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Commander Nicholson stand breitbeinig auf Deck und sah hinunter zu dem im eisigen Wasser herumpaddelnden Belucci. Bill Slingman warf ihm eine Leine zu. Der kleine Italiener ergriff sie und ließ sich wieder aufs Boot ziehen. Hinter Nicholson schnaufte Dr. Blandy durch die Nase wie ein Walroß.
Belucci stand auf Deck, zitternd vor Kälte starrte er auf die sonderbare Insel und wischte sich mit beiden Händen immer wieder über das triefende Gesicht.»Ziehen Sie sich um, Sie Idiot!«brüllte Dr. Blandy.»Wollen Sie sich eine Lungenentzündung holen? Und so etwas gehört zur Elite! Fällt um, wenn er Schiffbrüchige sieht.«
«Ich sehe selbst nach!«Nicholson trat an den Rand des Bootes.»Porter, drehen Sie die Insel so, daß ich dem Einstieg gegenüberstehe.«
Die Matrosen mit den Enterhaken wendeten das Floß, der halb aufgezogene Reißverschluß gab einen Blick ins Innere frei. Auf der Spitze der biegsamen Dachstrebe zuckte das kleine rote Licht.
Rettet uns! Hilfe!
Nicholson kniete sich hin, beugte sich vor, hielt sich an der Dachleinwand fest und zog den Reißverschluß bis zum Endanschlag herunter. Über seiner Schulter erschien der dicke Kopf des Doktors.
«Ich glaube, das geht mich in erster Linie an«, sagte er, als ihm der Commander einen wütenden Blick zuwarf. Hinter ihnen entstand eine merkwürdige Unruhe, ein völlig unmilitärisches Stimmengewirr wurde vernehmbar. Belucci hatte inzwischen atemlos berichtet, was er gesehen hatte.
Nicholson schob den Eingang auseinander und blickte in das Innere der Rettungsinsel. Er fiel zwar nicht wie Belucci über Bord, aber sein hageres Gesicht war zu Stein geworden. Dr. Blandy, noch einmal über seine Schulter blickend, begriff plötzlich, daß alles, was man auf der Marinespezialschule gelernt, alle Befehle, die man mitbekommen hatte, und alle Härte, zu der man verpflichtet wurde, im Grunde billige Theorie war.
Auf dem dicken Gummiboden der Insel lag ein Knäuel Leiber mit fünf Köpfen. Fünf Mädchenköpfe, fünf Mädchenkörper in steifgefrorenen Jeans und Pullover, zu einer Masse zusammengebündelt in der unbeschreiblichen Verzweiflung, nicht ertrinken zu müssen, aber vor der Erschöpfung und der Kälte zu kapitulieren. Die Schwimmwesten häuften sich in einer Ecke, wo auch die Proviantbeutel und die Wasserkanister, der Kasten mit den Werkzeugen und der wasserfeste Köcher für die Signalpistole standen.
«Weiber!«hörte Commander Nicholson jetzt die dunkle röhrende Stimme von Obermaat Porter an Deck.»Belucci sagt, da sind Weiber drin! Boys! Ein Haufen Weiber!«
«Sir, wir ziehen die Insel sofort an Deck!«brüllte der riesige Sling-man.
Dr. Blandy hockte sich neben Nicholson und hielt sich an einer der Enterstangen fest.»In Ihrer Haut zu stecken, Jack«, sagte er,»wäre ein geradezu pervertierter Wunsch. Ich klettere hinein und sehe mir die Mädchen an. «Er blickte Nicholson in die harten Augen und nickte.»Ja, das wünsche ich mir auch«, sagte er plötzlich heiser, als lese er des Commanders Gedanken.»Sie wären besser tot.«
Er ließ sich von Porter und dem kleinen Fähnrich Duff festhalten, stieg erst mit einem Bein, dann mit dem zweiten hinüber auf die Rettungsinsel und ließ sich in ihr Inneres plumpsen. Dort hockte er vor dem Menschenknäuel, griff hinein, um an Oberkörper und Pulse heranzukommen. So begann er mit seiner Untersuchung. Schon nach einer Minute — wie lang kann eine Minute sein! — kam sein Kopf wieder am Einstiegschlitz zum Vorschein. Er schaute direkt in Nicholsons graugrüne Augen.
«Tut mir leid, Jack«, sagte Dr. Blandy leise.»Aber sie leben noch.«
«Ich habe das befürchtet, Doc. «Der Commander klammerte sich an einen Zipfel der Rettungsinsel, so nahe kauerte er vorm Abrutschen vom Deck.»Lassen Sie sich was einfallen. An Bord kommen die nicht!«
«Mir braucht nichts einzufallen, Jack! Die Mädchen sind völlig unterkühlt und am Ende ihrer Kraft. Sie machen es keine drei Stunden mehr.«
Nicholson beugte sich geradezu akrobatisch vor und blickte wieder ins Innere der Rettungsinsel. Jetzt, nachdem Dr. Blandy den Einstieg auseinandergeschoben hatte, konnte man sie deutlicher erkennen. Fünf weibliche Körper, ein jeder — selbst in der Verkrampfung und Erstarrung — von einer Schönheit, die einen Mann, der einundachtzig Tage unter Wasser gelebt hat, unweigerlich ergreifen und irritieren muß.
