.«

»Na Gott sei Dank, hüte dich vor dem Opium der Völker.«

»El pueblo unido jamás será vencido.«

»Mach du dich nur lustig. Lies weiter, lass mich hören, was diese Kretins gesagt haben.«

»Diese Kretins haben alles in Afrika gelernt, hast du das vergessen?«

»In Afrika waren sie damals schon dabei, uns einzupacken und hierherzuverschicken.«

»Dank dem Himmel dafür. Du hättest in Pretoria zur Welt kommen können.« Ich küsste sie und fuhr fort: »Hinter der Tür entdecken sie eine Grabkammer mit sieben Seiten und sieben Ecken, wunderbarerweise erleuchtet von einer künstlichen Sonne. In der Mitte ein runder Altar, geschmückt mit diversen Figuren und Schriften, vom Typus NEQUAQUAM VACUUM ...«

» Ne quà quà? Gezeichnet Donald Duck?«

»Das ist Latein, schon mal davon gehört? Heißt soviel wie: ›Es gibt kein Vakuum.‹«

»Na Gott sei Dank, stell dir vor, wie grässlich sonst.«

»Machst du mir bitte den Ventilator an, animula vagula blandula?«

»Aber es ist doch Winter.«

»Für euch von der falschen Hemisphäre, mein Schatz. Wir haben Juli, also bitte sei so lieb und mach mir den Ventilator an — nicht weil ich der Mann bin, sondern weil er auf deiner Seite ist. Danke... Also, unter dem Altar finden sie den unversehrten Leichnam ihres Gründers. In der Hand hält er ein Liber T, angefüllt mit unendlicher Weisheit, nur leider darf die Welt sie nicht erfahren — sagt das Manifest —, sonst gulp, wow, brr, sguisssh!«

»Au!«

»Sag ich doch. Am Ende verspricht das Manifest einen ungeheuren Schatz, der noch ganz zu entdecken ist, und wunderbare Enthüllungen über das Verhältnis von Makro- und Mikrokosmos. Glaubt nicht, wir wären billige Alchimisten und würden euch lehren, wie man Gold macht. Das ist was für kleine Gauner, wir wollen mehr und zielen höher, in jeder Hinsicht. Wir verbreiten diese Fama hier in fünf Sprachen, zu schweigen von der Confessio, demnächst in diesem Theater. Wir warten auf Reaktionen und Urteile von Gelehrten und Ignoranten. Schreibt uns, ruft uns an, sagt uns eure Namen, und wir werden sehen, ob ihr würdig seid, an unseren Geheimnissen teilzuhaben, von denen dies hier nur eine blasse Kostprobe war. Sub umbra alarum tuarum Iehova.«

»Was?«

»Unter dem Schatten deiner Flügel, Jehova. Das ist die Schlussformel. Ende der Durchsage. Kurz und gut, es scheint, als wären de Rosenkreuzer ganz wild darauf, ihr Wissen mitzuteilen, und warteten nur auf den richtigen Gesprächspartner. Aber sie verraten kein Wort von dem, was sie wissen.«

»Wie dieser Typ auf dem Foto neulich, mit diesem Inserat in der Illustrierten, die wir im Flugzeug gesehen haben: Wenn Sie mir zehn Dollar schicken, verrate ich Ihnen, wie man Millionär wird.«

»Aber der lügt nicht. Der hat das Geheimnis entdeckt. Wie ich.«

»Hör mal, lies lieber weiter. Scheint ja, als hättest du mich noch nie gesehen.«

»Es ist immer, als wär's das erste Mal.«

»Um so schlimmer. Ich lass' mich nicht mit dem Erstbesten ein. Aber sag mal, ist es möglich, dass gerade du immer alle findest? Erst die Templer, dann die Rosenkreuzer? Hast du nie, was weiß ich, Plechanow gelesen?«

»Nein, ich warte noch, bis sie sein Grab finden, vielleicht in hundertzwanzig Jahren. Wenn Stalin ihn nicht mit dem Bulldozer begraben hat.«

»Blödmann! Ich geh ins Bad.«

30

Daß auch die gantze Christenheit mit solchen Köpffen hin und wider uberhäufft, gibt uberflissig die genandte Fraternitas Rosae Crucis zu erkennen. Dann als solches Phantasma kaum außgeschlossen, ungeachtet auch deren Fama und Confessio... klärlich bezeuget, das dies allein ein lusus ingenii nimium lascivientis: Weil jedoch darin eine Hoffnung solcher General Reformation gemacht und von vielen seltsamen Künsten, von theils lächerlich, theils unglaublichen Sachen anregung gethan worden, haben sich in allen Landen auch sehr gelehrte und fromme Leut damit so äffen lassen, das sie ihre Dienst und gute Willen, etwan mit Benennung ihrer Namen, angebotten: Etwan solchen verschwigen und beständig dafür gehalten, es werden diese Fratres... den Namen und Ort solcher gutwilligen Clienten in dem Speculo Salomonis oder durch andere Mittel unschwer errahten können.

Christoph von Besold (?), Anhang zu Tommaso Campanella, Von der Spanischen Monarchia, Frankfurt 1623, p. 48

  Danach kam das Beste, und bei Amparos Rückkehr war ich schon imstande, ihr wunderbare Dinge zu vermelden. »Das ist eine unglaubliche Geschichte. Die Manifeste erscheinen in einer Zeit, in der es von Texten dieser Art nur so wimmelt, alle suchen nach einer Erneuerung, einem Goldenen Zeitalter, einem Schlaraffenland des Geistes. Die einen schmökern in magischen Texten, die anderen schmelzen Metalle, die dritten befragen die Sterne, die vierten entwickeln Geheimschriften und Universalsprachen. In Prag verwandelt Kaiser Rudolf II. den ganzen Hof in ein Alchimistenlabor, lädt Comenius ein und John Dee, den Astrologen des englischen Hofes, der alle Geheimnisse des Kosmos auf den wenigen Seiten einer Monas Ieroglyphica enthüllt hat. Rudolfs Leibarzt Michael Maier schreibt ein Buch über visuelle und musikalische Embleme, betitelt Atalanta Fugiens, ein Fest von Drachen, die sich in den Schwanz beißen, Eiern der Weisen und Sphingen, nichts ist lichtvoller als die geheime Zahl, alles ist Hieroglyphe für irgendwas anderes. Stell dir vor, Galileo wirft Steinchen vom Schiefen Turm zu Pisa, Richelieu spielt Monopoly mit halb Europa, und dort laufen sie alle mit aufgerissenen Augen umher, um die Signaturen der Welt zu entziffern: Erzählt mir doch, was ihr wollt, von wegen Schwerkraftgesetze, hier drunter (oder eher: hier drüber) steckt was ganz anderes. Nämlich? Abrakadabra ... Torricelli konstruierte das Barometer, und diese Leute veranstalteten Ballette, Wasserspiele und Feuerwerke im Hortus Palatinus zu Heidelberg. Und derweil stand der Dreißigjährige Krieg kurz vor dem Ausbruch.«

»Wer weiß, wie froh Mutter Courage darüber war.«

»Aber auch ihnen ging's nicht immer gut. Der pfälzische Kurfürst nimmt 1619 die Krone von Böhmen an, wahrscheinlich weil er vor Sehnsucht verging, in Prag, der magischen Stadt, zu regieren, doch ein Jahr später schlagen ihn die Habsburger am Weißen Berg, in Prag werden die Protestanten massakriert, dem Comenius wird das Haus angezündet, die Bibliothek verbrannt, die Frau und der Sohn erschlagen, und er flieht von Hof zu Hof, um überall zu wiederholen, wie groß und hoffnungsvoll die Idee der Rosenkreuzer war.«

»Der Ärmste, sollte er sich mit dem Barometer trösten? Aber entschuldige einen Moment, du weißt ja, wir Frauen sind nicht so schnell von Kapee wie ihr: Wer hat denn die Manifeste geschrieben?«

