121327.fb2 Bringt mir den Kopf des M?rchenprinzen - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 37

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Die Prinzessin lächelte, wobei sie ihre ebenmäßigen kleinen Zähne und die Grübchen in ihren Wangen zeigte. Triumphierend hielt sie die Schwarze Kreditkarte hoch. »Hier ist sie!«

»Gut gemacht«, lobte Ylith. »Jetzt mußt du sie nur noch benutzen.«

»Ja«, sagte Rosenrot und versuchte, ein Gähnen zu unterdrücken. »Aber was soll ich gegen diesen verdammten Schlummerzauber tun?«

»Trink einen guten kräftigen Schluck Jauche«, erwiderte Ylith. »Ich werde noch einen Zauber hinzufügen. Dann wirst du drei oder vier Stunden länger als sonst schlafen und dafür hinterher drei oder vier Stunden länger wach bleiben.«

Rosenrot strahlte. »Mach schnell«, sagte sie.

KAPITEL 7

Die Kürbiskutsche rollte lautlos auf ihren aus Rettichen geschnitzten Rädern zu dem überdachten Empfangsbereich. Der Froschlakai hüpfte vom Kutschbock und öffnete die Tür für Rosenrot. Sie trat hinaus, sorgsam darauf bedacht, ihr Festgewand nicht in Unordnung zu bringen. Es war ein wunderschönes Kleid aus rosarotem Tüll mit einem Hyazinthenmuster, von Michael von Perugia exklusiv für sie entworfen und mit Azzies Kreditkarte bezahlt. Uniformierte Pagen hießen sie willkommen und führten sie ins Schloß. Der Ballsaal erstrahlte in Licht und leuchten, den Farben. Das Orchester befand sich am anderen Ende. Prinzessin Rosenrot war wie geblendet. Niemals zuvor hatte sie etwas derart Aufregendes gesehen. Es war wie eine Szene aus einem Märchen, und der Umstand, daß sie selbst einem Märchen entsprungen war, machte es nicht weniger wunderbar.

»Ihr müßt Prinzessin Rosenrot sein!« wurde sie von einer strahlend schönen jungen Frau angesprochen, die ungefähr in ihrem Alter war.

»Seid Ihr Prinzessin Aschenbrödel?« fragte Rosenrot.

»Woran habt Ihr mich erkannt? Habe ich Ruß an der Nase?«

»Oh, nein… ich habe nur angenommen… da ich Eure Einladung bekommen habe…« Rosenrot war völlig verwirrt, aber Aschenbrödel nahm ihr mit einem Lachen die Unsicherheit. »Das war nur ein kleiner Scherz! Ich bin so froh, daß Ihr kommen konntet. Wie ich gehört habe, steht Ihr unter einem Schlafzauber.«

»Genaugenommen ist es ein Schlummerzauber. Aber wie habt Ihr davon erfahren?«

»Nachrichten verbreiten sich schnell im Reich der Märchen«, erklärte Aschenbrödel. »In den oberen Stockwerken gibt es viele Ruheräume, solltet Ihr einen brauchen, und wir haben eine Menge stimulierender Mittel, falls der Bann, unter dem Ihr steht, auf chemische Substanzen reagiert.«

»Nicht nötig«, wehrte Rosenrot ab. »Ich konnte eine vorübergehende Aufhebung des Banns erreichen.«

»Wie auch immer Ihr das geschafft habt, ich bin sehr froh, daß Ihr kommen konntet. Das ist der diesjährige Debütantinnenball, müßt Ihr wissen. Wir haben viele ansprechende Junggesellen unter unseren Gästen, hauptsächlich Angehörige des Adels, aber auch ein paar Unternehmer und berühmte Bürger wie Hans von der Bohnenstange und Peer Gynt. Kommt mit, ich werde Euch ein Glas Champagner besorgen und Euch einigen Leuten vorstellen.«

Aschenbrödel gab Rosenrot ein Glas mit perlendem Champagner, nahm sie an der Hand und führte sie von einer Gruppe prächtig gekleideter Gäste zur nächsten. Rosenrot schwirrte bald der Kopf, und die Musik – laut und rhythmisch – ließ ihre Tänzerinnenbeine zucken. Sie war sehr erfreut, als ein hochgewachsener, dunkelhäutiger attraktiver Mann, der einen Anzug aus goldenem Lame und einen karmesinroten Turban trug, sie um einen Tanz bat.