«Wir nehmen an«, sagte Nicholson hart,»daß wir die Mädchen fünf Stunden später gesichtet haben.«
«Das ist Mord, Sir!«antwortete Dr. Blandy steif.»Erwarten Sie, daß ich da mitmache? Die Mädchen müssen sofort behandelt werden!«
«Nicht an Bord! Tun Sie das in dem Gummiding da!«
«Als Arzt bestimme ich, welche Therapie ich wo anwende.«
«Sie vergessen, daß Sie auf meinem Boot sind und ich der Kommandant bin!«Nicholson ließ sich von Slingman und Bernie Cornell an Deck ziehen. Er straffte sich. Als er sich umblickte, sah er in verschlossene, kantige und sehr abweisende, ja feindliche Gesichter. Selbst Chief Navigator Collins mit seinem vom ewigen Pfeifenrauchen etwas verkniffenen Gesicht starrte ihn an, als wolle er ihn wie ein Lama anspucken.»Bis auf fünf Mann das Deck räumen!«sagte Nicholson laut.»Der Funkgast zu mir!«
Die Männer auf Deck zögerten. Dann knurrte Porter etwas, stieß den triefenden Belucci an und trottete mit den anderen Matrosen durch die Deckluke ins Innere des Bootes. Nur die Offiziere blieben stehen. Aus dem Turm kletterten der Funker und ein Obermaat — beide mit hungrigen Blicken. Im Boot war es bereits bekannt geworden: Längsseits liegen schiffbrüchige Weiber! Jetzt weiß der Alte plötzlich nicht mehr, ob er ein Mann ist oder bloß ein beweglicher Teil des U-Bootes.
«Funkgast meldet sich, Sir!«brüllte der Maat, als er auf Deck stand.
«Stellen Sie die Verbindung zur Basis her. Verlangen Sie Admiral Adam! Adam persönlich, keinen anderen!«Nicholson steckte die Hände in die Taschen seiner gefütterten Uniformjacke. Sie waren ihm plötzlich im Wege, außerdem zitterten sie leicht, was niemanden etwas anging.»Wenn er nicht im Dienst ist, lassen Sie ihn suchen! Ich habe Zeit.«
«Ich nicht, Sir!«fuhr Dr. Blandy dazwischen.
«Aye, aye, Sir!«brüllte der Funkgast, rannte zum Turm zurück und verschwand.
«Sie haben auch Zeit, Doc!«Der Commander machte ein Zeichen.»Kommen Sie wieder rüber!«
«Ein Sauhund, wer seine Patienten in dieser verzweifelten Lage verläßt!«schrie Dr. Blandy. Dann schwieg er. Auch Nicholsons Lage ist jetzt verzweifelt, das muß man anerkennen, dachte er. Fünf Mädchen an Bord von Amerikas geheimstem Schiff aufzunehmen, ist unmöglich. Aber ebenso unmöglich ist es, fünf Mädchen wissentlich dem Tode auszuliefern. Und sie werden sterben. Dr. Blandy hatte noch übertrieben, als er von drei Stunden sprach. Die Unterkühlung war nahezu tödlich, die steifgefrorene Kleidung ein solcher Kältepanzer, daß man überhaupt keine Überlebenszeit mehr nennen konnte.
«Genügt es Ihnen«, sagte Nicholson,»wenn wir Ihnen Decken, Batterieheizgeräte und alle Medikamente, die Sie brauchen, hinüberreichen?«
«Nein!«
«Warum nicht?«
«Ein vereister Mensch ist keine vereiste Schraube, Sir! Man muß ihn anders behandeln.«
«Dann aktivieren Sie Ihre Fantasie, Doc. «Der Commander blickte über das zuckende rote Lämpchen hinweg auf das Meer hinaus. Die Wellen rollten lang. Es waren die Nachwehen jenes Sturms, in dem ein Schiff, das einmal La Belle Marie hieß, gesunken war.
Sie sind nicht älter als Mitte Zwanzig, dachte Nicholson. Alle fünf. Vielleicht auch jünger. Wenn ich früh geheiratet hätte, könnte jede von ihnen meine Tochter sein. Aber ich habe nie geheiratet. Meine Braut war immer ein Schiff, meine Heimat die Marine. Ein Scheißleben für achtzehntausend Dollar Jahresgehalt, werden viele sagen. Ich habe mich aber immer wohl dabei gefühlt.
«Wenn Sie länger in sich hineindenken, Jack«, schrie Dr. Blandy aus der Rettungsinsel,»können Sie bald mit jedem professionellen Killer Brüderschaft trinken!«
«Für diesen Satz beantrage ich gegen Sie ein Ehrengerichtsverfahren, wenn wir wieder an Land sind, Doc!«sagte Nicholson ruhig.»Es muß doch möglich sein, die Mädchen außerhalb des Bootes so hochzupäppeln, daß sie wieder seeklar werden. Wir werden alle Schiffe, die in der Umgebung sind, und seien es Fischtrawler, ansprechen und wegtauchen, sobald sich ein Mast zeigt. Das ist eine Rettung ohne Risiko für uns!«
«Kommen Sie rüber, Sir. «Dr. Blandys Stimme war wie mit Rost belegt.»Die Mädchen liegen in Eiswasser. Bevor sie den Einstieg schließen konnten, ist die Insel, zehn Zentimeter hoch, voll Wasser geschlagen worden. Dann waren sie zu erschöpft, es wieder auszupumpen. Himmel und Arsch, jede Minute, die wir vergeuden, kann für die Mädchen das Todesurteil sein! Sie müssen an Bord. Nur im Bordlazarett kann ich sie retten. Ist das jetzt klar, Sir?«
Im Turm erschien wieder der Funkgast.»Verbindung zur Basis, Sir!«brüllte er.»Admiral Adam ist dran.«
«Ich komme.«
Nicholson wandte sich ab. Doch Dr. Blandys gewaltige Stimme wirkte wie ein Nackenschlag.
«Sagen Sie dem Admiral, daß es die neueste Aufgabe der US-Navy ist, Mädchen zu töten!«
Nicholson zog den Kopf ein. Er sah Oberleutnant Cornell und Leutnant Curtis an, sah zwei ausdruckslose Gesichter, doch in ihrem Blick lag eine versteckte Drohung. Er passierte Chief McLaren und Chief Collins, die ihr Haupt senkten, als er sie fragend anstarrte. Und er sah den kleinen Fähnrich Duff, aus dessen Pupillen ihm das helle Entsetzen entgegenschrie.
