171325.fb2 Alarm! -Das Weiberschiff - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 4

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Kapitel 4

Wer erwartet hatte, in Commander Nicholsons Gesicht eine Regung von Bestürzung oder gar Entsetzen feststellen zu können, sah sich getäuscht. Während Doc Blandy begann, seine dicke Nase zu massieren und deutlich, einem Nilpferd gleich, durch Mund und Nase schnaufte, wurde Nicholsons Miene nur noch eckiger und einem verwitterten Stein ähnlich. Cornell, Curtis und Collins standen bleich, in strammer Haltung und in Paradeuniform vor dem Kartentisch. Der junge Leutnant Surakki, der Belucci gefunden hatte, wischte sich völlig unmilitärisch mit dem Handrücken den Schweiß vom Gesicht.

«Wir sollten hingehen«, sagte Blandy endlich, als Nicholson wie ein Stein schwieg.»Ist. der Unfall im Boot schon bekannt?«

«Ich weiß nicht, Sir. «Surakki sah den Commander an.»Auf jeden Fall wissen es die Mörder, oder der Mörder weiß.«

«Eine sehr logische Gedankenleistung!«Dr. Blandy legte die geballten Fäuste gegeneinander. Dann blickte er die anderen Offiziere an und nickte mehrmals stumm.»Ich rate Ihnen, in Zukunft nur mit einer geladenen Pistole ins Bett zu gehen«, sagte er dann.»Und wenn Sie die Weiber bei sich haben, turnen Sie mit ihnen wie der Einarmige herum. eine Hand müssen Sie immer frei haben, um Ihr Leben zu verteidigen. Soweit sind wir also schon auf unserem schönen Boot gekommen.«

«Sir«, sagte Cornell mit einer fast kläglichen Stimme.»Ich — «

«Halten Sie den Mund!«Nicholson fuhr mit der flachen Hand durch die Luft.»Ich verzichte auf alle Erklärungen. Es sind doch nur Lügen! Es gibt für Sie, meine Herren, nur eine Erklärung: Ich hatte vierundneunzig Tage keine Frau, und plötzlich konnte ich eine haben! Das lasse ich gelten! Und darüber unterhalten wir uns noch! Sie sind doch Offiziere, nicht wahr?«

«Sir, mein Unterleib hat keinen Militäreid abgelegt!«sagte Collins frech.

«Der ganze Mensch hat es, Collins!«brüllte Nicholson.»Ihre dämlichen unteren Zentimeter werden vom Gehirn regiert, aber ich habe anscheinend nur noch Verrückte um mich!«Er sah Blandy an.»Wer paßt auf die Weiber auf, Doc?«

«Bill Slingman, Sir!«antwortete Blandy steif.

«Ausgerechnet dieser Bulle!«

«Wissen Sie einen besseren, Sir?«

Nicholson wußte keinen, und deshalb schwieg er.

«Ich habe den Materialraum abgeschlossen, Sir«, sagte Leutnant Su-rakki und legte den Schlüssel auf den Kartentisch.»Ich habe gedacht.«

Dr. Blandy beugte sich vor, nahm den Schlüssel an sich und ließ ihn auf der Handfläche hüpfen. Dabei sah er Nicholson nachdenklich an.

«Ich glaube, es ist zunächst besser, wenn ich allein nachsehe«, sagte er.»Dieser Auftrieb von Offizieren im Materiallager würde auffallen. «Er sah Leutnant Surakki scharf an.»Wissen Sie überhaupt, ob Be-lucci tot ist? Vielleicht ist er nur schwer verletzt und besinnungslos.«

«Mit solch einem Messer im Rücken?«

«Das werde ich gleich wissen.«

Dr. Blandy schloß die Faust um den Schlüssel und rannte aus dem Kommandoraum. Nicholson wartete und schaute auf die Uhr. Er merkte sich die Zeit genau, um später im Bordbuch peinlich genau alles einzutragen. Am soundsovielten um acht Uhr zweiunddreißig wurde der Matrose Belucci ermordet gefunden. Er zuckte zusammen, als die Tür wieder aufgerissen wurde. Dr. Blandy kam zurück, schwitzend, mit hochrotem Gesicht und keuchend wie ein defekter Blasebalg. Er hielt Nicholson den Schlüssel zum Materialraum hin.

«Wirklich tot!«sagte er keuchend.»Ein glatter sauberer Stich genau ins Herz. Der Mörder muß etwas davon verstehen. Jack, es ist schrecklich, so etwas zu sagen!«Er wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß vom Gesicht.»Im Boot ist alles still, die Männer auf ihren Posten. Wenn wir ganz unbefangen zum Lager spazieren.«

Nicholson hob die Schultern. Warum Heimlichkeiten? Hier war ein Mord passiert, und er wollte verdammt sein, wenn er in der nächsten halben Stunde nicht das ganze Boot auf den Kopf stellte! Der Mörder sollte wissen, daß es für ihn keine Chance gab!

«Gehen wir!«Commander Nicholson schnallte seinen Strahlungsmesser an den Gürtel. Dann drückte er auf die Sprechanlage zum Maschinenraum.»McLaren, alle Maschinen stop!«

«Alle Maschinen stop, Sir«, wiederholte der Chief Engineer.»Warum, Sir?«

«Ein Messer liegt im Weg.«

«Ein was, Sir?«

«Später, Chief. «Nicholson stellte die Sprechanlage ab.»Gehen wir.«

Während die Maschinen leer drehten und die POSEIDON I bei einhundertfünfzig Fuß Tiefe im Meer schwankte, gingen Nicholson, Dr. Blandy und Leutnant Surakki durch das Boot zum Materialraum zwei, Abteilung Ersatzteillager. Die anderen Offiziere blieben im Kommandantenraum zurück, zwar nicht mehr in strammer Haltung, aber doch stehend, in Paradeuniform, mit allen Orden und mit dem Gefühl im Leib, das nur ein Satan erzeugen kann: Was ist wichtiger — die Disziplin, oder der weiche, glatte, warme, zitternde Körper eines Mädchens?

Im Boot schien man bereits zu wissen, was geschehen war. Die abgelösten Nachtwachen schliefen wie die Bären, selbst die notorischen Kartenspieler lagen in den Kojen, mit dem Rücken zum Gang. Die diensttuenden Maate und Matrosen in den verschiedenen Abteilungen grüßten mit lauernden Blicken. Eine drückende Stille lag über Mensch und Maschinen.