»Tja, das ist das Schöne, man weiß es nicht. Lass mal sehen, kratz mir mal das Rosenkreuz ... nein, zwischen den Schulterblättern, nein, höher, nein, weiter links, ja, da. Also, in diesem deutschen Milieu sind unglaubliche Typen. Zum Beispiel ein gewisser Simon Studion, der eine Naometria schreibt, ein okkultes Traktat über die Maße des Salomonischen Tempels, oder Heinrich Khunrath, der ein Amphitheatrum sapentiae aeternae verfasst, voller Allegorien mit hebräischen Alphabeten und kabbalistischen Höhlen, die wohl die Autoren der Fama inspiriert haben müssen. Diese sind vermutlich Angehörige eines der zahllosen Konventikel von Utopisten der christlichen Wiedergeburt. Gerüchten zufolge ist der Autor ein gewisser Johann Valentin Andreae, ein schwäbischer Pfarrer aus dem Tübinger Stift, der dann ein Jahr später die Chymische Hochzeit des Christian Rosencreutz veröffentlicht, aber die hatte er schon als junger Mann geschrieben, also war ihm die Idee mit den Rosenkreuzern schon lange im Kopf herumgegangen. In seinem Umkreis gibt es aber noch andere Schwärmer, die von einer Republik von Christianopel träumen, vielleicht haben sie sich alle zusammengetan. Scheint allerdings, das sie sich nur einen Jux machen wollten, sie dachten gar nicht daran, die große Konfusion anzurichten, die sie angerichtet haben. Andreae verbringt sein ganzes weiteres Leben damit, zu schwören, dass er die Manifeste nicht verfasst hätte, dass sie in jedem Fall nur ein lusus, ein ludibrium, eine Art Studentenulk gewesen wären, er bringt seine akademische Reputation ins Spiel, erbost sich und sagt, das die Rosenkreuzer, auch wenn es sie gebe, allesamt Hochstapler seien. Vergeblich. Kaum sind die Manifeste erschienen, scheint es, als hätten die Leute auf nichts anderes gewartet. Die Gelehrten aus ganz Europa schreiben tatsächlich an die Rosenkreuzer, und da man nicht weiß, wo sie zu finden sind, schreiben sie offene Briefe, Broschüren, Bücher. Michael Maier veröffentlicht noch im selben Jahr ein Opus namens Arcana arcanissima, in dem er zwar die Rosenkreuzer nicht nennt, aber alle sind überzeugt, das er von ihnen spricht und viel mehr weiß, als er sagen will. Einige prahlen und behaupten, sie hätten die Fama im Manuskript gelesen. Ich glaube nicht, das es damals besonders leicht war, ein Buch herzustellen, noch dazu eins mit Illustrationen, aber Robert Fludd publiziert bereits 1616 (und er schreibt in England und lässt in Leiden drucken, rechne nur mal die Zeit zum Hin- und Herreisen für die Fahnenkorrekturen), eine Apologia compendiaria Fraternitatem de Rosea Cruce suspicionis et infamiis maculis aspersam, veritatem quasi Fluctibus abluens et abstergens, zur Verteidigung der Rosenkreuzer, um sie reinzuwaschen von den Verdächtigungen und ›Schandflecken‹, die man ihnen angehängt habe — und das kann nur heißen, das bereits eine heftige Debatte entbrannt sein musste, hin und her zwischen Böhmen, Deutschland, England und Holland, alles mit reitenden Boten und umherziehenden Gelehrten.«

»Und die Rosenkreuzer selbst?«

»Grabesstille. Post hundertzwanzig annos patebo nix. Hocken schweigend im Vakuum ihres Palastes. Ich glaube, es ist gerade ihr Schweigen, das die Geister erregt. Das sie nicht antworten, heißt, das sie tatsächlich existieren. 1617 schreibt Robert Fludd einen Tractatus apologeticus integritatem societatis de Rosea Cruce defendens, und der Autor eines De naturae secretis von 1618 sagt, der Moment sei gekommen, das Geheimnis der Rosenkreuzer zu lüften.«

»Und lüftet er es?«

»Von wegen. Er macht es noch komplizierter. Denn er entdeckt, das man, wenn man die von den Rosenkreuzern versprochenen 188 Jahre von 1618 abzieht, auf 1430 kommt: das Jahr, in dem der Orden des Goldenen Vlieses gegründet wurde.«

»Und was hat der damit zu tun?«

»Ich kapiere nicht, wie er auf 188 Jahre kommt, weil es 120 sein müssten, aber wenn du mystische Subtraktionen und Additionen machen willst, geht die Rechnung immer auf. Das Goldene Vlies ist jedenfalls das der Argonauten, und ich weiß aus sicherer Quelle, das es was mit dem Heiligen Gral zu tun hat und somit, wenn du erlaubst, auch mit den Templern. Aber damit noch nicht genug. Zwischen 1617 und 1619 gibt Robert Fludd, der offenbar noch fleißiger schrieb als Barbara Cartland, vier weitere Bücher zum Druck, darunter seine Utriusque cosmi historia, eine Art kurze Geschichte des Universums, illustriert, ganz in Rosa und Kreuz. Michael Maier nimmt seinen ganzen Mut zusammen und publiziert sein Opus Silentium post clamores, in dem er behauptet, die Bruderschaft existiere und hänge nicht nur mit dem Orden vom Goldenen Vlies zusammen, sondern auch mit dem Hosenbandorden. Aber er ist zu unbedeutend, um aufgenommen zu werden. Jetzt stell dir vor, wie das die Gelehrten Europas beflügelt! Wenn diese Rosenkreuzer nicht mal einen Maier aufnehmen, müssen sie wirklich ein höchst exklusiver Club sein. Also sind nun alle zu allem bereit, um aufgenommen zu werden. Alle sind bereit zu sagen, das die Rosenkreuzer existieren, alle zu bekennen, das sie nie einen gesehen haben, alle an sie zu schreiben, wie um ein Rendezvous zu fixieren oder um eine Audienz zu bitten, niemand erdreistet sich zu sagen, er sei kontaktiert worden, einige sagen, das der Orden nicht existiert, weil sie nicht kontaktiert worden sind, andere sagen, er existiere gerade, um kontaktiert zu werden.«

»Und die Rosenkreuzer bleiben stumm.«

»Wie die Fische.«

»Mach den Mund auf. Kriegst noch 'ne Mamaya.«

»Mmmm... Unterdessen beginnt der Dreißigjährige Krieg, und Johann Valentin Andreae verfasst eine Schrift namens Turris Babel, um zu verkünden, das binnen Jahresfrist der Antichrist besiegt sein werde, und ein gewisser Irenäus Agnostus schreibt ein Tintinnabulum sophorum... «

»Hübscher Titel, tintin.«

»... wobei ich nicht ganz kapiere, was er darin sagt, aber sicher ist, das dann Tommaso Campanella oder wer immer für ihn in der deutschen Ausgabe seiner Monarchia Hispanica interveniert und die ganze Rosenkreuzergeschichte zu einem Divertissement perverser Hirne erklärt... Und danach ist Schluss, zwischen 1621 und 1623 schweigen alle.«

»Einfach so?«

»Einfach so. Sind wohl müde geworden. Wie die Beatles. Allerdings nur in Deutschland. Denn die Sache sieht aus wie die Geschichte einer Giftwolke. Sie verlagert sich nach Frankreich. Eines schönen Morgens im Jahre 1623 erscheinen an den Mauern in Paris Plakate einer »Confraternité de la Rose-Croix«, die den braven Bürgern mitteilen, das die Deputierten des Hauptkollegiums der Brüderschaft sich dorthin transferiert hätten und bereit seien, Mitglieder aufzunehmen. Doch einer anderen Version zufolge sagen die Plakate klar und deutlich, das es sich um sechsunddreißig Unsichtbare handle, die in Sechsergruppen durch die Welt verstreut seien und die Macht hätten, ihre Adepten unsichtbar zu machen... Tzz tzz, schon wieder die Sechsunddreißig... «