Niemand darf uns sehen, dachte Nicholson. Wir sind verurteilt, ein atomgespicktes Gespenst der Meere zu sein. Für diese Aufgabe sind wir dreihundert aus Tausenden herausgesucht und zurechtgeschliffen worden, und jetzt werfen uns fünf Mädchen in einem Gummifloß um! Welche Ironie zwischen Theorie und Tatsachen!
Er kletterte in den Turm, nahm den Hörer vom Kommandopult und hörte den Admiral im fernen Norfolk so klar, als spräche er im Bordtelefon.
«Sir, ich habe ein Problem«, sagte Nicholson. Jetzt konnte er endlich tief aufatmen und sogar seufzen. Adam war wie ein Vater zu seinen Boys.
«Schaden am Reaktor, Jack?«fragte Adam.
«Viel schlimmer, Sir!«Nicholson atmete noch einmal tief durch.»Ich stehe vor der Entscheidung, fünf Mädchen an Bord zu nehmen und.«
«Sind Sie verrückt geworden, Jack?«Die Stimme des Admirals hob sich etwas.»Nach der letzten Meldung liegen Sie zwischen Island und Norwegen. Am allerwenigsten von Ihnen habe ich erwartet, daß Sie einen Koller bekommen.«
«Wir haben eine Rettungsinsel aufgefischt, Sir. Von der Belle Marie. Die letzten Überlebenden scheinen diese fünf Mädchen zu sein. Doc Blandy gibt ihnen nur noch eine Stunde, wenn wir sie nicht an Bord nehmen und behandeln. «Ich lüge, dachte Nicholson. Vielleicht zum erstenmal in meinem Leben lüge ich bewußt. Eine Stunde sage ich. Aber vielleicht ist das wirklich die Wahrheit.
«Sie kennen Ihren Befehl«, hörte er den Admiral sagen. Das klang sehr kühl.
«Sir, es handelt sich hier um eine Ausnahmesituation.«
«Über die Sie als Commander zu entscheiden haben unter der Berücksichtigung, daß kein Fremder an Bord kommt.«
«Das bedeutet den Tod der fünf Mädchen.«
«Dramatisieren Sie den Fall bitte nicht, Jack. «Adams Stimme hatte einen fast beleidigten Ton.»In Ihrer Gegend muß es doch mehr Schiffe geben als nur Sie!«
«Bis sie hergerufen sind, sind die Mädchen längst ein Eisklumpen. Doc Blandy sagt — «
«Was Ärzte sagen, weiß ich!«Adam dürfte bei diesen Worten sein Gesicht verzogen haben.»Entweder betrachten sie Patienten als Hysteriker oder als Todkranke! Doc Paul soll einmal zeigen, daß er mehr kann, als nur Tripperspritzen zu geben! Commander — «
«Sir?«Nicholson straffte sich. Das >Commander< knallte förmlich im Hörer.
«Ich erwarte von Ihnen Pflichterfüllung. Nicht mehr. Nicht weniger. Verstehen wir uns, Jack?«
«Ganz klar, Sir.«
Nicholson legte den Hörer auf und preßte dann beide Hände flach gegen sein Gesicht. So saß er eine Weile wie versteinert, und er war der einsamste Mann der Welt. Erst eine Stimme am Luk riß ihn zurück in die Wirklichkeit. Der kleine Duff blickte hinunter auf seinen Kommandanten.
«Sir, Sie sollen an Deck kommen. bitte.«
Nicholson nickte. Bitte… das klang, als bettele ein trauriger Bub. Er setzte seine Mütze wieder auf und kletterte die Eisentreppe hoch. Von der Plattform aus sah er, wie seine Offiziere und der bärenstarke schwarze Slingman die Rettungsinsel auf Deck gehievt hatten. Dr. Blandy ließ gerade die Sanitätsmaate fünf Tragen holen.
Hochaufgerichtet, die Hände um den Rand des Brückengitters geklammert, blickte Nicholson über sein Boot. Meine Offiziere haben gegen meinen Befehl gehandelt, überlegte er völlig nüchtern. Die Mädchen sind an Bord. Nach dem Navy-Strafrecht ist jeder Offizier sofort zu verhaften und einzuschließen. Eine Rückkehr für einen Prozeß und eine Aburteilung ist aber unmöglich. Mir bleibt nur die Möglichkeit, sie dem nächsten Schiff der US-Navy zu übergeben. Und Admiral Adam muß ich Meldung machen: Meine Offiziere, an der Spitze meine beiden Chefoffiziere, haben meinen Befehl ignoriert. Was Adam sagen wird, ist klar… aber was mache ich mit einem Atom-U-Boot ohne die technischen Chiefs und ohne die wichtigsten Offiziere?
Er sah, wie Oberleutnant Cornell und Dr. Blandy das erste Mädchen aus der Rettungsinsel hoben: ein zierliches Geschöpf mit roten Haaren. Sie legten es auf das Deck, bis von unten die Sanitäter mit den Tragen kamen. Dann hoben Leutnant Curtis und Chief
McLaren einen zweiten Körper heraus, ein langbeiniges Mädchen mit ebenso langen blonden Haaren. Die Sonne streifte dieses Haar und ließ es funkeln wie Gold.
Fähnrich Duff, der bis jetzt stumm hinter Nicholson gestanden hatte, räusperte sich.
«Was ist, Herbert?«fragte der Commander, ohne sich zu bewegen.
«Wir haben abgestimmt, Sir. Die Entscheidung war einstimmig. Wir sind bereit, die Verantwortung zu — «
«Ihr?«Nicholsons Stimme war plötzlich rauh.»Euch wird man in den Hintern treten! Geradestehen für alles muß ich!«
«Wir sind auf Ihrer Seite, Sir.«
«Davon habe ich aber etwas, du Tor!«
Nicholson kletterte auf Deck und kam langsam auf die Gruppe zu. Das vierte Mädchen wurde gerade aus der Rettungsinsel gehoben, ein feingliedriges, schwarzhaariges Püppchen.