«Sie wissen etwas!«sagte Dr. Blandy, als sie vor der abgeschlossenen Tür des Ersatzteillagers standen und Leutnant Surakki ein paarmal das Schlüsselloch verfehlte, so sehr zitterte seine Hand.»Das ganze Boot ist eine einzige Verschwörung. Die dreihundert besten Kerle der US-Navy! Zum Teufel! Besteht Amerika nur noch aus Halunken?«

Der Schlüssel war endlich im Schloß, die Tür schwang lautlos auf, in den Angeln bestens geölt. Surakki knipste das Licht an. die erbarmungslose Helle der Neonlampen drang in jeden Winkel des weiten Raumes. Regale mit Plastikkästen, Metallschränke, Schubladen mit Schrauben und Bolzen, Kabelrollen, zerlegte Antriebswellen, Elektrogeräte. ein geordneter Wirrwarr von Material, die technische Apotheke der POSEIDON I. Commander Nicholson blickte sich um. seit der Inspektion seines Bootes in Norfolk betrat er zum erstenmal wieder diesen Teil seines Schiffes. Das Ersatzteillager unterstand dem Obermaat Willcox, das wußte er. Willcox war ein stiller, besonnener Mann, Vietnamkämpfer, Vater von zwei Kindern, Werkzeugmeister und Sammler von Briefmarken. Er schlief noch. Nicholson hatte verboten, ihn zu wecken.

Aber Willcox war wach, saß auf seinem Bett und stierte in die Luft.»So eine Sauerei!«sagte er zum wiederholten Male. Jimmy Porter, der Torpedomaat, saß vor ihm und trank sein fünftes Coca-Cola.»Ausgerechnet bei mir im Ersatzteil. Gab's keinen anderen Ort!«

«Das nächstemal holt sich der Mörder bei dir einen Laufzettel«, sagte Porter giftig.»Abzulegen im Regal sieben.«

«Soll ich dich in die Fresse schlagen?«sagte Willcox dumpf.

«Ich mich auch!«Porter warf die leere Cola-Flasche unters Bett.

«Warum du?«

«Ich habe Belucci noch gesehen.«

Commander Nicholson schloß hinter sich die Tür und blickte sich um. Zum zweitenmal, mit dem gleichen Ergebnis. Er sah nichts.

«Wo liegt er, Leutnant?«fragte er.

«Dort!«Surakki zeigte auf einen Fleck zwischen Regal sieben und acht. Seine Stimme war tonlos geworden.»Dort lag er, Sir! Ich schwöre es! Auf dem Bauch, das rechte Bein angezogen. Im Rücken, zwischen den Schulterblättern, steckte noch das Messer.«

«Sie haben ihn sich ja genau angesehen.«

«Bei der Beleuchtung, Sir!«

Dr. Blandy ging zu dem bezeichneten Fleck, kniete sich nieder und legte die flache Hand auf den mit einer Kunststoff Schicht überzogenen Holzboden.»Er lag tatsächlich hier«, sagte er.

«Noch warm, was?«sagte Nicholson sarkastisch.

«Nein. Kalt und feucht!«Dr. Blandy tippte auf den Boden.»Jemand hat das Blut mit einem nassen Lappen weggewischt. «Er blieb in der Hocke und sah zu Nicholson empor.»Das ist das tollste Ding, das jemals passiert ist, Jack: Auf einem getauchten U-Boot verschwindet eine Leiche!«

«Es ist das verrückteste Ding, Paul!«Nicholson stieß die Tür wieder auf. Es hatte keinen Sinn mehr, den Boden anzustarren.»Auf einem U-Boot kann nichts verschwinden, schon gar nicht eine Leiche! Ein U-Boot kann man übersehen, hier kennt man jeden Winkel, jedes Loch, jede Ritze! Auf jedem Quadratzentimeter ruhen mehrere Augen. ein Mensch kann hier nicht einfach verschwinden! Das ist der entscheidende Fehler des Mörders.«

Sie verließen das Ersatzteillager. Auf sie zu kam Chief McLaren.»Diese Weiber!«sagte er sofort.»Man hört sie toben bis zur Pantry! Ihr Lazarett ist ein Irrenhaus, Doc!«

«Ich weiß!«Blandy lächelte grimmig.»Aber Bill Slingman steht davor, und in Bills Muskeln kann man Atome spalten.«

«Stimmt es?«fragte McLaren vorsichtig.

«Was soll stimmen, Chief?«fragte Nicholson zurück und ließ die Tür zuschnappen.

«Das mit Belucci.«

«Wer hat es Ihnen gesagt?«

«Jede Schraube im Boot flüstert davon, Sir.«

«Ach so!«Nicholson schob McLaren zur Seite und ging weiter.»Ich wußte nicht, daß Ihr Verhältnis zu den Reaktoren so eng ist, daß Sie sogar die Sprache von Eisen verstehen.«

McLaren schwieg. Er wartete, bis Nicholson sich entfernt hatte, dann hielt er Dr. Blandy am Ärmel fest.

«Er ist Gift und Galle, was?«

«Wundert Sie das? Ein Mord auf seinem Musterboot!«

«Davon wird's nicht besser. Außerdem — man kann die Verdächtigen leicht übersehen. Er hat die Auswahl unter Dreihundert. Jeder Kriminalist würde darüber jubeln.«

«Dann jubeln Sie mal, Chief! Ich befürchte, wir haben dreihundert Stumme an Bord, wenn's an die Verhöre geht.«

«Unmöglich!«McLaren blickte Nicholson nach, der zum Hauptgang abbog. Hinter ihm marschierte Leutnant Surakki wie eine aufgezogene Puppe.»Bei diesem Mord gibt es eine Menge Mitwisser.«

«Eben!«Dr. Blandy grinste.»Und nun rennen Sie mal mit der blanken Stirn diese Mauer ein! Wer ist wohl stärker, na?«

«Scheiße!«sagte McLaren aus voller Brust.»Dann könnte ja jeder der Mörder sein!«

«Genau das wollte ich ausdrücken!«Dr. Blandy nickte, machte kehrt und ging mit mächtigen Schritten dem Commander nach.

«Die Leiche ist weg, der Mörder lebt unter uns, jedermann im Boot weiß Bescheid, meine Offiziere bumsen mit den Weibern, jeder von uns ist geladen mit Explosivität. Das ist die Lage!«Nicholson war mit seiner Litanei fertig.