»Wer?«

»Die aus meinem Templerdokument.«

»Fantasielose Leute. Und dann?«

»Und dann kommt es zu einem kollektiven Wahn. Die einen verteidigen sie, die anderen wollen sie kennenlernen, wieder andere behaupten, sie betrieben Satanismus, Alchimie, Häresie mit dem Teufel Astarotte, der eingreife, um sie reich und mächtig zu machen, und fähig, sich im Fluge von einem Ort zum anderen zu begeben... Mit einem Wort — der Skandal des Tages.«

»Raffiniert, diese Rosenkreuzer. Nichts ist so gut wie eine Lancierung in Paris, um in Mode zu kommen.«

»Scheint, das du recht hast, denn hör zu, was passiert — mein Gott, was für eine Epoche! Descartes höchstpersönlich war in den Jahren zuvor in Deutschland gewesen und hatte nach ihnen gesucht, aber sein Biograf sagt, er hätte sie nicht gefunden — na ja, sie liefen ja auch unter falschen Namen herum. Als er nach Paris zurückkommt, nach dem Auftauchen der Plakate, erfährt er, das alle ihn für einen Rosenkreuzer halten. Bei der herrschenden Stimmung war das keine gute Empfehlung und missfiel auch seinem Freund Mersenne, der bereits aus vollen Rohren gegen die Rosenkreuzer tönte und sie als Betrüger, Umstürzler, Zauberer, Kabbalisten und Brunnenvergifter traktierte. Was also macht der gute Descartes? Er lässt sich überall sehen, wo er nur kann. Und da alle ihn sehen und es nicht zu leugnen ist, kann er kein Unsichtbarer sein, und ergo ist er kein Rosenkreuzer.«

»Das nennt man Methode.«

»Natürlich war's mit dem Abstreiten nicht getan. Denn so wie die Dinge inzwischen lagen, wenn einer daherkam und sagte, Guten Tag, ich bin ein Rosenkreuzer, dann bedeutete das, das er keiner war. Ein Rosenkreuzer, der auf sich hält, sagt nicht, das er einer ist. Im Gegenteil, er streitet es lauthals ab.«

»Aber man kann doch nicht sagen, wer sagt, er wäre kein Rosenkreuzer, ist einer. Denn auch ich sage dir, das ich keiner bin, und deswegen kannst du noch lange nicht sagen, ich wäre einer.«

»Aber es abzustreiten ist schon verdächtig.«

»Nein. Denn was macht ein Rosenkreuzer, wenn er kapiert, das die Leute dem, der sagt, das er einer ist, nicht glauben, und den, der sagt, das er keiner ist, verdächtigen? Er fängt an zu sagen, das er einer ist, um sie glauben zu machen, er wäre keiner.«

»Du sagst es. Also müssten von jetzt an alle, die sagen, sie wären Rosenkreuzer, lügen und somit tatsächlich welche sein! Ah, nein, Amparo, nein, lass uns nicht in ihre Falle gehen. Sie haben ihre Spione überall, sogar hier unter diesem Bett, und daher wissen sie jetzt, das wir Bescheid wissen. Also sagen sie, das sie keine sind.«

»Liebling, jetzt habe ich Angst«

»Sei ruhig, Liebling, ich beschütze dich ja. Schau, ich bin dumm, und wenn sie sagen, sie wären keine, dann glaube ich, das sie welche sind, und so entlarve ich sie sofort. Ein entlarvter Rosenkreuzer ist ungefährlich, du kannst ihn zum Fenster rausjagen, indem du einfach mit der Zeitung wedelst«

»Und Agliè? Er will uns glauben machen, er sei der Graf von Saint-Germain. Natürlich, damit wir glauben, er wäre es nicht. Also ist er ein Rosenkreuzer. Oder?«

»Hör zu, Amparo, wollen wir nicht schlafen?«

»Ah, nein, jetzt will ich das Ende hören!«

»Allgemeine Verpanschung. Alle werden zu Rosenkreuzern. 1627 erscheint das Neue Atlantis von Francis Bacon, und die Leser denken, er spreche vom Land der Rosenkreuzer, obwohl er sie nirgends erwähnt. Der arme Johann Valentin Andreae schwört noch auf dem Totenbett, das er's nicht gewesen sei, oder wenn doch, das es nur ein Spaß war, aber nun ist nichts mehr zu machen. Begünstigt von der Tatsache, das sie nicht existieren, sind die Rosenkreuzer überall.«

»Wie Gott.«

»Jetzt wo du mich darauf bringst.. Schauen wir mal: Matthäus, Lukas, Markus und Johannes sind eine Bande von Spaßvögeln, die sich irgendwo zusammentun und beschließen, einen Erzählwettbewerb zu veranstalten. Sie erfinden einen Typ, legen ein paar essenzielle Daten fest, und los geht's, den Rest kann jeder frei ausgestalten, mal sehen, wer's am besten macht. Dann landen die vier Erzählungen in den Händen von Freunden, die anfangen, sie gelehrt zu interpretieren: Matthäus ist ziemlich realistisch, aber er insistiert zu sehr auf der Geschichte mit dem Messias, Markus ist nicht schlecht, aber ein bisschen konfus, Lukas ist elegant, das muss man ihm lassen, Johannes übertreibt es mit der Philosophie... Aber alles in allem gefallen die Bücher, sie gehen von Hand zu Hand, und als die vier merken, was los ist, ist es zu spät — Paulus ist Jesus schon auf dem Weg nach Damaskus begegnet, Plinius beginnt seine Untersuchung im Auftrag des besorgten Kaisers, eine Legion von apokryphen Autoren gibt vor, noch mehr darüber zu wissen... toi, apocryphe lecteur, mon semblable, mon frère... (du, apokrypher Leser, meinesgleichen, mein Bruder [vgl. Baudelaire: hypocrite lecteur, mon semblable, mon frère]). Petrus steigt die Sache zu Kopf, er nimmt sich ernst. Johannes droht, die Wahrheit zu sagen, Petrus und Paulus lassen ihn verhaften und verbannen ihn auf die Insel Patmos, der Ärmste fängt an, weiße Mäuse zu sehen, beziehungsweise Heuschrecken auf der Bettkante — bringt endlich diese Posaunen zum Schweigen, woher kommt all dieses Blut.. Die andern sagen, er wäre betrunken, es sei die Verkalkung... Und wenn es nun wirklich so gelaufen wäre?«

»Es ist so gelaufen. Lies mal Feuerbach statt deiner alten Schwarten.«

»Amparo, es dämmert schon.«

»Wir sind verrückt.«

»Aurora, die rosenkreuzfingrige, streichelt zärtlich über die Wogen ...«

»Ja, gut so. Es ist Yemanjá. Fühlst du? Sie kommt.«

»Mach mir ludibria ...«

»O Tintinnabulum!«

»Du bist meine Atalanta Fugiens ...«

»O Turris Babel ...«

»Ich will die Arcana Arcanissima, das Goldene Vlies, bleich und rosa wie eine Meeresmuschel ...«

»Psst... Silentium post clamores.«

31

Il est probable que la plupart des prétendus Rose-Croix, communément désignés comme tels, ne furent véritablement que des Rosicruciens... on peut même être assuré qu’ils ne l’étaient point, etcela du seul fait qu’ils faisaient partie de telles associations, ce qui peut sembler paradoxal etmême contradictoire à première vue, mais est pourtant facilement compréhensible...

(Es ist wahrscheinlich, daß die Mehrheit der vorgeblichen [echten und alten] Rosenkreuzer, die gemeinhin als solche bezeichnet werden, in Wahrheit bloß [späte und falsche] Rosenkreuzer waren... Man kann sogar sicher sein, daß sie in keiner Weise echt waren, aus dem einfachen Grunde, daß sie zu solchen Vereinigungengehörten, was auf den ersten Blick paradox erscheinen mag, aber dennoch leicht zu verstehen ist...)

