158062.fb2 Der Fluch von Starcrest - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 14

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»Und nach welchem Plan?« Quantrill grinste. »Nach dem besten Plan. Wir reiten in die Stadt und schießen alle nieder,

die sich uns in den Weg stellen.«

*

Je länger Irene der Frau im Bett zuhörte, desto größeres Mitleid empfand sie für Virginia Cordwainer. Ihre Geschichte bewies, daß auch eine Frau aus hohem Stand nicht davor gefeit war, ein unglückliches Leben zu führen.

Und aus hohem Stand kam Virginia Lawrence, wie sie bis zur ihrer Heirat mit Byron Cordwainer hieß. Jedenfalls, soweit es die Stadt Blue Springs betraf. Als einziger Bankier der Stadt war ihr Vater Armstrong Lawrence ein mächtiger Mann. Der mächtigste Mann nach den steinreichen Cordwainers, die fast alle wichtigen Geschäfte in dem aufstrebenden Blue Springs kontrollierten.

Um auch noch die Lawrence Missouri Bank unter ihre Fuchtel zu bekommen, verfielen die Cordwainers auf einen bestechend einfachen Plan. Durch die Heirat zwischen Byron Cordwainer und Virginia würde der Familie Cordwainer die Bank ganz automatisch zufallen, sobald Armstrong Lawrence von der irdischen Bühne abtrat. Und solange der alte Banker noch lebte, würden die Cordwainers auch schon beträchtlichen Einfluß auf ihn ausüben können, gehörte er doch gleichsam zur Familie.

Armstrong Lawrence war der Verbindung zwischen Byron und Virginia alles andere als abgeneigt. Er dachte und handelte stets nach der unter den Reichen weitverbreiteten Devise >Geld gehört zu Geld, Geld kommt zu Geld<.

Daß Virginia nicht Byron Cordwainer liebte, sondern Custis Hunter, interessierte ihn nicht. Zwar waren die Hunters auch vermögend, aber als Sklavenhalter waren sie in Blue Springs nur geduldet, nicht jedoch erwünscht. Armstrong Lawrence genügte es, daß sie ihr Geld auf seine Bank trugen; jeglichen weitergehenden Kontakt mit ihnen vermied er nach Kräften.

Vielleicht hätte Virginia bei ihrer Mutter, mit der sie sich stets gut verstanden hatte, Unterstützung gefunden. Aber Philippa Lawrence war vor fünf Jahren an einer schweren Grippe gestorben.

So taten Virginia und Custis das einzige, was ihnen einfiel, um die bevorstehende Heirat mit Byron Cordwainer zu verhindern. Virginia floh nächtens aus ihrem Elternhaus und lief zu Custis, der am Stadtrand mit einem Pferd für sie wartete. Sie ritten nach Starcrest, um dort zu heiraten.

Der alte Robert Hunter zeigte sich nicht gerade erfreut, als er von Custis und der plötzlich aufgetauchten Virginia vor vollendete Tatsachen gestellt wurde, aber er verweigerte seinem Sohn und dessen Auserwählter seinen Segen nicht.

Drei Tage vor der auf Starcrest geplanten Hochzeit griffen Byron Cordwainer und seine Jayhawkers die Plantage an.

Cordwainer hatte die Bürger von Blue Springs, aus denen er seine Freiwilligenkompanie rekrutierte, aufgestachelt, indem er die Hunters als Sklavenschinder und Verbrecher hinstellte und aus Virginias Flucht eine gewaltsame Entführung machte. Armstrong Lawrence spielte das falsche Spiel mit und versicherte, Custis wäre mit mehreren Männern in sein Haus eingedrungen und hätte Virginia unter Waffengewalt mitgenommen.

Vielleicht glaubten nicht alle, die mit Cordwainer ritten, diese Geschichte. Aber der Bürgerkrieg und der blutige Buschkrieg, der schon seit Jahren im Grenzgebiet zwischen Kansas und Missouri tobte, hatte die Emotionen aufgestachelt. Viele Männer waren nur zu gern bereit, unter einem fadenscheinigen Vorwand gegen die verhaßten Sklavenhalter vorzugehen.

»Sie haben Custis und seinen Vater erschossen und anschließend das Haus und alle anderen Gebäude niedergebrannt«, berichtete Virginia unter Tränen.