Er stand wieder im Kommandantenraum. Vor ihm, wie behange-ne Säulen, warteten unbeweglich Cornell, Collins und Curtis. Su-rakki war zu Fähnrich Duff in die Leitzentrale gegangen, um den Jungen abzulösen. Er saß brav und tapfer seit zehn Stunden im Nervenzentrum des Bootes und bekämpfte seine Müdigkeit mit schwarzem Kaffee.

«Ich könnte das, was meine Offiziere getan haben, als Meuterei auslegen«, sagte Nicholson völlig ruhig.»Für diesen Fall existieren genaue gesetzliche Vorschriften. Sie kennen sie alle, aber sie sind in unserem Fall nicht anwendbar. Ich kann Sie nicht in Ketten legen, Sie nicht im nächsten Hafen oder auf dem nächsten US-Schiff der Militärpolizei übergeben, ich kann die Fahrt nicht abbrechen und nach Norfolk zurückfahren. Alles das ist unmöglich, weil es uns nicht gibt! Ich kann mich also nur darauf verlassen, daß meine Herren Offiziere trotz des schäumenden Hormonspiegels noch genug Offizier sind, daß sie die Ordnung an Bord aufrechthalten! Stehen Sie bequem.«

«Danke, Sir.«

Curtis, Cornell und Collins gaben ihre statuarische Haltung auf.

«Unsere erste Aufgabe ist es, Belucci zu finden«, fuhr Nicholson fort.»Curtis, Sie stellen dazu einen Suchtrupp zusammen und lassen keinen Winkel des Bootes aus. Cornell, Sie organisieren das Verhör. Ich will jeden meiner Leute hier vor mir haben, einzeln.«

«Aye, aye, Sir. «Cornell grüßte und war froh, so schnell und vorerst schadlos den Kommandantenraum verlassen zu können. Curtis folgte ihm. Er hatte damit gerechnet, daß Nicholson ihm die Leutnantsterne abreißen würde. Chief Navigator Collins verzog sein Pfeifengesicht. Er war nun mit Dr. Blandy und dem Commander allein.»Nun freß ich das also allein aus«, sagte er.»Von mir aus, Sir! Die Nacht mit Dorette war jedenfalls eine Wucht. Die kann mir keiner mehr nehmen.«

«Sie haben allerhand auf dem Buckel, Collins, das stimmt«, sagte Nicholson. Er setzte sich und sah die Seekarte auf dem Tisch an.»Die Verhöre werden ein paar Tage dauern. Vorläufig bleibe ich hier liegen. Aber an die Basis muß ich die täglichen Positionsmeldungen geben. Es wird Ihre Aufgabe sein, Chief, mir stündlich die Positionen anzugeben, auf denen wir sein könnten, wenn wir führen. Und wehe, wenn Ihnen ein Fehler unterläuft!«

«Auf keinen Fall, Sir.«

«Und dann rechnen Sie mit McLaren aus, was die Atommaschinen hergeben, um in schnellster Fahrt die Position zu erreichen, in der wir sein müßten, wenn die Verhöre beendet sind. Ich rechne damit, daß wir drei Tage aufholen müssen.«

«Das ist ein Problem, Sir.«

«Das ist ein Teil der Wiedergutmachung, Chief! Klagen Sie Ihren Unterleib an, nicht mich! Danke.«

Collins grüßte stramm und verließ den Raum. In Tauchfahrt mit voller Kraft drei Tage nachholen, dachte er draußen. Bei diesen Wetterverhältnissen, bei diesem verworrenen Meeresboden. Auf so etwas kann auch nur ein Kerl wie Nicholson kommen.

Dr. Blandy wartete, bis die Tür zugefallen war. Dann holte er aus einem Wandschrank eine Flasche Kognak und goß Nicholson ein Glas ein. Der Commander lächelte. An Bord war strengstes Alkoholverbot. Die Alkoholvorräte waren unter Verschluß wie Diamanten, und nur an Feiertagen gab Nicholson eine Ration frei.

«Woher weißt du, daß ich da etwas versteckt habe?«fragte er.

«Eine Eingebung, Jack. Wenn er was hat, muß es da sein, dachte ich.«

«Hast du noch mehr Eingebungen, Paul?«

«Ja. Zum Beispiel das Gefühl, daß man uns nach Beendigung der

Fahrt den Arsch bis zum Nackenwirbel aufreißt. Uns allen! Und Papa Adam tut's persönlich!«

«Das weiß ich. Das ist keine Eingebung, sondern eine Tatsache.«

«Eingebung Nummer zwei: Du bist in diese Monika Herrmann verliebt wie ein College-Boy! Wenn du könntest, liefest du ohne Hose herum.«

«Du bist ein Ferkel, Paul!«

«Aber ein ehrliches! Wie du aufgeatmet hast, als sie nicht wie die anderen auf Katzentour war! Dieser Luftzug! Man hätte das Boot damit versenken können.«

«Blödsinn!«

«Jack, du bist genauso verrückt nach ihr wie die Boys nach den Puppen. Aber du hast deine Bremse fest angezogen — so fest, daß sie jetzt qualmt. Wenn ihr beide jetzt an Land wäret — «

«Aber wir sind nicht an Land!«schrie Nicholson und sprang auf.»Wir sind auf einem getauchten Atom-U-Boot, dem modernsten und gefährlichsten, das je konstruiert wurde! Eine gewollte oder ungewollte Katastrophe auf diesem Boot kann einen dritten Weltkrieg entfesseln, kann Millionen vernichten, kann Länder und Völker radioaktiv verseuchen! Und nun dieser Wahnsinn! Unser Überleben hängt von fünf mannstollen Mädchen ab… von vier. «Nicholson verbesserte sich sofort und kaute an der Unterlippe.»Paul, wir müssen alles tun, um das Boot sicher an die Basis zurückzubringen. Es muß uns gelingen!«

«Und wenn die Mannschaft durchdreht? Belucci war nur ein Anfang, das ist dir doch klar?«

«Dann versenke ich mich selbst!«Nicholson starrte Dr. Blandy an. Und Blandy wußte, daß das kein billiger Scherz war oder nur ein emotioneller Panzer.»Aber dann werde ich ersaufen mit Monika im Arm!«

«Bravo!«Dr. Blandy klatschte in die ungeheuer großen Hände.»Wenigstens beim Abkratzen bist du ein Mann, und nicht bloß eine hochdekorierte Uniform!«

Das Boot lag wie gelähmt auf der Stelle. Die Positionsmeldung, die Collins an die Basis nach Norfolk gab, direkt zu Admiral Adam, versetzte es allerdings weiter nach Norden, über Island hinaus, im Anmarsch auf den Packeisriegel des Nordpols.