René Guénon, Aperçus sur finitiation, Paris, Editions Traditi-onnelles, 1986, p. 241

  Wir fuhren zurück nach Rio, und ich begann wieder zu arbeiten. Eines Tages entnahm ich einer Illustrierten, dass es in der Stadt einen »Alten und Angenommenen Orden vom Rosenkreuz« gab. Ich schlug Amparo vor, uns den einmal anzusehen, und sie folgte mir widerwillig.

Die Adresse war in einer Nebenstraße, außen befand sich eine Vitrine mit Gipsfiguren, die Cheops, Nofretete und die Sphinx darstellten.

Gerade für diesen Nachmittag war eine Plenarsitzung anberaumt. Thema: »Die Rosenkreuzer und der Umbanda.« Redner ein gewisser Professor Bramanti, Referendar des Ordens in Europa, Geheimer Ritter des Großpriorats In Partibus von Rhodos, Malta und Thessaloniki.

Wir beschlossen hineinzugehen. Die Räumlichkeit wirkte eher verwahrlost, ein karger Saal, dekoriert mit tantrischen Miniaturen, auf denen die Schlange Kundalini zu sehen war, dieselbe, welche die Templer mit dem Kuss auf den Hintern zu wecken gedachten. Wozu den Atlantik überqueren, dachte ich, um eine neue Welt zu entdecken, wenn ich dieselben Dinge auch im Büro von Picatrix hätte finden können.

Hinter einem mit rotem Tuch verhängten Tisch und vor einem eher dünn gesäten und schläfrigen Publikum saß der Professor Bramanti, ein korpulenter Herr, der, wäre er nicht so massig gewesen, leicht als Tapir hätte durchgehen können. Er hatte schon angefangen zu reden, mit vollmundiger Rhetorik, aber noch nicht lange, denn er sprach über die Rosenkreuzer zur Zeit der achtzehnten Dynastie, unter der Herrschaft des Pharao Amosis I.

Vier Verschleierte Herren, erklärte er, wachten über die Evolution der Rasse, die fünfundzwanzigtausend Jahre vor der Gründung von Theben die Kultur der Sahara hervorgebracht habe. Von ihnen beeinflusst, habe der Pharao Amosis eine Große Weiße Bruderschaft gegründet, als Hüterin jener vorsintflutlichen Weisheit, welche die alten Ägypter in den Fingerspitzen hatten. Er sei im Besitz von Dokumenten, behauptete Bramanti (natürlich unzugänglich für die Profanen), welche zurückgingen auf die Weisen des Tempels von Karnak und ihre geheimen Archive. Das Symbol der Rose und des Kreuzes sei dann von Pharao Echnaton ersonnen worden. Es gebe jemanden, der den Papyrus besitze, sagte Bramanti, aber man frage nicht, wer es sei.

Im Schoße dieser Großen Weißen Bruderschaft seien sodann herangewachsen: Hermes Trismegistos (dessen Einfluss auf die italienische Renaissance ebenso unbestreitbar sei wie der auf die Gnosis von Princeton), Homer, die Druiden Galliens, Salomo, Solon, Pythagoras, Plotin, die Essener, die Therapeuten, Josef von Arimathia (der den Gral nach Europa gebracht habe), Alkuin, König Dagobert, Thomas von Aquin, Francis Bacon, Shakespeare, Spinoza, Jakob Böhme, Debussy und Einstein. Amparo flüsterte mir zu, ihr scheinen es fehlten nur noch Nero, Cambronne, Geronimo, Pancho Villa und Buster Keaton.

Was den Einfluß der ursprünglichen Rosenkreuzer auf das Christentum betraf, so begnügte sich der Redner mit dem Hinweis für jene, die sich der Frage noch nie zugewandt hatten, dass es kein Zufall sei, wenn die Legende wolle, dass Jesus am Kreuz gestorben sei.

Die Weisen der Großen Weißen Bruderschaft seien eben dieselben, welche die erste Freimaurerloge gegründet hätten, zurzeit König Salomos. Dass Dante ein Rosenkreuzer und Freimaurer war — wie übrigens auch Thomas von Aquin —, stehe klar und deutlich in seinem Werk geschrieben. In den Gesängen XXIV und XXV des Paradiso fänden sich der dreifache Kuss des Prinzen Rosenkreuz, der Pelikan, die weißen Gewänder (dieselben wie die der vierundzwanzig Greise der Apokalypse) und die drei Kardinaltugenden der Maurerkapitel (Glaube, Hoffnung und Nächstenliebe). Tatsächlich sei die symbolische Blume der Rosenkreuzer (die rosa candida der Gesänge XXX und XXXI) von der römischen Kirche als Figur der Erlösermutter adoptiert worden — daher die Rosa Mystica der Litaneien.

Und dass die Rosenkreuzer das ganze Mittelalter durchzogen hätten, sei nicht nur an ihrer Infiltration der Templer zu ersehen, sondern auch durch noch viel direktere Dokumente belegt. Bramanti zitierte einen gewissen Kiesewetter, der Ende des vorigen Jahrhunderts bewiesen habe, dass die Rosenkreuzer im Mittelalter vier Doppelzentner Gold für den Kurfürsten von Sachsen fabriziert hätten, und er nannte die genaue Seite des 1613 in Straßburg erschienenen Theatrum Chemicum. Nur wenige hätten indes die Templerbezüge in der Sage von Wilhelm Tell bemerkt: Tell schnitzte sich seinen Pfeil aus dem Zweig einer Mistel, einer Pflanze der arischen Mythologie, und er traf den Apfel, das Symbol jenes dritten Auges, das von der Schlange Kundalini aktiviert werde — und man wisse ja, dass die Arier aus Indien kämen, wohin später die Rosenkreuzer gingen, um sich zu verstecken, als sie Deutschland verließen.

Was hingegen die diversen Bewegungen anbetreffe, welche sich, wie kindisch auch immer, auf die Große Weiße Bruderschaft zurückzuführen vorgäben, so anerkenne er, sagte Bramanti, als hinreichend orthodox allenfalls die Rosicrucian Fellowship von Max Heindel, allerdings auch diese nur, weil Alain Kardec sich in ihrem Dunstkreis gebildet habe. Wie jeder wisse, sei Kardec der Vater des Spiritismus gewesen, und aus seiner Theosophie, die den Kontakt mit den Seelen der Verstorbenen behandle, habe sich die Spiritualität des Umbanda gebildet, der Ruhm des hochedlen Brasilien. In dieser Theosophie sei Aum Bandhà ein Sanskritausdruck, der das göttliche Prinzip und die Quelle des Lebens bezeichne. (»Sie haben uns erneut getäuscht«, murmelte Amparo, »nicht mal Umbanda ist ein Wort von uns, es hat vom Afrikanischen bloß den Klang.«)

Die Wurzel sei Aum oder Um, was nichts anderes sei als das Om der Buddhisten, und das sei der Name Gottes in der Sprache Adams gewesen. Um sei eine Silbe, die, richtig ausgesprochen, sich in ein machtvolles Mantra verwandle und harmonische Strömungen in der Seele hervorrufe durch die Siakra oder den frontalen Plexus.

»Was ist frontaler Plexus?«, fragte Amparo. »Eine unheilbare Krankheit?«

Bramanti präzisierte, man müsse stets unterscheiden zwischen den wahren »Rose-Croix«, den Erben der Großen Weißen Bruderschaft, die selbstverständlich geheim blieben, wie jener Alte und Angenommene Orden, den er unwürdigerweise zu vertreten die Ehre habe, und den »Rosicrucianern«, das heiße all denen, die sich aus persönlichen Gründen an der rosenkreuzerischen Mystik inspirierten, ohne darauf ein Recht zu haben. Er empfahl dem Publikum, keinem Rosicrucianer Glauben zu schenken, der sich als Rose-Croix bezeichne.

Amparo murmelte, jeder Rose-Croix sei der Rosicrucianer des anderen.

Schließlich meldete sich ein vorlauter Zuhörer und wollte wissen, wie der Herr Professor behaupten könne, dass sein Orden authentisch sei, wenn er hier das Schweigegebot verletze, das doch so kennzeichnend sei für jeden wahren Adepten der Großen Weißen Bruderschaft.

