121327.fb2 Bringt mir den Kopf des M?rchenprinzen - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 20

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»Ja, natürlich«, bestätigte Skander. »Aber ich würde es wirklich vorziehen, nicht über Augen zu sprechen, falls es dir nichts ausmacht.«

»Du möchtest nicht über Augen sprechen?«

»Nur so ein Aberglaube, schätze ich. Tut mir leid.«

»Möchtest du mir nicht davon erzählen?«

»Na schön«, sagte der Drache. »Vor langer Zeit in China war mir aufgefallen, daß der Hofmaler bei allen seinen Drachenbildern die Augen immer erst ganz zum Schluß gemalt hat. Als ich ihn darauf ansprach, erklärte er mir, daß diese Maltechnik den Bildern ein ganz besonderes Leben verleihen würde und es keinen Sinn hätte, dieses Leben herbeizurufen, bevor alles andere erledigt wäre. Ein weiser Mann hätte ihm erzählt, daß die Augen meinesgleichen der Brennpunkt des Geistes seien. Sie enthalten das Leben, und sie sind das letzte, das stirbt. Später habe ich diesen weisen Mann aufgesucht, einen alten taoistischen Mönch, und er hat mir versichert, daß es stimmt. Er hat mir außerdem prophezeit, daß eine Hexe, die sich bei mir nach Augen erkundigt, die völlige Umkehrung von Yin und Yang bedeuten würde.«

»Was bedeutet das?«

»Rosebud…«, erwiderte Skander und schloß die Augen.

Ylith wartete, aber er sprach nicht weiter. Nach einer Weile räusperte sie sich. »Äh, Skander? Was dann?«

Sie erhielt keine Antwort.

»Schläfst du, Skander?«

Schweigen.

Schließlich trat sie an ihn heran und hielt ihm eine Hand vor die Nüstern. Sie konnte keinen Atem spüren. Sie kam noch näher und schob die Hand zwischen seine Brustschuppen. Kein Herzschlag.

»O nein!« stieß sie hervor. »Was nun?«

Aber sie wußte bereits, was zu tun war.

Als sie es erledigt hatte, streichelte sie die Nase des toten Drachen, eine Berührung, die er zu Lebzeiten gern gehabt hatte. Armer alter Drache! dachte sie. So alt und weise und nun doch nicht mehr als ein Haufen erkaltenden Fleisches in einer Berghöhle.

Sie wußte, daß bald die Nacht hereinbrechen würde, und das war keine gute Zeit, wenn man sich in einem fremden Land befand. Die einheimischen Dämonen würden unterwegs sein, und sie könnten erheblichen Ärger machen, wenn ihnen der Sinn danach stand. In diesen Tagen herrschte kein gutes Verhältnis zwischen den europäischen und den asiatischen Dämonen, und die Kriege zwischen ihnen warten noch immer auf ihren Chronisten.

Ylith wickelte die Augen in ein kleines Seidentaschentuch und verstaute sie in einem Rosenholzkästchen, das sie stets für den Transport von zerbrechlichen oder kostbaren Gegenständen mit sich trug. Dann drehte sie sich um und verließ die Höhle.

Draußen angekommen, stand sie hochaufgerichtet da, während das Licht der untergehenden Sonne von den vereisten Gipfeln der höchsten Berge reflektiert wurde. Sie warf die Mähne ihres herrlichen schwarzen Haars zurück, bestieg ihren Hochleistungsbesen und flog nach Westen davon. Unter ihr schrumpfte das Land des Drachen zusammen.

KAPITEL 7

Als Ylith Augsburg erreichte, herrschte noch immer Tageslicht, denn mit Hilfe eines günstigen Rückenwindes war es ihr gelungen, der Sonne selbst ein Schnippchen zu schlagen. Sie landete vor dem Haupteingang von Azzies Anwesen und schlug heftig mit dem Messingklopfer gegen die Tür. »Azzie! Ich bin zurück! Ich habe sie!«

Totenstille antwortete ihr. Obwohl es ein Sommernachmittag war, lag Kälte in der Luft. Ylith verspürte eine leichte Nervosität. Ihre Hexensinne verrieten ihr, daß hier irgend etwas nicht stimmte. Sie berührte das Schutzamulett aus Bernstein, das sie um den Hals trug, und klopfte erneut.

Endlich wurde die Tür geöffnet. Vor ihr stand Frike, das magere Gesicht zu einer kummervollen Miene verzerrt.