Der Suchtrupp unter Leutnant Curtis war seit vier Stunden im Boot unterwegs, ohne bisher die Leiche Beluccis gefunden zu haben. Einen ausgewachsenen Menschen in einem geschlossenen Stahlkasten, wie es die POSEIDON I war, verschwinden zu lassen, ist ein Kunststück, und der Mörder schien es fertigbekommen zu haben. Was an Verstecken in der Größenordnung eines Mannes möglich war, hatte man mit starken Handscheinwerfern durchleuchtet mit dem Ergebnis, daß man vierzehn Flaschen Whisky und neun Flaschen Gin hervorholte, die trotz aller Kontrollen auf das Boot geschmuggelt worden waren. Soldaten entwickeln da geniale Einfälle. Die Flaschen wurden beschlagnahmt, natürlich ohne Protest, denn die heimlichen Besitzer meldeten sich aus verständlichen Gründen nicht. Nur die Leiche wurde nicht gefunden.

Leutnant Curtis studierte noch einmal den Grundrißplan des Bootes, den McLaren aus dem Stahlschrank herausgegeben hatte — sonst eines der Geheimnisse, das nur ein paar Leute kannten. Und so erfuhr der erstaunte Curtis, daß es auf der POSEIDON einige Winkel und Nischen gab, zu denen versteckte Türen führten und in denen geheime Meßinstrumente noch geheimnisvollere Striche und Kurven auf ein Millimeterpapier zeichneten, was wiederum nur McLa-ren entziffern konnte.

Aber auch hier fand man den toten Belucci nicht, denn wäre er hier gewesen, hätte McLaren selbst als Mörder gelten müssen.

«Gehen wir jetzt davon aus, daß der Mörder den Körper Beluccis zerstückelt hat, um ihn besser verschwinden zu lassen«, sagte Curtis heiser zu seinem Suchtrupp.»Bei Überwasserfahrt hätte er die Teile durchs WC einzeln wegspülen können in die See… aber wir sind unter Wasser, Boys. Hat er Belucci im Lokus verschwinden lassen, muß er sich jetzt in den WC-Tanks befinden, die erst wieder bei Überwasserfahrt ausgepumpt werden. Mit anderen Worten: Wir müssen die Scheißtanks kontrollieren! Wir müssen sie umpumpen und jeden Liter untersuchen. Das aber heißt auftauchen!«

In der Offiziersmesse war unterdessen eine Art Gerichtssaal aufgebaut worden. Hinter einem langen Tisch, bedeckt mit der amerikanischen Fahne, saßen Commander Nicholson, Oberleutnant Cornell, Oberleutnant Hynes, Leutnant Surakki und Leutnant Presslow. Dieser ließ einen Matrosen nach dem anderen zum Verhör vorführen. Eine dicke Bibel lag mitten auf dem Tisch, und jeder, der hereinkam, mußte zuerst die rechte Hand auf die Bibel legen und ein gläubiges Gesicht machen, ehe er reden durfte.

Es stellte sich heraus, daß alle sehr wenig zu sagen wußten. Belucci kannten sie alle, natürlich. wer kannte den netten Jungen aus Sizilien nicht, der so gern von seiner fernen Heimat sang, die er nie gesehen hatte, denn schon sein Großvater war nach den USA ausgewandert. Als er noch lebte, sorgte er für Stimmung im Boot. Jetzt umgab seinen Namen ein tiefes verlegenes Schweigen. Wer gesagt habe, daß er ermordet worden sei? Keiner… das war plötzlich im Boot bekannt, so wie man den Sauerstoff aus den Klimaanlagen einatmete. Niemand hatte es herumgetragen, es flog auf einmal von Mund zu Mund, und es war keiner da, der bestimmen konnte: Er hat's zuerst gesagt. Oder wollte es keiner wissen?

Nicholsons Zorn entlud sich ausgerechnet über den Matrosen Tami Tamaroo, dem freundlichen Hawaiianer, dessen ganze Sehnsucht es war, nach Ende dieses geheimen Auftrages ein Vierteljahr Urlaub in seinem Dorf zu machen.

«Sie haben die Hand auf die Bibel gelegt!«donnerte Nicholson. Tamaroo nickte und schwieg.»Sie haben bei Gott geschworen, die Wahrheit zu sagen! Was wissen Sie? Machen Sie das Maul auf!«

«Ich bin kein Christ, Sir«, antwortete Tamaroo höflich.

«Und wenn Sie Feuerfresser sind. Sie wissen — wie die anderen auch —, warum Belucci ermordet wurde!«

«Nein, Sir.«

Nicholson starrte Tamaroo an. Er hatte diese dumme Frage bewußt gestellt, denn jeder im Boot wußte, warum Belucci ein Messer in den

Rücken bekommen hatte. Als einzigem der Mannschaft war es ihm gelungen, das rothaarige Biest Evelyn Darring den Offizieren wegzuschnappen und unter sich zu ziehen. Wie ihm das Kunststück von der Hand gegangen war, blieb sein Geheimnis. oder wußte es der Mörder? War der Mörder Zeuge? War der Mörder ein Rivale? War der kleine Italiener schneller am Rock der Rothaarigen als der Mörder, der sich ein Anrecht auf diesen weiblichen Körper ausgerechnet hatte? Wenn es so war, dann stand der Täter nicht vor dem Tisch, sondern er saß hinter dem Tisch oder in den einzelnen Befehlsstationen und war — Offizier!

Commander Nicholson legte die geballte Faust auf die Bibel. Tamaroo betrachtete sie wie einen unbekannten Felsstein.

«Sie haben keine Ahnung, Tamaroo?«sagte Nicholson halblaut.»Sie haben nie etwas von einem Streit um die Girls an Bord gehört?«

«Bei uns nicht, Sir. «Tamaroo sah Nicholson offen an.»Warum auch Streit um die Mädchen? Es hieß sofort, als wir sie auffischten: Die sind nur für die Offiziere.«

«Danke, Matrose Tamaroo. Sie können gehen!«sagte der Commander kalt.