Bramanti stand auf und sagte: »Ich wusste nicht, dass sich auch hier Provokateure eingeschlichen haben, die im Solde des atheistischen Materialismus stehen. Unter solchen Bedingungen rede ich nicht weiter.« Sprach's und verließ den Raum mit einer gewissen Würde.

Am Abend rief Agliè an, um sich nach unserem Wohlergehen zu erkundigen und uns mitzuteilen, dass wir am nächsten Abend endlich an einem Ritus teilnehmen dürften. Ob ich nicht Lust hätte, in Erwartung des Ereignisses etwas mit ihm trinken zu gehen. Amparo hatte eine politische Zusammenkunft mit ihren Freunden, und so ging ich allein zu dem Treffen.

32

Valentiniani... nihil magis curant quam occultare quod praedicant: si tamen praedicant, qui occultant... Si bona fide quaeres, concreto vultu, suspenso supercilio — altum est — aiunt. Si subtiliter tentes, per ambiguitates bilingues communem fidem affirmant. Si scire te subostendas, negant quidquid agnoscunt... Habent artificium quo prius persuadeant, quam edoceant.

(Die Valentinianer... haben keine größere Sorge als zu verheimlichen, was sie predigen — wenn sie denn predigen, diese Heimlichtuer ... Fragt man sie guten Glaubens, so sagen sie mit hartem Gesicht und hochgezogenen Augenbrauen: »Es ist erhaben.« Versucht man es auf subtile Weise, so beteuern sie mit doppelzüngigen Zweideutigkeiten den gemeinsamen Glauben. Lässt man durchblicken, dass man Bescheid weiß, so streiten sie alles ab, was sie jemals anerkannt hatten ... Ihr Trick ist, dass sie mehr überreden als unterrichten.)

Tertullian, Adversus Valentinianos

  Agliè lud mich in eine Bar ein, wo man noch eine batida zu machen verstand, wie es nur die Uralten konnten. Wir verließen mit wenigen Schritten die Zivilisation Carmen Mirandas, und ich fand mich in einer Spelunke wieder, wo Eingeborene schwarze Glimmstängel rauchten, die fett wie Würste glänzten. Der Tabak war zusammengedreht in Form alter Seemannstaue, man drehte die Taue zwischen den Fingerspitzen, löste breite durchsichtige Blätter ab und rollte sie in öliges Strohpapier ein. Die Dinger mussten oft neu angezündet werden, aber ich begriff, was Tabak gewesen sein musste, als Sir Walter Raleigh ihn entdeckte.

Ich erzählte Agliè von meinem Erlebnis am Nachmittag.

»Nun also auch die Rosenkreuzer? Ihr Wissensdurst ist wahrhaft unersättlich, mein Freund. Aber hören Sie nicht auf diese Narren. Die reden alle von unwiderleglichen Dokumenten, aber keiner hat jemals eins davon vorgezeigt. Ich kenne diesen Bramanti. Er wohnt in Mailand, wenn er nicht gerade durch die Welt reist, um sein Evangelium zu verkünden. Er ist harmlos, aber er glaubt noch an Kiesewetter. Legionen von Rosenkreuzern stützen sich auf jene Stelle im Theatrum Chemicum. Aber wenn Sie nachschlagen — und in aller Bescheidenheit, das Buch steht in meiner kleinen Mailänder Bibliothek —, werden Sie das Zitat nicht finden.«

»Ein Schelm, dieser Herr Kiesewetter.«

»Aber alle zitieren ihn. Denn auch die Okkultisten im neunzehnten Jahrhundert waren Opfer des Positivismus: wahr ist nur, was sich beweisen lässt. Nehmen Sie nur die Debatte über das Corpus Hermeticum. Als es im fünfzehnten Jahrhundert nach Europa kam, sahen Pico della Mirandola, Ficino und viele andere kluge Leute sofort die Wahrheit: Es musste das Werk einer uralten Weisheit sein, älter als die Ägypter, älter sogar als Moses, denn es enthielt Gedanken, die später von Plato und Jesus geäußert wurden.«

»Wieso später? Genauso hat auch Bramanti über den Freimaurer Dante argumentiert. Wenn das Corpus die Ideen von Plato und Jesus wiederholt, muss es doch nach ihnen geschrieben worden sein!«

»Sehen Sie? Auch Sie denken so. In der Tat war dies die Argumentation der modernen Philologen, die ihr noch langatmige Sprachanalysen hinzufügten, um zu zeigen, dass das Corpus zwischen dem zweiten und dritten Jahrhundert unserer Ära entstanden sein müsse. Als wollte man sagen, Kassandra müsse nach Homer geboren sein, weil sie bereits wusste, dass Troja zerstört werden würde. Es ist eine moderne Illusion zu glauben, die Zeit sei eine lineare und zielgerichtete Abfolge, die von A nach B geht. Sie kann auch von B nach A gehen, und die Wirkung kann die Ursache hervorrufen ... Was heißt vorher und nachher? Kommt Ihre wunderschöne Amparo vor oder nach ihren verworrenen Ahnen? Sie ist zu fabelhaft — wenn Sie einem, der ihr Vater sein könnte, ein unvoreingenommenes Urteil erlauben. Also kommt sie vorher. Sie ist der geheimnisvolle Ursprung all dessen, was zu ihrer Erschaffung beigetragen hat.«

»Aber an diesem Punkt ...«

»Das Falsche ist genau der Begriff ›dieser Punkt‹, mein Freund. Die Punkte sind von der Wissenschaft gesetzt worden, nach Parmenides, um zu bestimmen, von wo nach wo sich etwas bewegt. Nichts bewegt sich, und es gibt nur einen einzigen Punkt, den Urpunkt, aus welchem in einem einzigen Augenblick alle anderen Punkte entstehen. Die Naivität der Okkultisten des neunzehnten Jahrhunderts — und derjenigen unserer Zeit — ist, dass sie die Wahrheit der Wahrheit mit den Methoden der wissenschaftlichen Lüge beweisen wollen. Man muss nicht nach der Logik der Zeit räsonieren, sondern nach der Logik der Tradition. Alle Zeiten symbolisieren einander, und folglich gibt es und gab es den unsichtbaren Tempel der Rosenkreuzer zu jeder Zeit, unabhängig von den Strömungen der Geschichte, eurer Geschichte. Die Zeit der letzten Offenbarung ist nicht die Zeit der Uhren. Ihre Zusammenhänge bestimmen sich in der Zeit der ›subtilen Geschichte‹, in der das Vorher und Nachher der Wissenschaften recht wenig zählen.«

»Aber dann sind all diese Leute, die sich für die Ewigkeit der Rosenkreuzer stark machen...«

»Szientistische Narren, denn sie versuchen zu beweisen, was man einfach wissen muss, ohne Beweis. Meinen Sie, dass die Gläubigen, die wir morgen Abend sehen werden, all das beweisen können, was Kardec sie gelehrt hat? Sie wissen, weil sie zum Wissen bereit sind. Hätten wir alle uns diese Sensibilität für das Geheimnis bewahrt, wir wären geblendet von Offenbarungen. Es ist nicht nötig zu wollen, es genügt, sich bereitzuhalten.«

»Aber nun sagen Sie bitte, und entschuldigen Sie, wenn ich banal bin: Existieren die Rosenkreuzer oder nicht?«

»Was heißt existieren?«

»Sagen Sie's.«

»Die Große Weiße Bruderschaft, nennen Sie sie Rosenkreuzer, nennen Sie sie eine spirituelle Ritterschaft, von der die Templer eine vorübergehende Verkörperung waren, ist eine Schar von Weisen, von wenigen, sehr wenigen Auserwählten, die durch die Geschichte der Menschheit zieht, um einen Kern von ewiger Weisheit zu bewahren. Die Geschichte entwickelt sich nicht durch Zufall. Sie ist das Werk der Herren der Welt, denen nichts entgeht. Natürlich schützen sich diese Herren durch das Geheimnis. Und daher, wann immer sich jemand als Herr bezeichnet, oder als Rosenkreuzer oder als Templer, ist er ein Lügner. Die wahren Herren der Welt sind woanders zu suchen.«

»Dann geht also diese Geschichte ewig weiter?«

»So ist es. Und das ist die List der Herren.«

»Aber was wollen sie denn, dass die Leute wissen?«

»Dass es ein Geheimnis gibt. Wozu sonst leben, wenn alles so wäre, wie es erscheint?«

»Und was ist das Geheimnis?«

»Das, was die Offenbarungsreligionen nicht zu sagen gewusst haben. Das Geheimnis ist jenseits.«

33

Les visions sont blanc, bleu, blanc rouge clair; enfin elles sont mixtes ou toutes blanches, couleur de flamme de bougie blanche, vous verrez des étincelles, vous sentirez la chair de poule partout votre corps, tout cela annonce le principe de la traction que la chose fait avec celui qui travaille.