»Frike! Was ist los?«

»Ach, Gebieterin! Es ist etwas Schreckliches passiert!«

»Wo ist Azzie?«

»Das, Herrin, ist ja das Schreckliche. Er ist nicht hier.«

»Nicht hier? Wo ist er dann?«

»Ich weiß es nicht«, sagte Frike, »aber es war nicht meine Schuld.«

»Erzähl mir, was passiert ist.«

»Vor ein paar Stunden«, begann Frike, »hat der Meister eine Lösung zubereitet, um das Haar von Prinzessin Rosenrot zu waschen, weil es schmutzig und verfilzt war. Als er damit fertig war, habe ich ihr Haar getrocknet. Ich erinnere mich, daß es kurz nach Mittag war, denn die Sonne stand hoch und heiß am Himmel, als ich hinausgegangen bin, um Feuerholz zu holen…«

»Erzähl weiter«, ermunterte Ylith ihn. »Was ist dann passiert?«

»Als ich mit dem Feuerholz zurückkam, summte der Gebieter eine fröhliche Melodie, während er dem Märchenprinzen die Fingernägel schnitt – Ihr wißt ja, daß er sich immer sehr viel Mühe mit den Details macht. Plötzlich hörte er auf zu summen und blickte sich um. Ich blickte mich ebenfalls um, obwohl ich nichts gehört hatte. Der Meister drehte sich einmal im Kreis herum, und ich könnte schwören, daß er nicht mehr der gleiche Dämon war, als er mich wieder ansah. Sein Haar hatte etwas von seinem Glanz verloren, und er war blaß geworden. Ich fragte ihn: ›Habt Ihr etwas gehört, Herr?‹, und er sagte: ›Ja, ein scharfes Geräusch, und das wird mir nichts Gutes bringen. Schnell, hol mir das Große Buch der Zaubersprüche!‹ Und während er das sagte, sank er auch schon in die Knie. Ich rannte los, um seinen Befehl auszuführen. Er hatte nicht mehr die Kraft, das Buch zu öffnen – es ist das sehr große in Messing gebundene Buch, das dort vor Euren Füßen liegt. ›Frike, hilf mir, die Seiten umzublättern‹, sagte er. ›Irgendein heimtückischer Schwächezauber entdämonisiert mich.‹ Ich half ihm, und er drängte: ›Schneller, Frike, schneller, bevor mich die Kraft völlig verläßt. ‹ Also schlug ich die Seiten noch schneller um, jetzt ganz allein, da die Hand des Meisters herabgefallen war und er nur noch die Augen, aus denen das vertraute Feuer gewichen war, auf die Seiten gerichtet halten konnte. Und dann sagte er plötzlich: ›Halt, genau hier. Jetzt laß mich sehen…‹ Und das war alles.«

»Alles?« fragte Ylith. »Was meinst du mit alles?«

»Alles, was er gesagt hat, Herrin.«

»Das habe ich sehr gut verstanden. Aber was ist dann passiert?«

»Er ist verschwunden, Herrin.«

»Verschwunden?«

»Er hat sich direkt vor meinen Augen aufgelöst. Ich war völlig außer mir, weil ich nicht wußte, was ich tun sollte. Er hatte mir keine Anweisungen hinterlassen. Also bin ich eine Weile hysterisch geworden und habe dann beschlossen, einfach auf Eure Rückkehr zu warten.«

»Beschreib mir die Art seines Verschwindens«, verlangte Ylith.

»Die Art?« fragte Frike.

»War es ein Rauchabgang, bei dem er sich in Nichts auflöst hat? Oder ein Feuerabgang, bei dem er vielleicht mit einem leisen Donnerschlag verschwunden ist? Oder ist er zuerst zu einem kleinen Punkt zusammengeschrumpft?«

»Ich weiß es nicht Herrin. Ich habe mir die Augen zugehalten.«

»Du hast dir die Augen zugehalten? Du bist ein Idiot, Frike!«

»Ah, Herrin, aber ich habe zwischen den Fingern durchgelugt.«

»Und was hast du dabei gesehen?«

»Ich habe gesehen, wie der Gebieter sehr dünn geworden und dann seitlich davongeglitten ist.«

»Nach welcher Seite?«

»Nach rechts, Herrin.«

»Ist er gleichmäßig oder mit einer Art Aufundabbewegung weggeglitten?«

»Mit so einer Bewegung.«