Sie wirbelten durch den Tanzsaal. Der Mann mit dem Turban stellte sich ihr als Achmed Ali vor. Er war ein begnadeter Tänzer, der die neusten Schritte beherrschte. Rosenrot besaß den Instinkt und die schnelle Auffassungsgabe der geborenen Tänzerin für die richtigen Schritte, und so beherrschte sie schon bald den Gespreizten Ententanz, den Wippenden Ellbogen, den Pygmäenhüpfer, das Rasende Knickbein und den Doppelten Vielfraß, eben die aktuellen Tanzerrungenschaften dieses ereignisreichen Jahres der Jahrtausendwende. Achmed schien geradezu über den Boden zu schweben und war Rosenrots erstaunlicher Begabung durch sein kaum minder ausgeprägtes Talent ebenbürtig. Die anderen Tänzer wichen zurück, um ihnen Platz zu machen, so augenscheinlich war das junge Paar den anderen überlegen. Das Orchester wechselte in den Schwanensee über, weil der Tanz der beiden wie ein Ballett anmutete. Achmed und Rosenrot wirbelten unermüdlich im Kreis herum, während die Trompeten schmetterten und die Stahlsaiten der Gitarren weinten, drehten immer kühnere Pas de deux, kreisten, trippelten und stampften unter ständig lauter werdendem Applaus. Zum Abschluß tanzte Achmed mit Rosenrot aus dem Ballsaal auf einen kleinen Balkon hinaus.

Unter dem Balkon lag ein Teich. Der Mond war gerade aufgegangen, und kleine silberne Wellen liefen über das Wasser dem dunklen Ufer entgegen. Prinzessin Rosenrot wedelte sich mit einem chinesischen Fächer, den sie von der Abteilung für Ausrüstung und Zubehör bekommen hatte, Kühlung zu und sagte an Achmed gewandt in der formellen höfischen Wortwahl: »Fürwahr, edler Herr, nie habe ich einen Tänzer auf einem Ball gesehen, der Euch gleichkäme.«

»Und ich keine Tänzerin wie Euresgleichen«, erwiderte Achmed galant das Kompliment. Er hatte eine kühn geschwungene Nase, ebenmäßige Züge und ausdrucksstarke blaßrosafarbene Lippen, die perlmuttweiße Zähne zeigten, wenn er sie zu einem Lächeln verzog. Er erzählte Rosenrot, daß er ein Prinz vom Hofe des Großen Herrschers über alle Türken sei, dessen Reich sich von den nebligen Grenzen des östlichen Turkistans bis zu den wogenumbrandeten Küsten Kleinasiens erstreckte. Er beschrieb die Pracht des herrschaftlichen Palastes, der so viele Zimmer umfaßte, daß sie für jeden unzählbar waren, der nicht die mathematische Zauberlehre beherrschte. Er schilderte ihr die bedeutendsten Merkmale des Palastes, die Karpfenteiche, die Heilwasserquellen, die große Bibliothek, in der man Schriften aus der ganzen Welt finden konnte. Er erwähnte die Küchen, in denen jeden Tag die außergewöhnlichsten und herrlichsten Köstlichkeiten zur Ergötzung der glücklichen und begabten jungen Leute zubereitet wurden, die den Palast bevölkerten. Er sagte ihr, wie sehr sie all die anderen Schönheiten am Hof durch die nie zuvor gesehene Lieblichkeit ihrer zarten und ebenmäßigen Züge überstrahlen würde. Er erklärte ihr, daß er ihr trotz ihrer erst kurzen Bekanntschaft hoffnungslos verfallen sei, und bat sie, ihn zu begleiten, damit er ihr die Pracht des Reiches des Großen Herrschers über alle Türken zeigen könnte, und wenn sie wollte, könnte sie eine Weile dort bleiben. Er malte ihr die kostbaren Geschenke aus, mit denen er sie überhäufen würde, und so fuhr er noch lange Zeit mit seinen Schilderungen und verführerischen Versprechungen fort, bis sich im Kopf der Prinzessin alles im Kreis drehte.

»Ich würde gern mit Euch kommen und all diese Dinge sehen«, sagte sie, »aber ich habe meiner Tante versprochen, sofort nach dem Ball nach Hause zurückzukehren.«

»Kein Problem«, erwiderte Achmed. Er schnippte mit den Fingern. Ein schnalzender Laut erfüllte die Luft, und dann erblickte Prinzessin Rosenrot einen herrlichen großen Perserteppich, der anscheinend aus dem Nichts aufgetaucht war und jetzt in Höhe des Balkons schwebte.

»Das ist ein Fliegender Teppich«, erklärte Achmed. »Es ist ein allgemein gebräuchliches Transportmittel in meinem Land, mit dessen Hilfe ich Euch zum Hof des Großen Herrschers über alle Türken mitnehmen kann, um Euch alles zu zeigen und Euch wieder hierher zurückzubringen, bevor der Abend vorbei ist.«

»Das klingt sehr verlockend«, erwiderte Rosenrot, »aber ich sollte wirklich nicht…«

Achmed Ali ließ ein unglaublich hinreißendes Lächeln aufblitzen und trat vom Balkon auf den Teppich. Er drehte sich zu Rosenrot um und streckte ihr die Hand entgegen.