Tami Tamaroo grüßte eckig, machte kehrt und verließ die Offiziersmesse. Die Offiziere hinter dem Tisch blickten betreten zur Wand. Die völlige Stille war zentnerschwer, und in diese Stille hinein sagte Nicholson laut:

«Er sagt die Wahrheit! Meine Offiziere sind ein Sauhaufen!«

«Sir!«Oberleutnant Hynes sprang auf. Sein Gesicht, durch eine Narbe verunziert (er war stolz auf sie, denn es war ein >Souvenir< an Nordvietnam), zuckte heftig.»Im Namen aller Offiziere darf ich Ihnen sagen, daß wir.«

«Setzen Sie sich, Hynes!«brüllte Nicholson.»Nur weil Sie Dienst im Raketenleitstand hatten, waren Sie verhindert, eines der Mädchen ins Bett zu nehmen!«

«Wir werden dafür vor Gericht gehen, Commander!«sagte Hynes brüchig. Er zitterte vor Empörung.»Mein erster Gang an Land wird sein — «»Wenn wir jemals Land erreichen, Hynes!«unterbrach ihn Nicholson.»Mein Gott, sind Sie dämlich! Das hier ist kein Boot der US-Navy mehr, das hier ist eine schwimmende Hölle! Oberleutnant Cornell — «

«Sir?«Bernie sprang auf.

«Sie haben mit Miß Hankow geschlafen! Stimmen Sie zu, daß ich die Mädchen in einer Stunde mit ihrem Gummifloß aussetze?«

«Nein, Sir!«

«Na also! Was wollen wir dann?«Nicholson erhob sich resignierend.»Fangen wir also an, oder besser, setzen wir es fort — uns gegenseitig umzubringen. Wegen ein paar gespreizter Schenkel! Himmel, ihr kotzt mich alle an!«

Er stieß seinen Stuhl nach hinten — so heftig, daß er umstürzte. Dann nahm er seine Mütze vom Tisch und verließ die Offiziersmesse.

«Ich setze die Vernehmungen fort«, sagte Bernie Cornell leise, als die anderen Offiziere betreten herumstanden.»Die Anwesenheit der Mädchen an Bord steht jetzt nicht zur Debatte. Unter uns lebt ein Mörder, und jeder von uns sollte ein persönliches Interesse daran haben, nicht das nächste Opfer zu sein.«

«Der nächste wird der sein«, sagte Oberleutnant Hynes,»der die freigewordene Evelyn Darring an sich reißt! Aber darauf ließe ich's ankommen!«

Er grinste, und die anderen Offiziere lächelten. Sie setzten sich wieder. Cornell übernahm jetzt den Vorsitz.

«Der nächste!«schrie er gegen die Tür.»Der nächste verdammte Lügner!«

Dr. Blandy führte unterdessen einen aufreibenden Dreifrontenkrieg: Im Raum zwei des Lazarettes tobten die Mädchen und trommelten mit den Fäusten gegen die Tür. Sie hantierten brutal mit allem irgendwie greifbaren Mobiliar und zerstörten nach und nach systematisch die Krankenstation zwei. Vor der eisernen Tür stand beleidigt der schwarze Riese Bill Slingman, einen Revolver offen im Gür-tel. Er sagte mit Nachdruck:»Doch, ich weiß, wie hysterische Weiber sind. Als ich noch boxte, saßen sie rund um den Ring. Trotzdem, es geht einem schon langsam auf die Nerven, wenn sie dich ständig einen dreckigen Nigger schimpfen.«

Im Nebenraum standen die sieben Sanitäter der POSEIDON I und weigerten sich, den Raum zwei zu betreten, nachdem Lili Petersen dem Sanitätsmaat Blides, der kam, um zu schlichten, einfach die Hose vom Leib gerissen hatte.

«Sie sollten die Weiber rauslassen, Doc!«sagte Blides.»Türen auf und hinein zur Mannschaft. Die kommen zu Ihnen dankbar zurück, auf dem Bauch kriechend. Allein Jimmy Porter.«

«Halt's Maul, du Sau!«sagte Blandy grob.»Schließ die Tür auf!«

«Doc, die wilden Hyänen zerfleischen Sie!«

«Dazu gehört etwas! Tür auf!«

Der Sanitätsmaat schloß die Tür auf. Bill Slingman legte die Hand auf seinen Revolver. Ein schwerer Gegenstand polterte gegen die Tür, begleitet von wildem Gekreisch und grellem Gelächter.

Blandy stieß die Tür auf, stieg über den Nachttisch, der vor der Tür lag, und betrat das Zimmer. Als Slingman einen Blick hineinwerfen wollte, bekam er die Tür gegen die Nase und zog sich brummend zurück.

«Sie sind nackt!«sagte er zu den Sanitätern.»Tatsächlich! So schnell der Doc die Tür zuschlug… ich hab noch 'ne nackte Brust gesehen! Boys, und was für eine!«

Im Zimmer wurde es plötzlich still. Dr. Blandy sah sich um. Monika Herrmann saß ruhig auf ihrem Bett. Es war das einzige heile Bett, die anderen waren in ihre Einzelteile zerlegt und als Wurfwaffen benutzt worden. Die Matratzen waren aufgeschlitzt, zerfetzt. die Schaumgummiflocken lagen auf dem Boden wie bunter Schnee. Die weißlackierten Nachttische, obgleich aus Metall, waren schiefgetreten und verbogen. Mitten im Chaos standen Joan, Lili, Evelyn und Dorette, schwitzend vom Toben und heiß vor lauter Zerstörungswut. Nur Dorette war nackt, die anderen trugen Jeans und Blusen. Sie starrten Dr. Blandy unter zerwühlten Haaren an und schienen nur den Atem anzuhalten, um sich gleich schreiend auf ihn zu stürzen und ihn womöglich zu entmannen.

Dr. Blandy machte eine allumfassende Handbewegung. Er sah aus wie ein unerschütterlicher Riese, aber unter seiner Hirnschale klopfte es verdächtig. Das ist tatsächlich so etwas wie Angst, dachte er. Die verrückten Weiber lehren mich das Gruseln. Ich sollte Sling-mans Revolver holen und sie erschießen. Das wäre die einfachste Lösung. Man kann dreihundert Männer damit retten. nein, nur noch zweihundertneunundneunzig.

«Das ist weibliche Logik«, sagte er mit gewaltigem Stimmaufwand.»Wo wollen Sie denn jetzt schlafen? Glauben Sie nicht, daß Sie neue Betten bekommen! Von jetzt an können Sie meinetwegen auf dem Boden liegen!«

«Ich scheiße auf Ihre Betten!«sagte Lili Petersen ziemlich unfein.