«Wo bleiben die Tragen?«brüllte Dr. Blandy. Dann sah er Nicholson und kam ihm entgegen. Sie gingen aufeinander zu wie Männer beim Duell.
«Was sagt der Admiral?«fragte Dr. Blandy, als sie fast mit der Brust zusammenstießen.
«Doc, seit wann stellen Sie so dämliche Fragen?«
«Haben Sie ihm die volle Wahrheit gesagt?«
«Mehr noch! Ich habe von einer Stunde Überlebenszeit gesprochen.«
«Und Adam bleibt hart?«
«Ja.«
«Wenn ich jemals Norfolk wiedersehe, ziehe ich Zivil an, verbrenne öffentlich meine Uniform, gehe zum Admiral und rotz ihm einen ins Gesicht!«
«Sie müssen auch ihn verstehen, Doc. «Nicholson betrachtete die Mädchen. Das letzte trugen McLaren und Cornell an Deck.»Für Adam ist unser Einsatz eine Art latenter Krieg. Wir befinden uns für ihn während der Dauer unserer Tauchfahrt im Kriegszustand. Er hat Pearl Harbour erlebt, er war auf Okinawa, er hing im Chinesischen Meer vor Vietnam. Für ihn sind fünf Mädchen im Ver-gleich zu diesen Hunderttausenden von Toten keine Zahl. Es ist fürchterlich, das zu sagen.«
«Unmenschlich, Jack!«
«Du sagst es. «Nicholson sah Dr. Blandy mit gesenktem Kopf an.»Aber sind wir Atomgespenster denn noch Menschen?«
«Ich werde immer einer sein, Jack.«
«Behalt den Satz im Ohr. «Plötzlich, ohne Formalität, duzten sie sich. Es war einfach selbstverständlich.»Du wirst ihn einmal gebrauchen, oder verfluchen.«
Aus zwei Deckluken kletterten jetzt die Sanitäter mit den Tragen. Hinter ihnen erschienen die Köpfe von Neugierigen, die einen Blick auf die Mädchen werfen wollten. Jimmy Porter brüllte herum, obwohl ihn keiner gerufen oder mit irgend etwas beauftragt hatte, und der kleine Belucci, wieder in trockener Uniform, wieselte über Deck und schleppte immer noch Decken heran, obwohl längst genug davon auf den Tragen lagen.
«Man muß ihnen sofort die gefrorenen Kleider ausziehen!«schrie Porter.»Ich kenne das! Ich bin Rettungsschwimmer!«
«Was machen Sie auf Deck?«brüllte Bernie Cornell zurück.»Wer hat Ihnen einen Befehl gegeben! Gehen Sie zurück in den Raketenraum.«
Nun kamen auch Slingman und Tami Tamaroo herauf, in der Hand Thermosflaschen mit dampfendem Tee.
«Das ist das letzte«, sagte Dr. Blandy dumpf.»Jack, gleich hast du dreihundert Mann hier stehen wie zur Parade. Wenn irgendeiner gelesen hat, daß das beste Mittel gegen Unterkühlung animalische Wärme ist, stürzen sich dreihundert Wärmflaschen auf die Mädchen.«
Nicholson hob seine knochigen Schultern. Sein kantiges Gesicht bewegte sich kaum beim Sprechen.»Ihr habt den Beschluß einstimmig gefaßt«, sagte er.»Es wird eure Schuld sein, wenn unser Boot eine schwimmende Hölle wird.«
Der Transport in das Bordlazarett gestaltete sich schwieriger, als Dr. Blandy es sich gedacht hatte. Unter Deck waren die schmalen Gänge mit Marinesoldaten vollgestopft, und jeder wollte einen Blick auf die Mädchen werfen. Der Ruf:»Wir haben Weiber an Bord! Boys, richtige Weiber!«wirkte alarmierender als das schrille Klingelzeichen im Ernstfall: Alles auf Gefechtsstation! Und so drängten sie sich auf dem ganzen Weg vom Luk bis zum Lazarett, Leib an Leib, Kopf an Kopf, und starrten auf die bleichen Mädchengesichter und die zugedeckten Körper, die nur mit sehr viel Fantasie gewisse Formen ahnen ließen.
Aber dies genügte. Ein Seufzen flog durch das Boot, und Männerschweiß roch plötzlich wie Parfüm. Selbst aus den Maschinenräumen waren die Kerle gekommen, Köche, Elektronikingenieure, Spezialisten aus dem Reaktorraum — alle standen im Gang.
Mädchen. Wunderhübsche Mädchen. Fünf Mädchen in einem U-Boot der US-Navy.
«Kommen sie durch, Doc?«fragte einer, als Dr. Blandy hinter den Tragen sich durch die Menschenmauer drängte.»Schaffen Sie's?«
«Wenn ihr mich weiterhin einklemmt, gewiß nicht. Platz, ihr geilen Hunde! Es geht um Minuten!«
Dann waren sie im Lazarett. Das Schott knirschte zu, der Knebel wurde herumgedreht. Aber die Männer blieben in den Gängen stehen und warteten. Commander Nicholson saß im Turm und sah Oberleutnant Bernie Cornell grimmig an.
«Geben Sie durch, Bernie: Alles auf Tauchstation!«
«Jetzt, Sir?«Cornell starrte seinen Kommandanten ungläubig an.
«Seit wann wird bei der Marine ein Kommando mit einer Frage beantwortet?«schrie Nicholson plötzlich unbeherrscht.
«Sir.«
«Wir tauchen, Oberleutnant!«
Cornell grüßte. Seine Augen aber sagten: Commander, wir verstehen uns plötzlich nicht mehr.
«Aye, aye, Sir!«
Durch das Boot rasselte das Signal. Auf Tauchstation. Prompt kam aus dem Maschinenraum die Anfrage von Chief Engineer McLa-ren.
