158668.fb2 Treck der Verdammten - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 22

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Fast mechanisch brach sie Äste und Zweige für die Tarnung der Wagen ab, während sie nur an eins dachte: Jacob.

Sie bemerkte den Mann erst, als er unmittelbar hinter ihr stand. Sie hatte sein Kommen weder gehört noch gesehen. Doch sie spürte, daß sie nicht mehr allein war. Ihre Nackenhaare sträubten sich, und die in ihr aufkeimende Angst ließ sie kaum atmen.

Sie riß sich zusammen und wirbelte herum. Vor Schreck sanken ihre Arme nach unten; Äste und Zweige fielen zu Boden.

Frazer Bradden stand nur drei Schritte vor ihr.

Sein Gesicht hatte kaum noch etwas Menschliches an sich. Die Züge waren vom Wahn verzerrt, die Augen flackerten wild. Die langen Bartstoppeln verliehen ihm tatsächlich das Aussehen einer wilden Bestie.

Die rechte Hand umklammerte den Bügelgriff eines Bowiemessers. Die Klinge war so lang wie ein halber Arm. Die Waffe wirkte fast wie der Säbel eines Soldaten.

»Was. was wollen Sie?«

Irene fragte es voller Angst. Angst um sich selbst und um Jamie, der nur noch sie hatte.

»Dich!«

Dieses eine Wort preßte Bradden voller Verachtung hervor. Er machte einen großen Schritt in Irenes Richtung und hob sein Messer fast über den Kopf.

Irene wich zurück, bis ein dicker Pinyonstamm ihr den Weg versperrte.

»Obwohl Ihre Frau und Ihre Kinder erst vor kurzem am Fieber gestorben sind, wollen Sie.«

Sie brachte den Satz nicht zu Ende; ihre Stimme versagte.

Jetzt stand er so dicht vor ihr, daß sie seine üblen Ausdünstungen roch. Ihr wurde schlecht. Von seinem Gestank und mehr noch von dem Gedanken an dem, was ihr bevorstand.

»Du irrst dich«, grinste er. »Ich treibe es doch nicht mit der Hure eines Indianerfreundes, die einen Bastard zur Welt gebracht hat!«

Sein Grinsen drückte dieselbe Verachtung aus, die auch aus seinen Worten sprach.

Irene war über diese Mitteilung kaum erleichtert. Fast im Gegenteil, ließen Frazer Braddens dunkle Absichten sein Erscheinen doch noch unheimlicher und bedrohender wirken.

»Dann verstehe ich nicht, was Sie wollen«, sagte Irene im Flüsterton, weil ihre Stimme nicht zu mehr reichte. »Lassen Sie mich doch in Ruhe arbeiten!«

»Was ich will? Deinen Skalp!«

Bei diesen Worten wollte Irene schreien, aber seine Linke legte sich so fest auf ihren Mund, daß nur ein kaum hörbares Stöhnen herauskam.

»Ich werde dich skalpieren, Dutch-Hure. Und dann werde ich dich töten!«

Das irre, flackernde Leuchten seiner Augen unterstrich, wie ernst es Frazer Bradden damit war.

*

Die Wand aus Fels und festem Erdreich lag leicht abgeschrägt über einem knapp fußbreiten Felsensims. Jacob stellte seine Füße auf die vorspringende Felsrinne, preßte sich mit Körper und Gesicht an die Wand und grub so lange mit den Fingern, bis sie im Erdreich kleine Aushöhlungen für einen festeren Halt geschaffen hatten.

So stand er eine ganze Weile einfach nur da und versuchte, seinen heftigen, stoßweisen Atem zu regulieren und Kraft für das letzte Stück des Aufstiegs zu sammeln. Fast zwei Drittel lagen hinter ihm - besser gesagt, unter ihm.

Als er in die Tiefe blickte, wurde ihm ein wenig schwindlig. Nicht so sehr wegen der großen Entfernung zu der kleinen Felsplatte und wegen der noch größeren Entfernung zum Grund des Canyons. Vielmehr konnte er kaum glauben, daß er an der steilen Wand überhaupt so weit gekommen war.