Blandy nickte.»Bitte. Niemand hindert Sie daran. Mich wundert, daß Sie es noch nicht getan haben. Es ist ein beliebtes Spiel der Irren, mit Exkrementen zu schmieren.«

«Sie Mordsferkel!«sagte Dorette Palandre.»Wenn wir wieder zu Hause sind, nehmen euch unsere Väter alle auseinander! Sie und diesen Stock von Commander! Ihr lächerlichen Uniformfurzer!«

«Lernt man das auf dem College, Süße?«sagte Dr. Blandy ruhig.»In der Literaturstunde? Wie vervollständige ich meinen Wortschatz?«Er gab dem Nachttisch zu seinen Füßen einen gewaltigen Tritt. Er flog durch den Raum und knallte wie ein Geschoß gegen die Wand. Die Mädchen zuckten unwillkürlich zusammen.»Um Sie aufzuklären«, fuhr Blandy fort,»sollten Sie wissen, daß die Wände aus Doppelstahl mit einer Isoliereinlage bestehen. Sie können also Tag und Nacht toben. die Wände brechen Sie nicht durch. Auch die Tür nicht. und vor dieser Tür steht unser Bill Slingman.«

«Ein dreckiger Nigger!«schrie Joan Hankow.»Er hat mich angefaßt und ins Zimmer zurückgestoßen. Ein Nigger! Wissen Sie, was dem passiert, wenn ich das meinen Brüdern in Georgia erzähle? Die jagen ihn wie einen tollwütigen Hasen!«

«Dieser Nigger ist einer der höchstdekorierten Soldaten der Navy, siebenmal verwundet und immer dabei, wenn es gilt, der Welt die Ruhe zu bewahren, jene Ruhe, die es Schmarotzern wie Ihnen erlaubt, durch die Welt zu fahren auf Papas Kosten und die ganze schöne Welt zu einem einzigen riesigen Geschlechtsteil zu degenerieren!«

«Sparen Sie sich diese Mühe, Doc!«Monika Herrmann winkte ab.»Sie verstehen es doch nicht.«

«Aber du, was?«schrie Evelyn Darring. Sie schüttelte ihre zerzauste rote Mähne.»Warum bist du eigentlich mitgefahren? Ob Sie's glauben oder nicht, Doc, sie hat während der ganzen Reise nicht einen einzigen Mann im Bett gehabt! Und es waren Kerle darunter! Männer wie du, Doc, du Traum von einem Mann.«

«Ihr Traummann Paolo Belucci hat's nicht überlebt«, sagte Blandy langsam.»Er ist ermordet worden. Das wollte ich Ihnen bloß sagen, meine Damen. Und nun toben Sie weiter. Das entspannt. Guten Tag.«

Ein einziges Schweigen begleitete ihn hinaus. Als er die Tür zuwarf, hörte er noch, wie Evelyn Darring leise aufschrie. Erst jetzt kam ihr voll zum Bewußtsein, was Blandy verkündet hatte. Hinter ihm schloß Sanitätsmaat Blides schnell die Tür zu.

«Wie sollen wir ihnen das Essen bringen, Doc?«fragte er.»Von uns traut sich keiner mehr rein. Die überrennen uns einfach.«

«Sie werden nichts tun, Blides, gar nichts. Sie werden herumsitzen wie nasse Katzen. «Dr. Blandy klopfte dem Maat auf die Schulter.»Wenn das Bumsen mit dem Tod bezahlt werden muß, hört der Spaß bald auf!Wir werden heute eine ruhige Nacht haben.«

Im Kommandantenraum saß Nicholson allein in seinem Ledersessel, als Dr. Blandy eintrat. Im Lautsprecher konnte er das Verhör verfolgen, das Cornell in der Offiziersmesse weiterführte. Es war, als peitsche sich Nicholson damit selbst aus. Mit einem Fingerhieb stellte Blandy die Übertragung ab.

«Sie lügen alle«, sagte Nicholson leise.»Alle! Die Besten der Navy.«

«Vielleicht wollen sie das unter sich ausmachen?«

«Glaubst du?«

«Möglich. «Dr. Blandy setzte sich.»Haben sie Belucci gefunden?«

«Nicht ein Härchen! Curtis ist verzweifelt. Er knobelt mit McLa-ren daran herum, wie man die WC-Tanks auspumpen kann. Das ist kein Problem. nur wohin mit der Scheiße unter Wasser?«

«Ihr glaubt, daß Belucci — «

«Zerstückelt und weggespült — «

«Dazu hatte der Mörder keine Zeit mehr, Jack! Von der Entdeckung bis zu unserem Auftauchen im Ersatzteillager waren kaum zwanzig Minuten vergangen. Die nutzte der Mörder aus, die Leiche wegzuschaffen und den Boden aufzuwischen. Da sollten wir ansetzen! Das ist psychologisch aufschlußreich. Jack… da ist ein Mörder, der trotz des Mordes so vollkommen Matrose bleibt, daß ihn Blutspuren stören und er — aus dem Unterbewußtsein heraus — reines Schiff macht!«

«Er wollte nur die Spuren verwischen, Paul.«

«Wozu? Überleg doch mal, Jack! Die Leiche war entdeckt… da ist es doch gleichgültig, ob sie in einer Blutlache liegt oder auf einem geschrubbten Boden! Aber nein… der Mörder ist so über Jahre hindurch gedrillt, daß die Sauberkeit seines Schiffes ihm über alles geht! Also putzt er auf! Das ist, nimm mir's nicht übel, kein Offiziersdenken mehr… so denkt nur einer aus der Mannschaft. Einer, der tagtäglich putzen muß, den man anbrüllt, wenn irgendwo ein Dreckfleck ist… oder der selbst brüllt, wenn er einen Flecken entdeckt! Auch das hat sich im Boot herumgesprochen… ich selbst habe es in die Luft gefeuert, damit es schnell verbreitet wird… und nun versucht man, in den eigenen Reihen den zu finden, dem man einen solchen Sauberkeitsfimmel zutraut. An diesem Fehler wird sich der Mörder selbst aufhängen! Er weiß das jetzt schon, und je länger er seine suchende Umwelt beobachtet, um so unruhiger wird er werden.«

«Darauf verlasse ich mich nicht. «Nicholson lehnte sich weit zurück und blickte an die mit Plastikmasse gestrichene Decke.»Ich will diese Mauer, zu der sie sich zusammenbauen, aufreißen! Ich überlasse nichts dem Zufall!«

«Und wie willst du diese Mauer einreißen?«

«Durch ihren schwächsten Stein.«

«Wer?«fragte Dr. Blandy kurz.