«Sir, ist das Ihr Ernst? Wir haben doch noch die Rettungsinsel an Deck.«
Commander Nicholson nickte, aber das konnte McLaren natürlich nicht sehen.
«Chief, sind Sie Atomingenieur oder Gummifloßexperte?«sagte er brüsk.
«Verstehe, Sir!«Es knackte. McLaren hatte beleidigt eingehängt.
Durch das Boot hörte man das Trappeln der Füße. Die Matrosen rannten zu ihren Posten. Die Gänge waren wieder leergefegt; bis zum Kommando >Normalfahrt< herrschte jetzt in dem stählernen Riesen eine kriegsmäßige Ordnung.
An den Fluthebeln standen die Maate und warteten. Im Maschinenraum starrte man auf die elektronischen Befehlssignale. Noch lag die POSEIDON I mit abgestellten Motoren in der See und düm-pelte in den Wellen. Chief Frank Collins ließ die Computernavigation spielen und trug die Lage des Bootes ins Buch ein. Diesen Augenblick mußte man festhalten: Fünf Mädchen kommen an Bord, und der Alte frißt wieder Eisen.
Nicholson sah nachdenklich auf das Telefon, das leise summte. Dann hob er ab in der Erwartung, den Admiral zu hören. Es war aber Dr. Blandy, der fragte:»Müssen wir tauchen, Jack?«
«Ich kommandiere ein U-Boot und kein Flugzeug«, antwortete Nicholson trocken.»U-Boote haben die Angewohnheit, unter Wasser zu fahren.«
«Das war mir neu, Jack. Man lernt immer dazu!«Dr. Blandy räusperte sich.»Ich habe die Mädchen ausgezogen. Sie liegen hier auf den Betten, und ich sage dir, es ist ein verdammt aufregender Anblick.«
«Du bist Arzt, sonst nichts, denke ich.«
«Sie sind noch ohnmächtig. Meine Sanitäter tragen ihre Augäpfel jetzt auf Stielen. Ich habe zu ihnen gesagt: Wenn ihr eine Sekunde lang vergeßt, daß ihr Sanitäter seid, narkotisiere und kastriere ich euch! Sie sind jetzt dabei, die herrlichen Körper mit Frottiertüchern abzurubbeln. Jedes Mädchen hat schon seine Kreislaufspritze weg. Dieses rauhe Frottieren ist immer noch die beste Therapie. Uralt, aber unerreicht.«
«Warum erzählst du mir das alles?«fragte Nicholson ruhig.
«Ich denke, du kommst mal herunter und siehst dir das an.«
«Fünf nackte, bildschöne Mädchen?«
«Ich decke sie zu, wenn du kommst. Aber ich glaube, sie haben dir allerlei zu erzählen, wenn sie aufwachen. Und das ist Kommandantensache, meine ich.«
«Okay. Ich komme«, sagte Nicholson knapp.
In den einzelnen Zentralen wartete man noch immer auf das Kommando zum Tauchen. Es kam nicht. Maschinenmaat Dustin Hol-lyday rief seinen Freund Jimmy Porter an, der mißmutig und mit Wut geladen in seinem Raketenraum hockte, die nicht geschärften, schlanken Teufelsdinger betrachtete und mit einem Stück Kaugummi spielte.
«Der Alte spinnt«, sagte Hollyday.»Tauchstation, und nichts tut sich. Noch alle Maschinen auf Stop. Was ist eigentlich los?«
«Die Mädchen werden gerade wieder zum Leben erweckt. Erni hat mich heimlich aus dem Lazarett angerufen. Sie liegen nackt auf den Betten und sollen aussehen wie Engel. Dürfte den stärksten Mann umwerfen. Erni war völlig durcheinander. Er sagt, als Sanitäter in der Ausbildung hätte er viele Weiber gebumst, aber so etwas sei ihm noch nie unter die Hände gekommen. Da muß ein Schiff mit Schönheitsköniginnen gesunken sein.«
«Ob die an Bord bleiben, Jimmy?«
«Ausgeschlossen! Der Alte setzt sie aus, das wette ich.«
«Das kann er nicht, Jimmy!«
«Commander Nicholson kann alles!«
«Und warum tauchen wir nicht?«
«Frag den Sir doch selbst, du Arsch!«
Porter hängte wütend ein. Vor seinen Augen entstand das Bild einer Frau mit hohen Brüsten, schlanken Hüften, langen Beinen und einem braunen Kräuselpelz zwischen den Schenkeln. Und diese ganze verdammte Schönheit ging vor ihm her, mit zuckenden Hinterbacken und sanft schwingenden Brustwarzen.
Porter seufzte laut, schloß die Augen und hieb mit der Faust auf das Trägergestell der Atomraketen.
«O Scheiße!«sagte er laut.»Und das noch ganze neun Monate.«
Im Lazarett hatten die Bemühungen Erfolg. In die erstarrten Mädchenkörper kam neues Leben. Die Haut rötete sich von dem harten Massieren, die Kreislauf- und Herzinjektionen zeigten Wirkung, die Temperatur stieg an und pendelte sich bei 36,5 ein. Noch waren die Mädchen besinnungslos. Nach dem Kälteschock überfiel sie jetzt, wo der Körper wieder seine Funktionen übernahm, die ungeheure Erschöpfung. Dr. Blandy jagte die Sanitäter aus dem Bettenraum eins und setzte sich allein in die Mitte zwischen die fünf zugedeckten Schönheiten. Unter den Laken hoben sich ihre Formen deutlich ab. Die Gesichter waren entspannt und bekamen allmählich Farbe.
An der Stahltür klopfte es dreimal rhythmisch, dann flammte über ihr ein rotes Lämpchen auf. Die Sprechanlage summte.
«Jack?«
«Ja. Bitte eintreten zu dürfen.«
Dr. Blandy schloß die Tür auf und ließ Commander Nicholson herein. Dieser blieb an der Tür stehen und warf einen prüfenden Blick in den weißen, vor Sauberkeit blitzenden und nach Desinfektionsspray duftenden Raum.