(Die Visionen sind weiß, blau, weiß-hellrot. Schließlich sind sie gemischt oder ganz weiß, von der Farbe der Flamme einer weißen Kerze, ihr werdet die Funken sehen, ihr werdet die Gänsehaut am ganzen Leibe spüren, all das kündigt den Beginn des Auftriebs an, den die Sache mit dem macht, der da arbeitet.)

Papus, Martines de Pasqually, Paris, Chamuel, 1895, p. 92

  Es kam der versprochene Abend. Wie in Salvador holte Agliè uns im Auto ab. Der Terreiro, in dem die Zeremonie oder gira stattfinden sollte, lag in einer eher zentralen Gegend, wenn man von Zentrum sprechen kann in einer Stadt, die sich in Wellen um ihre zahlreichen Hügel bis ans Meer windet, sodass sie von oben gesehen, wenn sie abends erleuchtet ist, wie eine prächtige Mähne mit dunklen Flecken von grindigem Haarausfall aussieht.

»Erinnern Sie sich, heute Abend geht es um den Umbanda. Da wird man nicht von den Orixás besessen, sondern von den Eguns, den Geistern Verstorbener. Und von Exu, dem afrikanischen Hermes, den Sie in Bahia gesehen haben, und von seiner Gefährtin, der Pomba Gira. Der Exu ist eine Yoruba-Gottheit, ein immer zu bösen Scherzen und Streichen aufgelegter Dämon, aber einen Possengott gab es auch in der indianischen Mythologie.«

»Und die Verstorbenen, wer sind die?«

» Pretos velhos und caboclos. Die pretos velhos sind alte afrikanische Weise, die ihre Leute zur Zeit der Deportationen geführt hatten, wie Rei Congo oder Pai Agostinho... Sie erinnern an eine abgemilderte Phase der Sklaverei, in welcher der Neger nicht mehr ein Tier ist und zu einem Freund der Familie wird, einem Onkel, einem Großvater. Die caboclos dagegen sind indianische Geister, jungfräuliche Kräfte, die Reinheit der ursprünglichen Natur. Im Umbanda bleiben die afrikanischen Orixás im Hintergrund, inzwischen restlos mit den katholischen Heiligen gleichgesetzt, und es greifen nur jene Wesen ein. Sie sind es, welche die Trance hervorrufen: Die Tanzenden oder cavalos spüren an einem bestimmten Punkt des Tanzes, dass sie von einem höheren Wesen durchdrungen werden, und verlieren das Bewusstsein ihrer selbst. Sie tanzen weiter, bis das göttliche Wesen sie wieder verlässt, und danach fühlen sie sich besser, erfrischt und gereinigt.«

»Die Glücklichen«, sagte Amparo.

»Ja, sie sind glücklich«, sagte Agliè. »Sie treten in Kontakt mit dem Mutterboden. Bedenken Sie, diese Gläubigen sind entwurzelt worden, ins grauenhafte Gewimmel der Großstadt geworfen, und wie Oswald Spengler sagte: Im Moment der Krise wendet sich das merkantile Abendland wieder an die Welt der Erde.«

Wir kamen an. Von außen sah der Tempel wie ein normales Gebäude aus. Auch hier trat man durch ein Gärtchen ein, ein kleineres als in Bahia, und vor der Tür des barracão, einer Art Lagerschuppen, fanden wir die Statuette des Exu, schon umgeben mit Opfergaben.

Während wir eintraten, zog mich Amparo beiseite: »Ich hab schon alles kapiert. Hast du nicht gehört? Dieser Tapir gestern Nachmittag sprach von einer arischen Epoche, der hier spricht vom Untergang des Abendlandes, von Erde, Blut und Boden, das ist reinster Nazismus!«

»So einfach ist das nicht, mein Schatz, wir sind in einem anderen Kontinent.«

»Danke für die Information. Die Große Weiße Bruderschaft! Sie hat euch dazu gebracht, euren Gott zu verspeisen.«

»Das waren die Katholiken, mein Schatz, das ist nicht dasselbe.«

»Es ist dasselbe, hast du's nicht gehört? Pythagoras, Dante, die Jungfrau Maria, die Freimaurer, alles dasselbe. Alles um uns zu betrügen. Make Umbanda, not love!«

»Also jetzt bist du es, die alles in einen Topf wirft. Lass uns das mal ansehen, komm. Auch das ist Kultur.«

»Es gibt nur eine Kultur: den letzten Priester aufzuhängen an den Gedärmen des letzten Rosenkreuzers!«

Agliè winkte uns hinein. Wenn das Äußere unscheinbar war, so prangte das Innere in flammenden Farben. Es war ein rechteckiger Saal mit einer für den Tanz der cavalos reservierten Zone vor dem Altar an der Rückwand, die durch ein Gitter abgeteilt wurde, hinter dem sich das Podium der Trommler, der atabaques, erhob. Der rituelle Raum war noch leer, während diesseits des Gitters bereits eine dichte Menge wogte, Gläubige, Neugierige, Weiße und Schwarze gemischt, durch die sich die cavalos mit ihren Assistenten, den cambonos, drängten, weiß gekleidet, einige barfuß, andere mit Tennisschuhen. Sofort fiel mir der Altar auf — Pretos velhos, Caboclos mit bunten Federkronen, Heilige, die wie Zuckerhüte aussahen, wären nicht ihre pantagruelischen Dimensionen gewesen, Sankt Georg mit funkelnder Rüstung und scharlachrotem Mantel, die Heiligen Kosmas und Damian, eine Madonna, durchbohrt von Schwertern, und ein schamlos hyperrealistischer Christus mit ausgebreiteten Armen wie der Erlöser auf dem Corcovado, aber farbig bemalt. Es fehlten die Orixás, aber man spürte ihre Präsenz in den Gesichtern der Anwesenden, im süßlichen Geruch des Zuckerbackwerks und im Schweißgeruch all der Transpirationen wegen der Hitze und der Erregung über die bevorstehende Gira.

Es erschien der Pai-de-santo, der sich neben den Altar setzte, wo er einige Gläubige empfing und danach die Gäste, die er mit dichten Schwaden seiner Zigarre parfümierte, segnete und zu einer Tasse Likör einlud wie zu einem raschen eucharistischen Ritus. Wir knieten nieder und tranken. Ich bemerkte, als ich einen Cambono aus einer Flasche einschenken sah, dass es Dubonnet war, aber ich tat, als schlürfte ich ein kostbares Lebenselixier. Auf dem Podium begannen die Atabaques mit dumpfen Schlägen zu trommeln, während die Initiierten einen beschwörenden Hymnus an Exu und die Pomba Gira anstimmten: Seu Tranca Ruas é Mojuba! É Mojuba, é Mojuba! Sete Encruzilhadas é Mojuba! É Mojuba, é Mojuba! Seu Maraboe é Mojuba! Seu Tiriri, é Mojuba! Exu Veludo, é Mojuba! A Pomba Gira é Mojuba!