«Fähnrich Herbert Duff.«

«Er war ununterbrochen in der Zentrale.«

«Nachdem meine Herren Offiziere sich die Damen in die Betten geholt hatten. Aber vorher? Da hat er angeblich geschlafen, bis Curtis ihn weckte und bat, statt seiner die Wache im Turm zu übernehmen. Glaubst du das, Paul? Ich nicht! Jedes U-Boot ist die Wohnung einer großen Familie. Wenn einer rülpst, hören es die anderen auch. Duff weiß mehr, als er sagen will oder kann, und Duff ist das schwache Glied in dieser Kette von Lügen. Ihn reiße ich auf!«

«Wann?«

«Jetzt gleich. Ich habe ihn wecken lassen. Er zieht sich gerade an. «Nicholson erhob sich, nahm die noch immer auf dem Tisch stehende Kognakflasche und versteckte sie wieder im Wandschrank.»Ich verlasse mich nicht auf psychologisch untermauerte Zufälle, Paul… ich schlage zu! Wir haben fünf Mädchen und einen Mörder an Bord, das genügt, um unsere zivilisatorischen Masken abzureißen. Ich lasse mich nicht kaputtmachen. oder aber, wir alle gehen dabei drauf!«

Fähnrich Herbert Duff, der kleine, zierliche Junge, der Tagebuch führte, Briefe an seine Mutter schrieb und sie dann wieder zerriß, nachdem er sich von all seinem Leid befreit hatte, ahnte nicht, was ihm bevorstand, als er frisch rasiert und halbwegs ausgeschlafen sich bei Nicholson meldete. Er erlebte noch den Rest einer Unterhaltung, die der Commander mit dem Admiral führte.

«Es ist alles in Ordnung, Sir«, sagte Nicholson gerade.»Die Mädchen sind befehlsgemäß von Bord. Ich habe sie mit ihrer Gummiinsel ausgesetzt und ein in der Nähe befindliches Schiff, die ARSENA, verständigt. Sie werden nicht länger als drei Stunden auf dem Wasser gewesen sein. Nein, Sir, die Mädchen haben keine Ahnung. Für sie sind wir ein normales Unterseeboot der NATO. Danke, Sir.«

Er schaltete die Sprechanlage ab und sah Duff eine Weile schweigend an. Dr. Blandy rieb sich wieder erregt die dicke Nase.

«Sie haben begriffen, was ich gesagt habe, Herbert?«fragte Nicholson plötzlich.

«Nein, Sir«, antwortete Duff sofort.

«Das ist sehr höflich von Ihnen, aber gelogen!«Nicholson wies auf einen Stuhl. Duff zögerte erstaunt, aber dann setzte er sich. Dafür stand Nicholson auf und kam um den Kartentisch herum. O je, dachte Blandy voller Mitleid mit Duff.Er will ihn vernichten, nur weil er der Schwächste im Boot ist. Das ist ein verdammt widerwärtiges Spiel, aber was bleibt Nicholson anderes übrig, um uns alle zu retten?

«Duff«, sagte Nicholson sanft,»was wissen Sie von Belucci?«

Duffs Körper straffte sich, als zöge jemand innen an einem Seil.»Nichts, Sir. Nur, was wir alle wissen.«

«Duff — ich frage Sie noch einmal, was ist gestern oder heute morgen im Zusammenhang mit Belucci geschehen?«

«Ich habe geschlafen, das heißt, ich hatte Dienst im Turm, Sir.«

«Sie lügen, Duff!«Nicholson beugte sich von hinten über Duff. Er spürte, wie der Mann innerlich zitterte, und sprach weiter mit einer harten, unbarmherzigen Stimme.

«Ich kenne Ihre Mutter, Herbert. Eine Witwe mit einem kleinen Haus in Pennsylvania. Ihr Vater starb an den Folgen einer Kriegsverletzung, die er in Deutschland, in Bayern, erhalten hatte. Ein Splitter wanderte durch die Lunge.«

«Sir, warum.?«Duff begann nun deutlich zu zittern.

«Ihre Mutter legte Dollar auf Dollar zurück, damit Sie studieren konnten. Sie richtete einen Waschsalon ein, und jede Trommel Wäsche war ein Tag Ihres Studiums! Es gelang ihr — nicht Ihnen, Herbert! — , daß man Sie in West Point aufnahm. Ihre Mutter hat Sie zur Elite der amerikanischen Marine emporgewaschen.«

Duff wollte aufspringen, aber Nicholsons eiserne Hände drückten ihn auf den Stuhl zurück.»Sir, bitte hören Sie auf«, stöhnte Duff.

«Ich höre nicht auf, Herbert! Sie sind nicht nur der Stolz Ihrer Mut-ter, Sie sind ihr einziger Lebensinhalt! Sie lebt nur noch für Sie. Sie sind ein Held in ihren Augen, etwas Unaussprechliches, das nur Mutterliebe erzeugen kann.«

«Sir, ich bitte Sie.«, stammelte Duff. Schweiß rann über sein Jungengesicht. Dr. Blandy drehte sich um und starrte zur Wand. Ihm war dieses grausame Spiel längst zuwider.

«Und was ist dieser in Gold getauchte Boy?«schrie Nicholson.»Ein Waschlappen! Ein Jämmerling! Ein Kerl, der mit jedem Atemzug seine Mutter verhöhnt.«

«Sir!«Duff zuckte zusammen wie unter einem gewaltigen Schlag. Dr. Blandy hob die Schultern.

«Was war mit Belucci?«brüllte Nicholson, den inneren Zusammenbruch Duffs ausnutzend.

«Sie haben heute morgen gewürfelt«, stammelte Duff und schloß die Augen. Kalter Schweiß lief über sein Gesicht. Seine Lippen zuckten wie unter Krämpfen.

«Gewürfelt? Wer?«

«Belucci und zehn andere. Belucci war außer sich vor Stolz, daß er die Rothaarige in der Nacht bei sich gehabt hatte. Sie. sie.«

«Weiter, Fähnrich Duff!«sagte Nicholson hart.

«Sie hatte versprochen, in der nächsten Nacht wiederzukommen. und nun spielten sie um die Rothaarige.«

Nicholson holte tief Atem.»Sie würfelten um das Mädchen?«

«Ja, Sir. «Duffs Kopf sank auf seine bebende Brust.»Aber immer wieder gewann Belucci. Es war wie verhext. Nach der letzten Runde blieb er Sieger. Aber dann entdeckten sie, daß Beluccis Würfel gezinkt war. Alle glaubten nicht an sein unverschämtes Glück. Sie hielten ihn fest, nahmen ihm die Würfel ab und untersuchten sie. Dabei kam es heraus.«

«Und das war sein Todesurteil.«

«Ich befürchte es, Sir. «Duff schwankte auf seinem Stuhl. Nicholson umklammerte seine Schultern und hielt ihn fest.