«Wie im Himmel, was?«sagte Dr. Blandy.»Zwei blonde, zwei schwarze, ein roter Engel! Ich komme mir wie Petrus vor. «Und als Nicholson keine Antwort gab:»Warum tauchst du nicht?«
«Ich habe Tauchstation befohlen, um die Männer aus den Gängen zu kriegen. Wenn sie an ihrem Posten stehen, ist Ordnung im Boot.«
«Dann sag deinen Plan schnell an Chief McLaren durch. Er wird sonst wahnsinnig vor seinem Atomreaktor. Wie ich ihn kenne, hat er schon alle Hebel in der Hand und starrt auf das Signal FAHRT. Und das kommt nicht.«
«Wann können die Mädchen aufwachen?«fragte Nicholson mit gedämpfter Stimme.
«Jeden Moment. Ihr Kreislauf ist normal. Ich hoffe nicht, daß einigen von ihnen der Sauerstoff im Hirn knapp geworden ist. Dann haben wir ein paar Säuglinge an Bord. Sieh dir das an!«
Er hob ein Laken hoch und nickte. Nicholson blickte auf einen vollendeten Mädchenleib, glatt, sonnengebräunt, im Licht der Dek-kenlampe glänzend, als habe Dr. Blandy ihn soeben poliert.
Blandy ließ das Laken wieder fallen.»So sind sie alle. Bei der kleinen Rothaarigen bekommt man Jucken unter dem Haaransatz.«
Nicholson setzte sich auf einen Stuhl an der mit weißer Plastikmasse gestrichenen Wand.»Ich werde sie in der Nacht aussetzen«, sagte er.»Bis dahin wirst du sie wieder fit gemacht haben, Paul.«
«So etwas kannst auch nur du sagen!«Dr. Blandy schüttelte den Kopf.»Ich muß erst feststellen, wie groß ihr Schock ist.«
«Und ich muß dem Admiral einen Bericht durchgeben.«
«Das mache ich, Jack. Als Arzt in eigener Verantwortung.«
«Wir haben ein 77-Millionen-Dollar-Geheimnis unter dem Hintern, Paul! Was ist dagegen die ärztliche Verantwortung? Mach dich nicht lächerlich. Die Mädchen setze ich in Norwegen, nördlich von Narvik, an Land. Es wird Probleme geben mit der Radarüberwachung, denn dann bekommen sie uns auf den Schirm! Man wird sich in Washington etwas einfallen lassen müssen.«
«Glaubst du?«Dr. Blandy beugte sich über ein Mädchen, das sich zuckend zu bewegen begann.»Das Weiße Haus sollte aktiv werden wegen fünf Mädchen? Die scheißen uns eins, und das als großen Haufen!«
«Man sollte nicht annehmen, daß du ein Akademiker bist. «Nicholson stemmte seine Füße auf den Kunststoffboden.»Ich muß dem Admiral melden, daß wir die Mädchen an Bord haben, ich muß ihm versprechen, sie wieder loszuwerden, und das kann ich nur an Land. Komme ich in Landnähe, erwischen uns die Radarkontrollen… so kommt's zu einer Kettenreaktion, die schließlich bei Washington endet. «Nicholson nickte Dr. Blandy zu, als wolle er eine Bestätigung seiner Rede.»Ich habe das kommen sehen, aber mit euch war ja nicht mehr zu reden!«
Dr. Blandy zeigte mit ausgestrecktem Arm auf die fünf Mädchenkörper.»Wolltest du so etwas krepieren lassen, Jack?«
«Man kommt in Situationen, wo die Stimme des Gewissens zum Selbstmord wird. Ich fürchte, wir haben eine solche Situation. «Er stand abrupt auf, ging zur Sprechanlage und drückte auf den Knopf >Befehlsstand<. Aber bevor er ihn losließ und sprach, sah er Dr. Blandy an.»Ich gebe dir drei Tage Zeit, okay? Wir werden mit voller Kraft auf die norwegische Küste zufahren und uns dann im Radarfeld auf Schleichfahrt in einem einsamen Fjord verkrümeln. Vielleicht gelingt es uns, ein Phantom zu bleiben.«
«Drei Tage sind knapp, aber immerhin — ein Anflug von Menschlichkeit bei dir. Versuchen wir's.«
Commander Nicholson ließ den Knopf los. Oberleutnant Bernie Cornell meldete sich mit aufgeregter Stimme.
«Sir, wir suchen Sie. Was ist los? Warum tauchen wir nicht?«
«Lassen Sie die Rettungsinsel einholen und dann Tauchfahrt auf einhundertfünfzig Fuß!«
«Aye, aye, Sir.«
«Noch Fragen, Bernie?«
«Nein, Sir.«
Nicholson schaltete ab.»Er lügt«, sagte er gedehnt zu Dr. Blandy.»Die Stimmung im Boot ist miserabel. Ich spüre das. Allein das Wissen, daß fünf Mädchen an Bord sind, macht die Boys verrückt.«
Er schwieg abrupt. Drei Mädchen hoben plötzlich die Köpfe und blickten mit weitaufgerissenen Augen um sich. Sie begriffen nicht, wo sie waren. Sie sahen nur eine Neonlampe an der Decke, weiße Wände und weiße Betten. Sie spürten, daß sie weich und warm lagen und ließen sich wieder zurückfallen. Ein Mädchen mit langen blonden Haaren begann leise zu weinen und drehte sich zur Seite. Die Rothaarige zog die Beine an und stieß sie dann wieder von sich. Das Laken sauste auf den Fußboden. Ihre plötzliche Nacktheit, gnadenlos von der Neonlampe angestrahlt, war ein überwältigendes Bild für den Beschauer.