»Und doch haben Sie Byron Cordwainer geheiratet?« vergewisserte sich Irene ungläubig. »Den Mann, der für den Tod Ihres Geliebten verantwortlich ist?«

»Was sollte ich denn tun? Nach Custis' Tod hatte ich niemanden mehr, der zu mir hielt? Wo hätte ich hingehen sollten mit ... mit dem Kind?«

»Sie wußten schon, daß Sie schwanger waren?«

»Bei der Hochzeit mit Byron wußte ich es.«

»Wußte Byron es auch?«

»Ich habe es ihm am Morgen vor der Hochzeit gesagt.«

»Es hat ihm nichts ausgemacht?«

»Ich weiß es nicht. Er hat seine Gefühle nicht gezeigt. Er hat nur gesagt, er würde für das Kind sorgen. Ich solle nicht erwarten, daß er es lieben würde. Genauso wenig wie ich erwarten solle, daß er ... mich lieben würde.«

Virginia hatte sehr stockend gesprochen, und immer wieder gingen ihre Worte in ein Schluchzen über. Nach den letzten Worten wurde sie von einem regelrechten Weinkrampf geschüttelt. Die lange aufgestauten Gefühle brachen aus ihr heraus.

Irene nahm sie in die Arme wie eine Mutter ihr Kind, strich über ihr Haar und sprach ihr tröstende Worte zu.

Dabei dachte Irene an Byron Cordwainer. Bisher hatte sie eine Art Held in ihm gesehen, weil er die Verteidigung von Blue Springs mit solcher Gewissenhaftigkeit organisierte. Aber offensichtlich hatte sie sich in ihm getäuscht. Der Mann hatte auch seine dunklen Seiten, das stand fest. Genau genommen, war er ein Mörder wie dieser Quantrill.

War es das, was ein Krieg bewerkstelligte? Machte er aus allen Beteiligten Mörder?

Sie konnte diesen Gedanken nicht weiterführen, weil Virginias Weinen in ein lautes Stöhnen überging und ihr Körper unter heftigen Schmerzen zusammenzuckte. Erst nach zwei, drei Minuten ließ es nach.

»Es ist das Kind«, sagte Virginia mit leiser, geschwächter Stimme. »Es spürt, das es nicht geliebt wird.«

Irene schüttelte entschieden den Kopf. »Das ist doppelt falsch. Es wird von seiner Mutter geliebt.«

»Soll ich es lieben und als Byrons Kind großziehen?«

»Auch wenn es Byron Cordwainers Namen trägt, Custis Hunter wird in ihm weiterleben.«

Virginia überlegte lange und meinte dann: »Sie haben recht, Irene. Ich werde das Kind immer lieben, weil es ein Teil von Custis ist. Von Custis und mir. Aber was meinten Sie damit, ich hätte doppelt unrecht?«

»Die Schmerzen, die Sie ausstehen müssen, kenne ich von mir selbst. Die Wehen setzen bei Ihnen ein.«

Die Frau im Bett erbleichte. »Aber das kann nicht sein! Es ist doch erst in zwei Monaten soweit.«

»Vielleicht hat Ihr Sturz letzte Nacht etwas damit zu tun. Ich könnte es mir vorstellen. Jedenfalls bin ich mir ziemlich sicher, daß es Ihr Kind sehr eilig hat, auf diese Welt zu kommen.«

»Ausgerechnet jetzt!«

»Was meinen Sie damit?« erkundigte sich Irene.

»Doc Hatfield, der einzige Arzt in Blue Springs, ist gestern zur Miller-Farm hinausgeritten. Ich weiß nicht, ob er schon zurück ist.«

»Dann sollten wir uns danach erkundigen«, schlug Irene vor.

Virginia schickte einen Boten zu Doc Hatfields Haus, der mit der Nachricht zurückkam, daß der Arzt noch nicht wieder da war.

»Es wird doch eine Hebamme im Ort geben«, sagte Irene hoffnungsvoll.

»Nur die alte Emmy McBain.«

»Na also.«

»Die Witwe McBain ist letzten Monat gestorben.«

»Oh«, machte Irene nur und überlegte, was man noch für Virginia tun konnte.

Diese umklammerte plötzlich mit beiden Händen Irenes Rechte, so fest, daß es fast schmerzte. »Sie bleiben doch bei mir, nicht wahr? Sie werden mich nicht allein lassen. Ich habe doch sonst niemanden. Versprechen Sie mir bitte, Irene, daß Sie mich nicht allein lassen!«

»Ich werde bei Ihnen bleiben, bis Ihr Kind neben Ihnen im Bett liegt«, sagte Irene und sah der anderen Frau fest in die Augen. »Das verspreche ich Ihnen, Virginia!«

*

Edwin Hatfield dankte Gott. Wie er es immer tat, wenn der Herr es zuließ, daß der Arzt einen Menschen vor dem Tod bewahrte.