Zum Glück schien das letzte Stück nicht ganz so steil zu sein. Wenn er vorsichtig war, mußte er es schaffen.

Plötzlich beschlich ihn ein ungutes Gefühl, fast so etwas wie eine instinktive Warnung. Gleichzeitig rieselte kleine Bröckchen Erdreich dicht neben ihm an der Wand hinunter.

Er hob seinen Kopf und blickte an der Wand hoch. Ja, die Bröckchen schienen von ganz oben zu kommen.

Aber wieso lockerte sich die Erde, wenn doch niemand mehr dort war?

Wirklich nicht?

Hatte sich dort oben nicht etwas bewegt, wie ein flüchtiger Schatten?

Vielleicht ein Tier. Ja, es mußte ein Tier sein, ein andere Erklärung gab es nicht.

Jacob krallte seine Finger tief in die von ihm gegrabenen Aushöhlungen und kletterte weiter.

*

Die Eisenspitze begann zu vibrieren, als sich das Zittern von Riding Bears Muskeln auf sie übertrug. Krampfhaft versuchte der Kaminu, Pfeil und Bogen ruhig zu halten. Doch je mehr er sich anstrengte, desto weiter pendelte die Spitze des Pfeils über das angepeilte Ziel hinaus.

Es war ein Jagdpfeil, kein Kriegspfeil. War das Zittern seiner Muskeln ein Zeichen der Götter, daß Riding Bear die Waffe nicht zweckentfremden sollte?

Früher war ihm das nie passiert. Jede Waffe hatte stets ruhig in seinen Händen gelegen.

Aber die Kugel der weißen Frau, die tief in seiner Brust saß, schwächte ihn, trotz der heilenden Kräuter, die er auf die Wunde gelegt hatte. Die Kräuter halfen, die Blutung zu stillen und die Wunde rasch zu verschließen. Doch die Kugel steckte noch in seiner Brust, schmerzte bei jeder Bewegung, manchmal fast unerträglich.

Es war eine Kugel der Weißen!

Die Bleichgesichter hatten ihn verwundet, hatte seine Brüder getötet und skalpiert, wie sie es mit Kindern, Frauen und Alten im Lager der Kaminu getan hatten. Es gab keinen Grund, sie zu schonen!

Riding Bear nahm die Kraft der Erde, auf der er lag, in sich auf. Sie kühlte seinen Schmerz und ließ seine Arme und Hände ruhiger werden.

Gerade als die Eisenspitze wieder auf den weißen Mann zeigte, setzte er sich in Bewegung und kletterte trotz seiner offensichtlichen Erschöpfung weiter.

Trotz allen Hasses auf die Weißen mußte Riding Bear ihn bewundern. So weit wie er wäre selbst mancher Krieger der Kaminu nicht gekommen.

Der Weiße blickte nach oben, suchte einen neuen Halt für seine aufgerissenen, blutigen Hände. Da erkannte der Rote sein Gesicht. Es war einer der beiden Männer, die den weißen Frauen zu Hilfe gekommen waren.

Er dachte an seinen Angriff auf den Planwagen und an die goldhaarige junge Squaw, die auf ihn geschossen hatte. Als er verwundet auf dem Pferd saß, so dicht vor ihr, hätte sie ihn töten können.

Er hatte viel darüber nachgedacht, weshalb sie es nicht getan hatte. Es konnte kein Versehen gewesen sein, daß ihre Kugel in die Erde unter seinem Appaloosa fuhr.

Sie hatte sein Leben verschont.

Warum?

Die Erkenntnis, daß nicht alle Weißen so schlecht waren, wie er und seine Brüder in ihrer Trauer und ihrem Haß glaubten, reifte nur langsam in Riding Bear heran. Zu frisch war noch die Trauer, zu stark der Schmerz über den erlittenen Verlust.