Commander Nicholson rührte sich nicht. Nur sein Blick wanderte über die fünf Betten und blieb an einem Mädchengesicht hängen, das noch vom Schlaf entspannt war. Ein etwas herber Typ mit kurzen blonden Haaren, die schon ins Mittelblond hineinschimmerten. Ihr Körper war der größte von allen, langbeinig und mit guten Rundungen. Dr. Blandy grinste.
«Rot ist nicht dein Typ, Sir?«sagte er leise.»Warten wir's ab. Auch das Sportsmädel wacht gleich auf. Du siehst richtig, sie hat einen schön durchtrainierten Körper.«
«Doc, halt die Schnauze!«sagte Nicholson wütend.»Bring den Damen erst mal bei, wo sie sind.«
«Die Damen!«Blandy verzog sein Gesicht.»Jack, müssen wir ab sofort im Ausgehanzug erscheinen?«Er stapfte durch den Raum, ging zum ersten Bett und beugte sich über das Mädchen. Es hatte die Augen geöffnet, starrte in das massige Gesicht über sich und stieß einen leisen Schrei aus. Dr. Blandy nickte.
«Ich weiß, ich bin keine Schönheit, Miß, aber man kann sich seinen Lebensretter nicht aussuchen.«
«Mein Gott. wo bin ich? Ich lebe.«, flüsterte das Mädchen.»Ich lebe wirklich… oder?«
Dr. Blandy richtete sich auf und sah Nicholson an.»Amerikanischer Zungenschlag, hörst du's, Jack? Wir werden einiges erfahren.«
Die Motoren der POSEIDON I brummten leise, ein Zittern lief durch das Boot und gegen die Stahlwände klatschte das Meer. Die Ventilatoren begannen zu rauschen. Amerikas größtes Geheimnis sank wieder in die Tiefe.
Das Mädchen im fünften Bett, eine mittelgroße Schwarzhaarige, setzte sich auf und drückte das Laken gegen ihre volle Brust. Das kalte Neonlicht von der Decke ließ gebräunte Rückenhaut aufglänzen.
«Auf welchem Schiff sind wir hier?«fragte sie.»Ich danke Ihnen! Ich danke Ihnen! Wir hatten keine Hoffnung mehr. «Sie biß sich auf die Unterlippe, unterdrückte einen Weinkrampf, schüttelte dann den Kopf und ließ ihre langen schwarzen Haare fliegen.»Leben wir alle?«Sie starrte auf die anderen Betten.
«Bis jetzt ja«, sagte Dr. Blandy.
Ihr Kopf flog herum, die schwarzen Augen leuchteten groß. Panik und zugleich neue Kraft lagen in diesem Blick.»Was heißt bis jetzt?«Sie rutschte zur Wand und riß ihr Laken hoch bis zum Hals, so daß nun eine Blöße in der Schenkelgegend entstand.»Wer sind Sie?«
Plötzlich entdeckte sie auch Commander Nicholson neben der Tür. Er versuchte ein Lächeln, was einem Gesicht, das kaum lächelt, ganz selten gelingt.
«Und Sie?«sagte das Mädchen über die ans Kinn gepreßten Fäuste hinweg.
«Wir sollten es ihr erklären«, sagte Dr. Blandy.»Wir sind Gespenster.«
«Aber… aber wir schwimmen doch auf dem Meer.«
«Nein. «Nicholson hob wie bedauernd die Schulter.»Im Augenblick sind wir — schätze ich — neunundsiebzig Fuß unter Wasser und werden bald einhundertfünfzig Fuß tief sein. «Er machte eine leichte Verbeugung.»Commander Nicholson von der US-Navy. Das da ist Dr. Blandy, Oberarzt der Navy.«
«Es gibt tatsächlich noch einen Gott, der Gebete erhört!«
Die Stimme kam von Bett zwei. Das sportliche Mädchen, das Nicholson so genau betrachtet hatte, war erwacht und sofort bei voller geistiger Frische. Auch sie saß jetzt im Bett, die Knie angezogen, das Laken um ihren schönen Körper gewickelt. In den anderen Betten regten sich die Mädchen, aber sie blieben liegen. Die kleine Rothaarige rollte sich auf den Bauch, als sie wahrnahm, daß sie nackt war. Ihre Rückenlinie und der Schwung zum Gesäß war nicht weniger aufregend als die Landschaft von Brust, Leib und Schenkeln.
Dr. Blandy ging zu ihr hin, bückte sich und warf das weggestrampelte Laken wieder über sie.
«Danke, Doc«, sagte die Rothaarige. Ihre Stimme paßte nicht zu diesem explosiven Körper. Sie war sanft und besaß einen dunklen Unterton.
«Wir haben Sie aufgefischt, und Doc Blandy hat Ihnen das Leben gerettet. Wie ich sehe, erholen sich die Damen sehr schnell. «Commander Nicholsons Blicke wanderten wieder von einem zum anderen
Mädchen und verharrte bei der großen Sportlichen.»Ich lasse sofort aus der Messe heißen Tee und ein kräftiges Essen kommen.«
«Was ist das für ein Klatschen draußen?«fragte die feingliedrige Schwarzhaarige in Bett fünf.
«Wir sind auf einem U-Boot, Dorette. «Der sportliche Typ kreuzte den Blick mit Nicholson. Nur einen Hieb lang, aber es war ein Stoß, der den Commander innerlich voll traf und eine Wunde aufriß, von der er ahnte, daß sie sich nie wieder schließen würde ohne ihre Hilfe.»Und der Commander läßt gerade tauchen.«
«Ein U-Boot!«Die Rothaarige warf sich auf den Rücken.»Wir sind in einem U-Boot? Wenn das Daddys Werbeabteilung erfährt.«
Nicholson und Dr. Blandy wechselten einen schnellen Blick. Das hatte man nicht einkalkuliert: Die Geschwätzigkeit einer Frau, die eine große Sache nicht hinunterschlucken kann, ohne daran zu ersticken. Das muß heraus, das muß berichtet werden, das verbrennt sonst die Seele!