«Und was hatten Sie dabei zu tun? Haben Sie mitgespielt?«

«Nein, Sir. Ich.«»Ihre arme Mutter.«

«Ich war ein Unparteiischer, Sir!«stöhnte Duff.»Ich war sozusagen Schiedsrichter.«

«Wann?«

«Heute morgen gegen acht Uhr.«

«Und gegen halb neun wurde Belucci ermordet. Fähnrich Duff, wer hat um die Rothaarige gewürfelt?«

Und Duff nannte die Namen. Zehn Namen. von Jimmy Porter bis Dustin Hollyday. Dann brach er zusammen und sank mit dem Kopf auf die Tischplatte. Dr. Blandy drehte sich auf seinem Stuhl herum.

«Jetzt ist es genug, Jack!«sagte er energisch.»Ich muß dir als Arzt sagen, daß eine weitere Vernehmung für Duff in höchstem Maße gesundheitsschädlich ist. Kommen Sie, Herbert, ich bringe Sie in Ihre Kajüte.«

Dr. Blandy faßte Duff unter, hob ihn hoch und führte den Schwankenden aus dem Kommandoraum. Nicholson starrte die Wand an. Er war nicht stolz auf das Ergebnis seines Verhörs. Er war bis ins tiefste entsetzt. Der Täterkreis war zusammengeschrumpft auf zehn Personen, und es waren die besten Männer an Bord! Porter, Hol-lyday, Smith, Duncan, Losinski. Kerle, die nichts erschüttern konnte. Aber um ein rothaariges Weibsstück hatten sie gewürfelt und dann gemordet, weil man sie um dieses Stück wohlgeformten Fleisches betrogen hatte.

Nicholson zuckte zusammen. Die Sprechanlage summte, der kleine rote Knopf blinkte auf. Nicholson drückte ihn hinunter.

«Hier Kommandant!«sagte er heiser.

«Leutnant Curtis, Sir.«

«Was gibt es, Henry?«

«Wir haben Belucci noch immer nicht gefunden.«

«Haben Sie in die Drucktanks der Notausstiege geschaut?«

«Überall, Sir. Es gibt für uns keinen unbekannten Winkel mehr.«

«Brechen Sie die Suche ab, Curtis. Ich werde den Mörder selbst fragen.«

«Sir.«, stotterte Curtis.»Den Mörder?«

«Ende. «Nicholson schaltete ab. Dr. Blandy kam zurück und lehnte sich gegen die Wand.

«Duff ist fix und fertig. Das war höllisch, was du mit ihm gemacht hast. Bei seinem sensiblen Charakter kann er einen Knacks fürs ganze Leben weghaben.«

«Aber ich habe die Mauer eingerannt, Paul!«

«Und weißt du jetzt mehr?«

«Es sind zehn Mann daran beteiligt.«

«Aber nur ein Messer!«

«Ich knacke sie alle zehn. Einen nach dem anderen!«Nicholson hieb die Fäuste gegeneinander.»Ihr unterschätzt mich alle!«

Er drückte die Taste zur Offiziersmesse. Bernie Cornells Stimme ertönte. Er verhörte noch immer die Mannschaft.

«Brechen Sie ab, Bernie!«sagte Nicholson laut.»Oder haben Sie schon eine lauwarme Spur?«

«Nein, Sir.«

«Sie werden auch keine aufspüren. Schicken Sie die Leute auf ihre Posten zurück.«

«Und jetzt?«fragte Dr. Blandy, als Nicholson wieder abgestellt hatte.»Der Aufmarsch der Zehn?«

«Nein! Das wären zehn dicke Lügen! Ich habe Zeit, sie mir einzeln vorzunehmen.. Weglaufen kann mir unter Wasser keiner.«

«Und mit wem willst du anfangen?«

«Dieses Mal beim härtesten Brocken… bei Bill Porter. Mir ist klar, daß ich nichts erreichen werde, aber es wird sich herumsprechen, daß der Alte auf der Spur ist. Einer von den zehn wird unsicher werden, wird irgendeine Dummheit zum Selbstschutz begehen.«

«Und so lange willst du hier unter Wasser liegen bleiben?«

«Nein! Wir setzen den Auftragskurs fort. Wir tauchen unter den Nordpol durch. Von jetzt an nur noch Tauchfahrt! Der Mörder wird seine liebe Mühe mit Beluccis Leiche bekommen. Verwesungsgeruch in der Klimaanlage entnervt schnell.«

«Und die Mädchen?«

«Das ist deine Sache, Paul! Du garantierst mir dafür, daß sie das Lazarett nicht mehr verlassen!«

Torpedoobermaat Jimmy Porter wunderte sich ehrlich, als Commander Nicholson plötzlich zu ihm in den Torpedoraum kam und an dem eisernen Klapptisch Platz nahm. Porter schnarrte seine Meldung herunter, daß alles in Ordnung sei. Es gab keine besonderen Vorkommnisse. Er wartete nun darauf, daß der Commander einzelne Dinge kontrollierte. Überall gibt es neuralgische Punkte, wo ein Vorgesetzter etwas finden kann, aber Porter hatte keine Angst davor. Bei ihm war alles mustergültig. Man konnte mit einem weißen Handschuh über die Torpedos fahren. der Handschuh blieb sauber.

Nicholson griff in die Tasche, holte die Hand als Faust wieder heraus und öffnete sie dann plötzlich über dem Tisch. Drei Würfel kollerten über die Platte und hüpften mit einem klirrenden Ton über das Metall. Unter Porters Hirnschale begann es zu jucken.

«Ich habe gehört, Sie sind ein großer Würfelspieler, Porter«, sagte Nicholson leichthin.»Nehmen Sie Platz. Wir spielen um einen Dollar pro Einsatz. «Nicholson schob die Würfel über den Tisch.»Kontrollieren Sie die Würfel, Porter. Sie sind in Ordnung. Nicht gezinkt. Nicht etwa bei der Sechs etwas schwerer, wenn man hier reibt. Sogenanntes magnetisches Feld. man muß das allerdings wissen! Unter der Sechserplatte liegt dann womöglich eine hauchdünne Stahlscheibe, in den Würfel eingegossen. Ein übler Falschspielertrick. Los, überzeugen Sie sich, Porter.«

«Wie Sie wünschen, Sir.«

Porter setzte sich langsam und legte die breite Hand über die Würfel.