Es begannen die rituellen Räucherungen, die der Pai-de-santo mit einem Schwenkfässchen vornahm, dem ein schwerer Geruch indianischen Weihrauchs entströmte, wozu er spezielle Gebete an Oxalá und an Nossa Senhora sprach.

Die Atabaques beschleunigten das Tempo, und die Cava- los strömten in den abgeteilten Raum vor dem Altar, um sich dem Zauber der pontos zu überlassen, rhythmischer Strophen, die beim Tanzen im Chor gesungen werden. Die Mehrheit der Tanzenden waren Frauen, und Amparo machte ironische Bemerkungen über die Schwäche ihres Geschlechts (»Nicht wahr, wir sind sensibler«).

Unter den Frauen waren auch einige Europäerinnen. Agliè zeigte uns eine Blondine und sagte, sie sei eine deutsche Psychologin, die seit Jahren zu den Riten komme. Sie habe schon alles versucht, aber wenn man nicht prädisponiert und auserwählt sei, dann sei eben alles umsonst: sie werde nie in Trance fallen. Sie tanzte hektisch, den Blick ins Leere gerichtet, während die Atabaques ihren und unseren Nerven keine Pause gönnten. Scharfe Schwaden erfüllten den Saal, betäubten Aktive und Zuschauer, packten alle — glaube ich, jedenfalls mich — am Magen. Aber ich hatte das schon in den Sambaschulen von Rio erlebt, ich kannte die psychagogische Macht der Musik und des Lärms — dieselbe, der sich unsere Discofieberkranken am Samstagabend unterwerfen. Die blonde Deutsche tanzte mit weit aufgerissenen Augen, erflehte Vergessen mit jeder Bewegung ihrer hysterischen Glieder. Nach und nach fielen die anderen Tänzerinnen in Trance, warfen die Köpfe zurück, bewegten sich weich und fließend, schwammen in einem Meer von Selbstvergessenheit, und sie blieb steif, verkrampft und weinte beinahe, wie eine, die sich verzweifelt bemüht, einen Orgasmus zu kriegen, und sich windet und zuckt und doch trocken bleibt. Sie tat alles, um die Kontrolle über sich zu verlieren, und fand sie doch jeden Augenblick wieder, die arme Teutonin, krank an Wohltemperierten Klavieren.

Unterdessen vollzogen die Auserwählten ihren Sprung ins Leere, ihr Blick wurde stumpf, ihre Glieder erstarrten, sie bewegten sich mehr und mehr automatisch, aber nicht zufällig, denn sie offenbarten die Natur des höheren Wesens, das sie in Besitz genommen hatte: weich und fließend einige, die mit den Händen in Hüfthöhe seitlich ruderten wie beim Schwimmen, andere gebückt mit langsamen Schritten, und die Cambonos kamen und hüllten sie in weiße Tücher, um sie den Blicken der Menge zu entziehen, diese von einem überragenden Geist Berührten...

Manche zuckten am ganzen Körper, die von Pretos velhos Erfüllten stießen dumpfe Laute aus — hum! hum! hum! — und stapften gebeugt voran wie Greise, die sich auf einen Stock stützen müssen, schoben die Unterkiefer vor und bekamen ausgezehrte, zahnlose Gesichter. Die von Caboclos Besessenen stießen grelle Kriegsrufe aus — hiahouuu!! —, und die Cambonos eilten denen zu Hilfe, die der Gewalt des Geschenkes nicht standzuhalten vermochten.

Die Trommler trommelten, der Singsang der Pontos stieg in die rauchgeschwängerte Luft. Ich hatte Amparo untergefasst, und plötzlich spürte ich, wie ihre Hände zu schwitzen begannen, ihr Körper zitterte, ihre Lippen öffneten sich. »Mir ist nicht gut«, sagte sie, »ich möchte raus.«

Agliè bemerkte den Zwischenfall und half mir, sie hinauszubegleiten. Die Abendluft tat ihr gut. »Es ist nichts«, sagte sie. »Ich muss irgendwas gegessen haben. Und dann diese Gerüche, diese Hitze... «

»Nein«, sagte der Pai-de-santo, der uns gefolgt war. »Es ist, weil Sie mediale Eigenschaften haben. Sie haben gut auf die Pontos reagiert, ich habe Sie beobachtet.«

»Schluss damit!« rief Amparo und fügte ein paar Worte in einer mir unbekannten Sprache hinzu. Ich sah den Pai-de-santo erbleichen, oder grau werden, wie es in den alten Abenteuerromanen heißt, wenn Dunkelhäutige erbleichen. »Schluss, mir ist schlecht, ich hab was Falsches gegessen... Bitte, lasst mich ein bisschen frische Luft schnappen, geht ihr wieder rein. Ich warte hier draußen, ich bin nicht krank!«

Wir gaben nach und ließen sie draußen, aber als ich wieder hineinkam, nach der Unterbrechung im Freien, wirkten die Trommeln, die schwere Luft, der scharfe Schweißgeruch, der jetzt allen Leibern entströmte, wie ein Schluck Alkohol auf einen, der nach langer Abstinenz wieder zu trinken anfängt. Ich fasste mir an die Stirn, und ein alter Mann reichte mir ein agogõ, ein kleines vergoldetes Instrument, eine Art Triangel mit Schellen, die man mit einem metallenen Stäbchen schlug. »Steigen Sie aufs Podium«, sagte er. »Spielen Sie, das wird Ihnen guttun.«

Es lag eine homöopathische Weisheit in diesem Rat Ich schlug das Agogõ, bemüht, mich dem Rhythmus der Trommeln anzupassen, und langsam trat ich in das Geschehen ein, wurde ein Teil davon, beherrschte es durch Teilnahme, vertrieb meine innere Anspannung durch Bewegungen meiner Beine und Füße, befreite mich von dem, was mich umgab, indem ich es provozierte und ermunterte. Später sagte Agliè mir einiges über den Unterschied zwischen Erkennen und Erleiden.

Während die Medien nach und nach in Trance fielen, führten die Cambonos sie an die Ränder des Saales, ließen sie niedersitzen und boten ihnen Zigarren und Pfeifen an. Diejenigen Gläubigen, denen kein Besuch zuteil geworden war, strömten herbei, knieten vor ihnen nieder, flüsterten ihnen ins Ohr, hörten auf ihre Ratschläge, empfingen ihren wohltuenden Einfluß, ergossen sich in Bekenntnissen und gewannen daraus Erleichterung. Einige deuteten einen Anflug von Trance an, den die Cambonos maßvoll ermunterten, um sie dann entspannter in die Menge zurückzuführen.

Auf der Tanzfläche bewegten sich noch viele Kandidaten für die Ekstase. Die Deutsche zuckte krampfhaft in der Hoffnung, verzückt zu werden, aber vergeblich. Einige waren offensichtlich von Exu gepackt worden: Sie zeigten einen bösen, tückischen, hinterhältigen Ausdruck und bewegten sich ruckhaft voran.

Da aber sah ich Amparo.

Heute weiß ich, dass Chessed nicht nur die Sefirah der Gnade und der Liebe ist. Wie Diotallevi sagte, ist sie auch der Moment der plötzlichen Expansion des göttlichen Wesens, das sich ausdehnt zu seiner unendlichen Peripherie. Sie ist Sorge der Lebenden für die Toten, aber irgendwer muss auch gesagt haben, dass sie zugleich Sorge der Toten für die Lebenden ist.

Ich hatte, während ich das Agogõ schlug, nicht mehr auf das Geschehen im Saal geachtet, da ich ganz darauf konzentriert war, meine Selbstkontrolle zu artikulieren und mich der Musik zu überlassen. Amparo musste schon vor einer Weile wieder hereingekommen sein, und sicher hatte sie dieselbe Wirkung verspürt wie ich zuvor. Aber niemand hatte ihr ein Agogõ gegeben, und vielleicht hätte sie nun auch keins mehr gewollt. Von tiefen inneren Stimmen gerufen, hatte sie jeden Abwehrwillen abgelegt.