Nicholson grinste bitter. An alles haben wir gedacht, daran nicht. Sind wir den Frauen schon so entwöhnt? Und wenn es nur eine ist, die alles erzählt — die Welt wird erfahren, daß ein Atom-U-Boot unbekannter Bauart durch die Meere schleicht. Der ganze Operationsplan ist sinnlos geworden. Das Geheimnis der USA hängt jetzt an fünf schönen Mädchen. Gibt es etwas Absurderes?
«Daß Sie an Bord sind, verdanken Sie Dr. Blandy«, sagte Nicholson hart.»Ich wollte es nicht.«
«Sie hätten uns absaufen lassen?«fragte die Sportliche ruhig.
«Einer größeren Aufgabe wegen. ja.«
«Sie sind wirklich ein Schätzchen!«Die Schwarzhaarige in Bett fünf ließ ihr Laken fallen. Die vollen Brüste schoben sich über die vor den Magen gelegten Arme. Ihre großen Augen sagten: empörend!
«Ich möchte Illusionen über Ihre Lage im Keim ersticken«, sagte Nicholson ungerührt.»Es ist nötig, daß Sie das genau kennenlernen. Ich bin weder auf Ihren Busen ansprechbar, Miß, noch auf Ihre Bek-kenlinie. Es ist Verschwendung Ihrer Reize, sie vor mir auszubreiten. Verstehen wir uns, meine Damen?«
«Genau!«Die große Sportliche sah ihn kühl an. Die Rothaarige tippte ihre Zehen aneinander. Die andern Mädchen schwiegen, abwartend, sichtbar bereit, gegen diesen Mann, der sich als Ekel vorstellte, den Kampf aufzunehmen.»Sie frühstücken Nägel und sonntags Patronen.«
«Lieber sind mir zwei Spiegeleier mit Speck. «Nicholson steckte seine Hände in die Hosentaschen, weil er das überwältigende Bedürfnis hatte, mit den Fingern zu schnalzen.»Aber Sie werden keinen Nutzen daraus ziehen, Miß. «Er kam mit drei Schritten weiter in den Raum und stand jetzt neben Dr. Blandy zwischen den Betten.»Ich halte es für zweckmäßig, daß wir jetzt Ihre Erklärungen entgegennehmen, wie Sie in eine solche Lage kommen konnten.«
«Ich habe mich geirrt«, sagte die Sportliche nüchtern.»Sie frühstücken bestimmt auch Schrauben, sonst könnten Sie nicht so geschraubt reden.«
Die Rote kicherte, die anderen grinsten. Dr. Blandy schnaufte durch die Nase. Jack, dachte er, mach dich nicht lächerlich. Verschanze dich nicht hinter einem Panzer aus konstruierter Kälte. Du bist ein Mann wie wir alle, und die große Blonde steckt dir bereits in den Lenden! Das regt dich auf.
«Wie heißt ihr denn?«fragte Blandy laut.»Ich glaube, das ist jetzt fällig.«
«Ich bin Joan Hankow«, sagte die Schwarzhaarige aus Bett fünf. Sie rutschte von der Matratze, ließ die Beine baumeln und setzte sich auf die Bettkante. Ihre vollen Brüste bedeckte sie nicht wieder.»Aus Boston.«
«Wir sind alle aus Boston!«Die Sportliche hob die Hand.»Das da ist Lili Petersen, unser Rotkopf heißt Evelyn Darring, daneben ist Do-rette Palandre, und ich heiße Monika Herrmann. Wir haben einen Europatrip gemacht. Auf Island kamen wir auf den Gedanken, uns eine Motorjacht zu chartern und nach Grönland zu fahren. Doret-te wollte nicht glauben, daß die Eskimos sich nicht küssen, sondern nur die Nasen aneinanderreiben.«
«Sir, wir haben fünf Verrückte an Bord!«sagte Dr. Blandy laut und erschüttert.
«Wir haben Väter, die ihren Töchtern das bieten können«, unterbrach ihn Joan Hankow.»Haben Sie Champagner an Bord, Commander?«
«Ich weiß nicht. «Die Frage verwirrte Nicholson.»Ich glaube ja.«
«Welche Marke?«
«Ich habe getrunken. «Dr. Blandy kratzte sich den dicken Nasenrücken.»Das Gesöff heißt Vive la France.«
«Ihr Daddy!«Joan Hankow zeigte auf die kleine schwarzhaarige Do-rette.»Und was Sie an Kunststoff an Bord haben, Sir — zum Beispiel den Unterteil dieser Neonlampe — kommt aus den Fabriken meines Vaters.«
«Mit soviel Goldgewicht sinken wir auf Grund«, sagte Dr. Blandy sarkastisch.»Jack, ich gebe dir jetzt recht: Wir sind der Hölle näher als der eigenen Tasche.«
In der Sprechanlage knackte es. Cornells Stimme erklang.
«Einhundertfünfzig Fuß Tiefe, Sir. Welcher Kurs? Wie programmiert?«
«Nein! Chief Collins soll auf die norwegische Küste zuhalten. Richtung Narvik. Maschine auf halbe Kraft.«
«Aye, aye, Sir.«
Ein neues Knacken, Cornell war aus der Leitung. Lili Petersen hatte den Kopf gehoben und starrte auf die Sprechanlage.
«Wer war denn das?«fragte sie.»Eine nette Stimme.«
«Ich werde dafür sorgen, daß Sie nichts auf meinem Schiff nett finden!«fuhr Nicholson dazwischen. Und plötzlich brüllte er — eine Tatsache, so fremd, daß sie Dr. Blandy mit offenem Mund zur Kenntnis nahm.»Nichts werden Sie nett finden! Gar nichts! Absolut nichts!«
Es war der gleiche Augenblick, in dem der Torpedoobermaat Jimmy Porter zu dem Maschinenmaat Dustin Hollyday sagte:
«Und ich wette mit dir um mein Bindeglied, daß ich an eines der Weiber herankomme.«