»Kommt mit mir, wunderschöne Prinzessin«, sagte er. »Ich bin verrückt nach Euch. Ich werde Euch viel Vergnügen bereiten, Euch in jeder Beziehung respektieren und Euch rechtzeitig wieder hier abliefern, so daß Ihr wie ursprünglich geplant zu Eurer hochgeschätzten Tante zurückkehren könnt.«

Prinzessin Rosenrot wußte, daß sie es nicht tun sollte. Aber die unerwartete Freiheit, die vorübergehende Erlösung aus dem Schlummerbann, die Gegenwart des geheimnisvollen und verführerischen Achmed Ali, das ungewohnte Glas Champagner und der Duft der Mater-Delirium-Pflanze, die unter dem Balkon wuchs, das alles wühlte ihre Sinne auf und ließ sie kühn werden. Ohne richtig zu wissen, was sie tat, ergriff sie Achmeds dargebotene Hand und trat auf den Teppich.

KAPITEL 8

Aschenbrödel wollte gerade zum reichhaltigen Büfett gehen, um sich noch ein Glas Champagner und vielleicht auch eine Schale Sorbet zu holen, als sich ihr ein Lakai näherte, sich verbeugte und sagte: »Da ist jemand, Prinzessin, der Euch sprechen möchte.«

»Ein Mann?«

»Ein Dämon, nehme ich an, obwohl er die Gestalt eines Mannes hat.«

»Ein Dämon«, überlegte Aschenbrödel. »Ich kann mich nicht daran erinnern, irgendwelche Dämonen eingeladen zu haben.«

»Ich glaube, daß er sich selbst eingeladen hat, Prinzessin«, sagte der Lakai und versuchte, eine passende Gelegenheit zu finden, um zu erwähnen, daß er selbst ein verkleideter Prinz wäre.

»Was will er?«

»Ich weiß es nicht«, bekannte der Lakai und strich sich mit dem Handrücken über seinen buschigen Schnurrbart. »Er behauptet, daß es sich um eine äußerst wichtige Angelegenheit handelt.«

Das Wortgeplänkel hätte noch ewig so weitergehen können, wäre Azzie nicht in diesem Augenblick aufgetaucht. Er durchquerte zügig den Saal, obwohl sich zwei Türsteher an seinen Rockschößen festklammerten und ihn aufzuhalten versuchten, in den Händen zwei Besenstiele.

Azzie schüttelte sich kurz, worauf die Männer zu Boden geschleudert wurden, und fragte: »Seid Ihr Prinzessin Aschenbrödel?«

»Die bin ich.«

»Und das ist Euer Fest?«

»So ist es. Und solltet Ihr vorhaben, es zu ruinieren, möchte ich Euch darauf hinweisen, daß ich meine eigenen Dämonen zur Verfügung habe, die ich jederzeit rufen kann.«

»Wie es scheint, habt Ihr meine Nichte, Prinzessin Rosenrot, auf Euren Ball eingeladen.«

Aschenbrödel sah sich um. Einige der Gäste schienen das Gespräch aufmerksam zu verfolgen, und der Lakai war immer noch da. Er zwirbelte seinen lächerlichen Schnurrbart, während er versuchte, sich und seine zweifelhaften Referenzen an den Mann zu bringen.

»Kommt mit mir ins Separee«, bat Aschenbrödel. »Dort können wir uns in Ruhe unterhalten.«

»Ihr könnt Eure Besenstiele in die Ecke stellen«, sagte sie, nachdem sie den Raum betreten hatten.

»Ich ziehe es vor, sie in der Hand zu behalten«, erwiderte Azzie. »Genug der belanglosen Plauderei. Wo ist Rosenrot?«

»Seid Ihr wirklich ihr Onkel? Ihr hättet das Kind nicht so lange allein in dem verwunschenen Schloß lassen sollen. Ich dachte nicht, daß es irgendwelche Probleme verursachen würde, sie auf mein Fest einzuladen.«

»Wo ist sie in diesem Augenblick?« fragte Azzie und klopfte unheilverkündend mit dem Fuß auf den Boden.

Aschenbrödel ließ den Blick durch den Saal wandern, konnte Rosenrot jedoch nicht entdecken. Sie rief einen Lakaien herbei – nicht den mit dem Schnäuzer, dieser hier trug einen kleinen Spitzbart – und beauftragte ihn damit, Prinzessin Rosenrot zu suchen.

Kurz darauf kam der Lakai auch schon wieder zurückgeeilt. »Wie ich erfahren habe, hat sie das Schloß in Begleitung des Herrn mit dem Turban, Achmed Ali, verlassen.«

»Wie haben sie das Schloß verlassen?« fragte Azzie den Diener.

»Mit einem Fliegenden Teppich, Exzellenz.«