Ich sah sie mitten auf die Tanzfläche stürmen, plötzlich innehalten, das Gesicht unnatürlich emporgereckt, den Hals fast starr, dann selbstvergessen sich einer lasziven Sarabande überlassen, mit Handbewegungen, als wollte sie ihren Körper anbieten. A Pomba Gira, a Pomba Gira! riefen einige, froh über das Wunder, denn an diesem Abend hatte sich die Teufelin noch nicht manifestiert: O seu manto é de veludo, rebordodo todo em ouro, o seu garfo é de prata, muito grande é seu tesouro... Pomba Gira das Almas, vem toma cho cho...

Ich wagte nicht einzugreifen. Vielleicht beschleunigte ich die Schläge mit meinem metallenen Stäbchen, um mich körperlich mit meiner Geliebten zu vereinigen, oder mit dem chthonischen Geist, den sie verkörperte.

Die Cambonos nahmen sich ihrer an, streiften ihr das rituelle Gewand über, stützten sie, als sie aus ihrer kurzen, aber intensiven Trance erwachte, und führten sie zu einer Sitzbank, wo sie schweißüberströmt und keuchend Platz nahm. Sie weigerte sich, die Gläubigen zu empfangen, die herbeigeströmt kamen, um Orakel von ihr zu hören, und fing an zu weinen.

Der Ritus ging langsam zu Ende, ich verließ das Podium und lief rasch zu ihr hinüber. Agliè war schon bei ihr und massierte ihr sanft die Schläfen.

»So eine Schande!« jammerte sie. »Ich glaube nicht dran, ich wollte es nicht, aber was konnte ich machen?«

»Kommt vor, kommt vor«, sagte Agliè beruhigend.

»Aber dann gibt's keine Rettung«, schluchzte Amparo. »Ich bin immer noch eine Sklavin... Geh weg, du!« fuhr sie mich an. »Ich bin 'ne dreckige arme Negerin, gebt mir einen Herrn, ich verdien's nicht besser!«

»Das ist auch den blonden Achäern passiert«, tröstete sie Agliè. »Das ist die menschliche Natur... «

Amparo bat, zur Toilette geführt zu werden. Die Zeremonie war so gut wie beendet. Nur die Deutsche tanzte noch mitten im Saal, nachdem sie mit neidischen Blicken verfolgt hatte, wie es Amparo ergangen war. Aber sie bewegte sich nur noch verbissen.

Amparo kam nach zehn Minuten zurück, als wir andern uns schon von dem Pai-de-santo verabschiedeten, der sich hocherfreut zeigte über den großartigen Erfolg unseres ersten Kontakts mit der Welt der Toten.

Agliè fuhr schweigend durch die nun schon tiefe Nacht und wollte sich gleich verabschieden, als er vor unserem Hause hielt. Amparo sagte jedoch, sie würde lieber allein hinaufgehen. »Mach noch ein paar Schritte«, schlug sie mir vor, »und komm zurück, wenn ich schon schlafe. Ich werde eine Tablette nehmen. Entschuldigt mich, alle beide. Ich hab's ja gesagt, ich muss was Schlechtes gegessen haben. Alle diese Mädchen haben was Schlechtes gegessen und getrunken. Ich hasse mein Land. Gute Nacht«

Agliè verstand mein Unbehagen und schlug mir vor, noch in eine Bar an der Copacabana zu gehen, die die ganze Nacht über offen hatte.

Wir saßen schweigend da. Agliè wartete, bis ich meine batida zu schlurfen begann, dann brach er das Schweigen und die Verlegenheit.

»Die Rasse, oder die Kultur, wenn Sie so wollen, ist ein Teil unseres Unbewussten. Und ein anderer Teil ist von Archetypen bewohnt die für alle Menschen und alle Zeiten gleich sind. Heute Abend haben Klima und Umgebung in uns allen die Wachsamkeit geschwächt, Sie haben es an sich selbst gemerkt. Amparo hat entdeckt, dass die Orixás, die sie in ihrem Herzen vernichtet zu haben glaubte, noch in ihrem Bauche wohnen. Glauben Sie nicht, ich hielte das für etwas Positives. Sie haben mich respektvoll von diesen übernatürlichen Kräften reden hören, die hier in diesem Lande um uns vibrieren. Aber glauben Sie nicht, dass ich die Praktiken der Ekstase mit besonderer Sympathie sähe. Es ist nicht dasselbe, ob man ein Initiierter oder ein Mystiker ist. Die Initiation, das intuitive Verständnis der Mysterien, die der Verstand nicht zu erklären vermag, ist ein abgründiger Prozess, eine langsame Transformation des Geistes und des Körpers, die zum Erwerb höherer Eigenschaften führen kann und sogar zum Erwerb der Unsterblichkeit, aber sie ist etwas Intimes, Geheimes. Sie manifestiert sich nicht äußerlich, sie ist schamhaft, und vor allem besteht sie aus Luzidität und Distanz. Deswegen sind die Herren der Welt Initiierte, Eingeweihte, aber sie geben sich nicht der Mystik hin. Der Mystiker ist für sie ein Sklave, Ort einer Manifestation des Numinosen, durch welchen die Symptome eines Geheimnisses sichtbar werden. Der Initiierte ermuntert den Mystiker, er bedient sich seiner, wie Sie sich des Telefons bedienen, um Kontakte über Distanzen hinweg herzustellen, wie der Chemiker sich des Lackmuspapiers bedient, um zu erfahren, mit was für einer Substanz er's zu tun hat. Der Mystiker ist nützlich, denn er ist theatralisch, er stellt sich zur Schau. Die Initiierten dagegen erkennen sich nur untereinander. Der Initiierte kontrolliert die Kräfte, die der Mystiker nur erleidet. In diesem Sinne besteht kein Unterschied zwischen der Besessenheit dieser Cavalos und der Ekstase einer heiligen Theresa von Avila oder eines San Juan de la Cruz. Der Mystizismus ist eine degradierte Form des Kontaktes mit dem Göttlichen. Die Initiation dagegen ist das Ergebnis einer langen Askese des Geistes und des Herzens. Der Mystizismus ist ein demokratisches Phänomen, wenn nicht ein demagogisches, die Initiation ist aristokratisch.«

»Eine Sache des Geistes und nicht des Körpers?«

»Ja, in gewissem Sinne. Amparo hat ihren Geist grimmig bewacht und nicht auf ihren Körper geachtet. Die Laien sind schwächer als wir.«

Es war sehr spät geworden. Agliè eröffnete mir, dass er im Begriff stand, Brasilien zu verlassen. Er gab mir seine Adresse in Mailand.

Als ich nach Hause kam, schlief Amparo schon. Ich legte mich schweigend neben sie, ohne Licht anzumachen, und verbrachte die Nacht schlaflos. Mir war, als läge ein unbekanntes Wesen neben mir.

Am nächsten Morgen teilte Amparo mir trocken mit, sie werde nach Petropolis fahren, um eine Freundin zu besuchen. Wir verabschiedeten uns verlegen.

Sie ging davon mit einer Segeltuchtasche und einem Buch über politische Ökonomie unterm Arm.

Zwei Monate lang ließ sie nichts von sich hören, und ich suchte nicht nach ihr. Dann schrieb sie mir einen knappen, sehr allgemein gehaltenen Brief. Schrieb, sie brauche eine Zeit der Besinnung. Ich antwortete nicht.

Ich empfand keinen Schmerz, keinen Groll, keine Sehnsucht. Ich fühlte mich leer, luzide, gereinigt und blank geputzt wie ein Aluminiumtopf.

Ich blieb noch ein weiteres Jahr in Brasilien, aber nun mit dem Gefühl, immer schon halb auf dem Sprung nach Europa zu sein. Ich sah Agliè nicht wieder, ich sah Amparos Freunde nicht wieder, ich verbrachte lange Stunden am Strand, um mich zu sonnen.

Ich ließ Drachen steigen, die da unten sehr schön sind.